Nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und den USA sieht es gar nicht mehr so schlecht aus für die Gemeinschaftswährung der Europäischen Union. Die beiden Ereignisse haben dazu geführt, dass diese in der Spitze über 1,20 Euro pro US-Dollar notierte.
Man kennt das aus dem Krimi. Zum Täter führen die klassischen Fragen: Wer hatte Motiv, Mittel und Gelegenheit? Ganz so dramatisch wie im „Tatort“ am Sonntagabend geht es bei den Ratssitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu, aber spannend ist es schon, wenn der EZB-Rat die Ergebnisse seiner geldpolitischen Beratung bekannt gibt und erläutert. Und so wie den Kommissar die richtigen Fragen zum Täter führen, wird auch der Investor mit den richtigen Fragen seinem Ziel näher kommen zu wissen, was denn sein Geld in Zukunft noch wert ist.
Sorge vor Deflation
Die EZB hat in den vergangenen Jahren, um den Geldwert zu sichern, eine Reihe von unkonventionellen Maßnahmen ergriffen, die in der Kombination zu einer deutlich aufgeblähten Bilanz der Bank geführt haben. Dazu kam noch ein negativer Einlagesatz für Kreditinstitute. Warum? Und wie wirkt sich das auf die Stabilität meines Geldes aus? Versuchen wir, diese Fragen zu beantworten.
Das Hauptaugenmerk der EZB hat vor allem der Sorge vor einem Abgleiten der Europäischen Währungsunion in eine Deflation gegolten. Die Inflationsraten im Euroraum waren niedrig, aber im Mittel noch positiv. Und auch die EZB erwartet keine Deflation mehr im Euroraum. Zugleich weist diese – allen voran der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi – aber auch immer wieder darauf hin, dass eine Periode fortgesetzter niedriger Inflationsraten die Erwartung einer Deflation schüren kann.
Niedrige Leitzinsen
Abschreckendes Beispiel ist Japan. Auch eine jahrelange Nullzinspolitik hat es dort nicht vermocht, die Deflationserwartungen zu brechen. Es war daher an der EZB, rechtzeitig gegenzusteuern. Dazu hat der EZB-Rat nach eigener Aussage den Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Hand– und nutzt diese auch. Das Hauptinstrument der EZB sind zweifellos die Leitzinsen. Diese sind bei Null, die Einlagezinsen für Banken seit 2014 negativ, aktuell bei minus 0,40 Prozent. Nicht nur dank höherer Ölpreise hat sich die Inflation von der Nulllinie gelöst. Damit gerät der innere Wert des Euro wieder stärker in den Blick. Allerdings ist aus heutiger Sicht mittelfristig kein spürbarer Inflationsanstieg zu erwarten – sodass die EZB durchaus noch Zeit hat, die Leitzinsen sehr lange unten zu halten.
Wie sieht es mit dem äußeren Wert des Euro aus? War die Gemeinschaftswährung lange Zeit gegenüber dem US-Dollar überbewertet, so hat sich seit 2015 der Außenwert des Euro gegenüber dem US-Dollar gedreht. Zwischenzeitlich war die Parität, also das Verhältnis 1:1, in greifbare Nähe gerückt. Aber eine nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich positivere Sicht auf Europa und eine Vielzahl an Enttäuschungen bezüglich der Erfolgsaussichten des US-Präsidenten haben zu einem deutlichen Stimmungsumschwung zugunsten des Euro geführt, der in der Spitze über 1,20 Euro pro US-Dollar notierte.
Damit liegt der Euro immer noch unter seiner Kaufkraftparität zum US-amerikanischen Dollar, was allerdings vom Zinsvorteil der Amerikaner und deren erwartetem Wachstumsvorteil überlagert wird.
Fast noch spannender und bedeutsamer als die Geldpolitik dürfte 2018 die Politik werden. Eins ist klar: Europa braucht Reformen – sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf politischer Ebene – und einigende Perspektiven bei einem gemeinsamen Werteverständnis. Der Euroraum steht wirtschaftlich so gut da wie lange nicht. Jetzt sind die Weichen zu stellen. Letztendlich geht es darum, für unsere Unternehmen und für uns alle mit einer stabileren Europäischen Union wieder eine höhere Verlässlichkeit zu erzeugen, damit die Unsicherheit der vergangenen Jahre abgebaut wird und funktionierende Märkte wieder Preise bestimmen – und nicht mehr die Zentralbanken. Die sollen sich wieder ganz darauf konzentrieren, unser Geld stabil zu halten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Uwe Burkert
Zur Person
Uwe Burkert, Jahrgang 1969, studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim. Von 1995 bis 1997 arbeitete er bei der Südwestdeutschen Landesbank im Controlling und betreute dort den Ratingprozess für die Bank mit allen führenden Ratingagenturen. Er übernahm anschließend im Bereich Research der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Zuständigkeit für Konjunktur-, Zins- und Währungsprognosen für Europa. Darüber hinaus baute er in dieser Zeit das Credit Research auf, das er von 1999 bis 2013 verantwortete. Zum 1. April 2013 wurde Uwe Burkert zum Chefvolkswirt des LBBW-Konzerns und Leiter des Bereichs Research ernannt.