Weltweites Vorbild durch E-Mobilität werden

Elektroauto an Ladestation: Der Wandel zu einer klimaneutralen Mobilität erfordert weiterhin hohe Investitionen in Infrastruktur. Foto: Adobe Stock/Petair

Der klimaneutrale und digitale Umbau der deutschen Autoindustrie könnte zu einem Erfolgsbeispiel für andere Nationen werden. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) fordert deshalb, bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Gastbeitrag von Hildegard Müller.

Deutschland hat seit Anfang Dezember eine neue Bundesregierung: eine Koalition, die ein ambitioniertes und anspruchsvolles Programm für die kommenden Jahre vorgelegt hat. Das Koalitionsprogramm stellt einen Wendepunkt dar, der ebenso wichtig wie notwendig ist: Transformation und Wandel werden als Chance verstanden.

Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ des Klimaschutzes. Das ist gut, denn das gemeinsame Ziel, schnellstmöglich klimaneutral zu werden, teilen wir alle. Entscheidend ist jetzt die Umsetzung: Weniger „hätte, sollte, müsste“ – mehr machen, realisieren und anpacken!

Investitionen notwendig

Denn Ziele kann man nur durch Maßnahmen, Instrumente und konkrete Pläne erreichen. Dabei sind Investitionen in Forschung und Infrastruktur, insbesondere in den Ausbau des Ladenetzes für die Elektromobilität, aber auch in alle Facetten der Digitalisierung, dringend notwendig. Und das so schnell und entschlossen wie möglich. Die Transformation der Autoindustrie ist eine Jahrhundertaufgabe – für die Hersteller und Zulieferer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen, letztlich für unsere ganze Gesellschaft. Deshalb treibt die deutsche Automobilindustrie den Wandel hin zu einer klimaneutralen Mobilität mit enormen Investitionen voran. Die Hersteller und Zulieferer investieren von 2022 bis 2026 mehr als 220 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität und die Digitalisierung.

Mit diesen Investitionen und Innovationen will die deutsche Automobilindustrie weiterhin die weltweit
sichersten, effizientesten sowie qualitativ hochwertigsten digitalen und klimaneutralen Fahrzeuge für alle Segmente herstellen.
Neben der Mission Klimaneutralität ist die Digitalisierung eine weitere Jahrhundertaufgabe. Ich freue mich, dass sie ein übergeordnetes Schwerpunktthema der neuen Regierung ist und Investitionen in Forschung und Bildung deutlich erhöht werden. Wir müssen digitale Megatrends erkennen, entwickeln und – wie zum Beispiel das autonome Fahren – als Pioniere zur Anwendung bringen. Dabei gibt es keinen Zweifel: Die Mobilität der Zukunft ist vor allem digital.

Digitale Pioniere

Eine entscheidende Rolle wird künftig das Management der Daten spielen: Wer darf welche Daten, die beim Fahren entstehen, sehen und nutzen? Das muss jetzt geregelt werden. Dazu liegt mit dem sogenannten „ADAXO-Konzept“ des VDA ein zeitgemäßes und zukunftssicheres Modell für den Austausch von fahrzeuggenerierten Daten auf dem Tisch, das Sicherheit und die transparente Nutzung des Datenstroms sehr gut miteinander verbindet.

Das vernetzte Fahren ermöglicht eine intelligentere Verkehrsführung und birgt großes Einsparpotenzial bei Strom bzw. Kraftstoff und damit nicht nur großen Nutzen für Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für das Klima. Auch deswegen muss die Regierung ihr Versprechen, in Digitalfragen weltweiter Vorreiter zu werden, schnellstmöglich umsetzen – zum Beispiel durch den Ausbau einer umfassenden digitalen Infrastruktur.

Es steht außer Frage: Jetzt muss entschlossen und engagiert alles getan werden, um Klimaneutralität schnellstmöglich zu erreichen. Dabei gilt: Nur wenn wir die besten Standortbedingungen der Welt haben, können wir auch die ambitioniertesten Klimaziele der Welt realisieren. Konkret bedeutet das: Steuern, Abgaben und Energiekosten, die wettbewerbsfähig sind, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein massiver Ausbau der Infrastruktur. Dafür müssen jetzt alle die Ärmel hochkrempeln und ihren Beitrag leisten. Wir brauchen eine Klima- und Transformationspolitik, die gleichzeitig Wirtschafts-, Wohlstands- und Jobmotor ist und die – das ist mir besonders wichtig – sozial ausgestaltet ist. Dann kann unsere Transformation ein Vorbild für die ganze Welt werden. Genau das muss unser gemeinsames Ziel sein.

Unsere Leitlinie: Wir wollen nachhaltige individuelle Mobilität für jeden. Das bedeutet unbedingt, dass wir die verschiedenen Lebensrealitäten der Menschen berücksichtigen müssen, jene in Städten ebenso wie jene in ländlichen Räumen. Dafür brauchen wir differenzierte Lösungen, die wir gemeinschaftlich – im Dialog zwischen allen Beteiligten – erarbeiten. Und das bedeutet auch: Wir müssen alte Feindbilder hinter uns lassen und die Debatte mit einer neuen Ehrlichkeit über die anstehenden Veränderungen führen, denn die werden allen eine Umstellung abverlangen. Die Transformation darf die Gesellschaft auf keinen Fall weiter spalten oder Konfliktlinien verstärken. Deswegen sind konstruktiver, offener Dialog und eine soziale Ausgestaltung im gesamten Prozess entscheidend.

Win-Win für alle

Wenn wir – Politik, Industrie und Gesellschaft – diese Ansprüche zu unserem Leitmotiv machen, ist das in mehrfacher Hinsicht eine Win-Win-Situation: Unserem erfolgreichen Transformationsmodell wird dann in anderen Regionen der Welt gefolgt. Das ist nicht nur gut für das Klima, sondern auch für die Arbeitsplätze in Deutschland. Deshalb: Packen wir’s an.

Hildegard Müller

Über die Autorin: Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) mit Sitz in Berlin.