Weltmarktführer und Future Champions in Heilbronn-Franken

Zwei Unternehmen aus Heilbronn-Franken haben jüngst den Schritt auf die große
Bühne geschafft: Sie sind von den Future Champions zu Weltmarktführern aufgestiegen. Drei weitere setzen zum Sprung an die Spitze an. Das PROMAGAZIN hat nachgefragt, welche Attribute die „internationalen Chartstürmer“ so weit gebracht haben.

Future Champions
Sie sind Future Champions: Rainer Dietz (links), COO bei Fima Maschinenbau, und CEO Michael Hansen. Foto: FIMA Maschinenbau

Die heutige Boomer-Generation wird sich erinnern: In den 1970- und -80er Jahren herrschte in Deutschland eine selbstbewusste Stimmung. Höchstleistungen wurden  sogar regelmäßig zur besten Sendezeit an heimischen Fernsehbildschirmen befeuert. Da legte Moderator Hans Joachim Rosenthal in seiner Show „Dalli Dalli“ zur besten Sendezeit einen Luftsprung hin, wenn das Publikum der Meinung war, etwas sei „spitze“ gewesen. Und Dieter Thomas Heck kürte in der ZDF-Hitparade regelmäßig den „Aufsteiger des Jahres“.

Aber wenn sich so mancher Vertreter der Alterskohorte 50plus die „gute alte Zeit“ zurückwünscht, übersieht er womöglich, dass es auch heutzutage Menschen gibt, die den Sprung an die Spitze schaffen und den Titel „Aufsteiger des Jahres“ verdienen: Unternehmen, die in ihrer Branche zu Weltmarktführern geworden sind oder als sogenannte „Future Champions“ kurz davor stehen, international die Besten zu werden. Davon sind überproportional viele in Heilbronn-Franken zu Hause: 30 Unternehmen aus der Region stehen auch Ende 2024 im Weltmarktführer-Index, den Prof. Dr. Christoph Müller, Titularprofessor für BWL an der Universität St. Gallen und akademischer Leiter der dortigen HBM Unternehmerschule, alljährlich für ganz Deutschland federführend erstellt. Und viele unserer Weltmarktführer sind – anders als Hitparaden-Gewinner – keine One-Hit-Wonder, sondern seit Jahren international oben dabei.

Kriterien für Future Champions

Die Kriterien für globale Spitzenleistung nach Müllers Definition: 50 Millionen Euro Umsatz, wovon 50 Prozent im Ausland erwirtschaftet sein müssen, Tätigkeit auf mindestens drei Kontinenten und Nummer eins oder zwei in ihrem jeweiligen Weltmarktsegment. Die Grenzwerte für Future Champions liegen mit mehr als 40 Prozent Auslandsanteil und mehr als fünf Millionen Euro Umsatz entsprechend tiefer. 

Müllers Bestenliste zeichnet für die Global Player der Region ein positiveres Bild als allgemein wahrgenommen: „Die Lage ist stabil: Alle Weltmarktführer aus Heilbronn-Franken, die im vergangenen Jahr im Index waren, sind es auch geblieben. Heilbronn-Franken bleibt eine der Top-Regionen Deutschlands“, bilanziert Müller. Er sieht sogar einen positiven Trend: „Mehr Future Champions als im vergangenen Jahr haben den Sprung an die Spitze geschafft.“

Zwei „Aufsteiger des Jahres“ aus Wertheim

In unserer Region gab es laut Index zwei „Aufsteiger des Jahres“, die erstmals zugleich die 50-Millionen-Umsatzmarke und 50 Prozent Exportrate  knackten. Beide Index-Neuzugänge kommen aus Wertheim: Zippe Industrieanlagen und König &  Meyer. Letzterer stellt Musikzubehör wie Notenpulte, Mikrofon- und Instrumentenständer, Stative, Beleuchtungs-, Beschallungs- und Studiotechnik her. Dort ist die Freude besonders groß: Den globalen Spitzenplatz errang das Unternehmen pünktlich zum 75. Firmenjubiläum. „Die Auszeichnung ist eine großartige Anerkennung, dass unser Engagement und unsere Anstrengungen für unseren Markt und unsere Kunden wahrgenommen und wertgeschätzt werden“, sagt Gabriela König, Geschäftsführende Gesellschafterin des Familienunternehmens in dritter Generation.

Auf diese Anerkennung warten gleich drei Future Champions aus Heilbronn-Franken: Die Hänel Holding aus Bad Friedrichshall könnte nach Müllers Prognose schon bald an die Weltspitze rücken. Ebenfalls gut steht das Obersontheimer Unternehmen Fima Maschinenbau da: Dort liegt der Exportanteil bereits bei über 70 Prozent und der Umsatz (2024) bei 31,8 Millionen Euro. CeraCon aus Weikersheim ist auf automatisierte Wärmebehandlungsanlagen und Anlagen zur Aufbereitung und Applikation von geschäumten Dichtungen spezialisiert und verbucht mit 25 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr die Hälfte des notwendigen Umsatzes. Das Unternehmen kommt aber bereits auf 46 Prozent Exportrate. „Alle haben das Potenzial, Weltmarktführer zu werden“, stellt Müller fest.

Future Champions
Christoph Müller, Titularprofessor an der Universität St. Gallen, gibt alljährlich den Index heraus.
Future Champions
Gabriela König, CEO von König & Meyer, freut sich über die Anerkennung.
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Andreas Kreissl, CEO bei Ceracon, gehört mit seinem Unternehmen zu den Future Champions.

Wann Future Champions aus dem Backstage-Bereich auf die Weltmarktführerbühne treten, komme darauf an, wie weit sie noch von den Grenzwerten entfernt seien, erläutert der Wirtschaftsprofessor. Theoretisch könnten ein einziger großer Auftrag aus dem Ausland oder neue Märkte in anderen Ländern für den Aufstieg ausreichen. „Wenn sie bei 48 Millionen stehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie im kommenden Jahr den Sprung schaffen“, hat Müller beobachtet. Wenn ein Unternehmen bei 20 Millionen Euro Umsatz liege, dauere es nach seiner Erfahrung noch drei bis fünf Jahre, in stagnierenden Branchen und bei rein organischem Wachstum auch noch länger.

Drei Voraussetzungen für die Marktführerschaft

Doch welche Faktoren entscheiden darüber, ob jemand überhaupt diese Größenordnung schafft? Unternehmerin Gabriela König nennt drei Voraussetzungen, die für die Marktführerschaft ihres Unternehmens bedeutsam waren: erstens „eine hohe Innovationsleistung. Sie hat für uns Priorität. Das zeigt sich auch an der hohen Anzahl angemeldeter Patente und Geschmacksmuster“. Zweitens: Loyalität – zur Region und den Mitarbeitern: „Wir stehen zum Standort Deutschland und investieren kräftig in unsere Produktionsstätte“, sagt sie. Permanent werde in moderne Produktionsprozesse und neue Technologien investiert.

„Mit mehr als 300 Mitarbeitern wird in Wertheim entwickelt, gefertigt und vermarktet. Das Know-how und begeisterte Engagement unserer Mitarbeiter tragen maßgeblich zu unserem Erfolg bei.“ Dritter Schlüssel sei laut König die hohe Fertigungstiefe, fast alle Einzelteile der Produkte würden im eigenen Haus hergestellt. Damit haben König & Meyer nach Müllers Definition schon die grundlegenden Bedingungen erfüllt, unter denen Future Champions zu metaphorischen Chartstürmern werden können.

Langfristig denken und investieren

Denn nach Meinung des Schweizer Wirtschaftsprofessors mit Stuttgarter Wurzeln ähneln sich die Erfolgsattribute von Weltmarktführern und denen, die es bald werden könnten.  Heilbronn-Franken habe den Vorteil, dass viele Unternehmen seit Generationen bestehen: „Solche Familienunternehmen können langfristig denken und investieren“, sagt Müller. Für ihn Zukunftsmodelle – sowohl in der strategischen Denkweise als auch in der Unternehmenskultur. „Das ist was ganz anderes als eine Firma, die alle zwei Jahre an den nächsten Investor weiterverkauft wird. Da schaut jeder nur noch auf sich“ – statt auf Bindungen zur Region und zu den Mitarbeitern. Genau diese umfassende Weitsicht öffne Wege zu Wachstum und Expansion.

Noch etwas eint die Erfolgreichen nach Müllers Beobachtung: Sie pflegen „Erfindergeist und Innovation“. Das bestätigt Michael Hansen, CEO bei Future Champion Fima: „Um die Weichen für morgen zu stellen, sind Weitsicht und Erfindergeist zentrale Punkte.“ Zudem müsse ein Unternehmen, das an die Weltspitze will, „aufgrund der sich stetig ändernden Einflüsse regelmäßig Prozesse hinterfragen und Anpassungen vornehmen“.

Innovativ, schnell und flexibel

In Zukunft würden innovative Lösungen in Kombination mit Schnelligkeit und Flexibilität eine noch größere Rolle auf dem Weltmarkt spielen und Wettbewerbsvorteile bringen, prognostiziert er.

Diese Flexibilität ist nach Ansicht von Rainer Dietz, als COO bei Fima für das operative Geschäft zuständig, die schwerste Aufgabe: „Die größte Herausforderung für Unternehmen wie FIMA auf dem Weg an die Weltspitze liegt darin, flexibel und schnell auf Änderungen der Rahmenbedingungen zu reagieren und gleichzeitig weiterhin technologisch führend zu sein. Der Kunde muss dabei immer im Fokus stehen“, sagt er. Hansen ergänzt: „Umso wichtiger ist, dass Kernkompetenzen wie etwa innovative Entwicklungen bei Fima am Hauptsitz in Oberfischach auch weiterhin vorangetrieben werden.“

International Fuß zu fassen, und – wie Müller sagt – „dann auch wirklich rauszugehen und in den USA oder Asien Vertriebs- und vielleicht sogar Produktionsniederlassungen aufzubauen, ist ein weiterer großer Schritt“ – der das Unternehmen nicht in den Ruin stürzen darf. Im Erkennen von mutmaßlichen finanziellen Risiken liegt aus seiner Sicht auch der Grund, warum manche Unternehmen in diesem Stadium verkaufen. „Dann haben sie eine gewisse Größe und müssen irgendwann sagen: Wir lassen uns von einem Großkonzern übernehmen, dann ist das Finanzierungsproblem gelöst.“ Die wenigstens Unternehmen, die nach einiger Zeit wieder vom Weltmarktführer- beziehungsweise Future-Champions-Index verschwinden, seien insolvent oder verstaatlicht worden: „Wenn etwa ein amerikanisches Unternehmen die Firma übernimmt, publiziert es keine Zahlen mehr und fällt aus dem Index.“

Doch aus Müllers Sicht steht und fällt alles mit dem unternehmerischen Denken. „Man muss in der Lage sein, eine Firma aufzubauen und zu führen.“ Ein technisch versierter Gründer sei nicht unbedingt selbst Experte darin, Menschen zu führen, Strukturen und Teams aufzubauen und Prozesse zu etablieren. „Das ist eine Fähigkeit, die essenziell für Weltmarktführerschaft ist.“

Future Champions und Weltmarktführer Grafik
Laut Index befinden sich in Heilbronn-Franken 30 Unternehmen, die die Weltmarktführer-Kriterien erfüllen (rote Pins). Die blauen Pins markieren die Standorte der Future Champions. Grafik: HSt Crossmedia

Aus „Hidden Champions“ werden „Future Champions“

Welche Herausforderung der Schritt in die Internationalität sein kann, hat Andreas Kreissl, Geschäftsführender Gesellschafter beim Future Champion CeraCon, schnell bemerkt, als seine Maschinen für hoch spezialisierte Dichtungsprozesse und Wärmebehandlungen dank zufriedener europäischer Kunden in Asien und den USA bekannt wurden. „Wir haben nicht gegründet, um Weltmarktführer zu werden, wir hatten eine andere Intention: Wir hatten Ideen für eine spezielle Nische.“ Der hohe Spezialisierungsgrad, der aus „Hidden Champions“ abseits des Massenmarktes oft zugleich „Future Champions“ macht, sei bei vielen Unternehmen wie seinem Erfolgsgarant.

Fast klingt es, als sei er unabsichtlich ins Rampenlicht geraten. „Uns war klar, dass wir damit in den Weltmarkt gezogen werden können. Das war aber nie einer der Gründungsgedanken. Wir wollten uns am Markt etablieren und uns einen guten Ruf erarbeiten.“ Anfangs machte es seinem Team nach eigener Aussage die größten Schwierigkeiten, international zu denken. „Als Unternehmer in Deutschland kommen Sie sehr schnell bei den Mitarbeitern an Grenzen. Offen zu sein für andere Kulturen, den Chinese Speed in die deutschen Köpfe der gechillten Home-Office-Mentalität hineinzubekommen, war herausfordernd.“

Dienstleistungsmentalität muss man vorleben

„Wenn wir am Weltmarkt sind, müssen wir uns daran gewöhnen, dass Kunden in anderen Zeitzonen leben und auch am Wochenende und nachts Lösungen erwarten“, sagt Kreissl. Diese Dienstleistungsmentalität müsse man vorleben. „Mir ist wichtig, zu zeigen: Die Leute dort bezahlen uns, und wenn wir bestehen wollen, müssen wir uns an gewisse Spielregeln halten.“ Mut zum Risiko – das ist nach Kreissl auf dem Weg zu Platz eins entscheidend: „Wer die Hände in den Schoß legt, hat keine Chance. Es zeichnet alle Future Champions aus, dass sie unternehmerischen Mut gezeigt und sich positioniert haben. Und auch, dass sie alle schon Schritte in die falsche Richtung gegangen sind und Lehrgeld bezahlt haben – das gehört dazu.“ Nicht jeder ist dafür offenbar geschaffen: „Den Arbeitseifer, den wir in den 1970er und -80er Jahren in Deutschland hatten, haben die Chinesen jetzt“, diagnostiziert Kreissl.

Dass Unternehmer Luftsprünge machen wie Rosenthal damals in der Dalli Dalli-Ära, ist zwar unwahrscheinlich. Doch Wirtschaftsprofessor Müller applaudiert: „Alle unsere Weltmarktführer und Future Champions dürfen stolz sein auf das, was sie bisher erreicht haben.“ Jetzt müsse man weiter investieren und erfinden. „Das ist aber jedem bewusst“.           

Natalie Kotowski