Als Berater von Politik und Wirtschaft spielen Wirtschaftsforschungsinstitute eine wichtige Rolle. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel untersucht die komplexen Verflechtungen des Welthandelssystems.
Als das Königliche Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft am 18. Februar 1914 in Kiel gegründet wurde, florierte der weltweite Handel. Seine Bedeutung für die deutsche Wirtschaft wuchs ständig. Trotzdem kam es wenig später zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges – Analysen zufolge auch wegen fehlgeleiteter Wirtschaftspolitik, die zur Bildung rivalisierender Blöcke geführt hat. Von Anfang an bestand das Ziel des Instituts in der systematischen wissenschaftlichen Forschung zu allen weltwirtschaftlichen Themen.
Dabei stand der Transfer von Erkenntnissen aus der universitären Forschung in die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Praxis im Mittelpunkt. Darum hat der Gründer, Bernhard Harms, sein Institut als ein sogenanntes „An-Institut“ konzipiert – als rechtlich selbständige, aber eng an die Kieler Universität angelehnte Einrichtung, die der wissenschaftlichen Exzellenz verpflichtet ist.
Heute heißt das Institut IfW – Kieler Institut für Weltwirtschaft. Es ist gemeinsam mit den anderen fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstituten Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, eines Verbundes außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, die mit Bund-Länder-Mitteln etwa für die Hälfte des Budgets aufkommt. Die andere Hälfte muss mit Forschungs- und Beratungsprojekten im Wettbewerb eingeworben werden.
Rationaler Ansatz
Die Instituten haben das gemeinsame Ziel, einen rationalen Ansatz in der Wirtschaftspolitik zu fördern. Sie versorgen die Wirtschaft, Politiker und die Öffentlichkeit mit Informationen über die Ergebnisse von Marktprozessen und über die Effekte, die Politik – aktuelle und zukünftige – hat.
Die Situation ist oft unübersichtlich und komplex. Die Aufgabe der Institute ist es, dieses Dickicht durchschaubar zu machen. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Wahrung der Objektivität. Daher müssen alle wirtschaftspolitischen Aussagen so gut wie möglich empirisch – das heißt auf Basis der verfügbaren Daten – begründet sein. Die Qualität der Wirtschaftspolitik ist entscheidend für unseren Wohlstand: etwa für erfolgreiches Unternehmertum, gut bezahlte Jobs sowie gesunde Staatsfinanzen.
Der rationale, oft zahlenbasierte Ansatz der Ökonomen irritiert oft. Denn die meisten Ökonomen vertreten einen verantwortungsethischen Ansatz. Gut ist, was am Ende gute Ergebnisse bringt, sprich dem Wohlergehen der Menschen zuträglich ist. Oft reiben sie sich an gesinnungsethischen Denkmustern, die für gut halten, was einer „guten Gesinnung“ entspricht.
Ein Beispiel aus der Handelspolitik: Viele Menschen verlangen, dass Deutschland nur Handel treiben soll mit Ländern, in denen hinreichend hohe Löhne gezahlt werden. Niedrige Löhne bedeuteten „Ausbeutung“. Wenn wir Billigprodukte importieren, würdem wir uns zu Mittätern machen. Das ist ein gesinnungsethisches Argument. Der verantwortungsethisch denkende Ökonom würde hingegen warnen. Wer Entwicklungsländer zu hohen Löhnen zwingt, zerstört deren Geschäftsmodell, denn die Produktivität ist zu gering, als dass die Unternehmen bei höheren Löhnen wettbewerbsfähig sein könnten: Exporteure würden Pleite gehen, Devisen zur Finanzierung von Importen würden fehlen, der allgemeine Wohlstand und mithin auch die Löhne würden fallen.
Wirkungsketten erklären
Es ist Aufgabe der Wirtschaftsforschungsinstitute, komplexe Wirkungsketten konzeptuell zu durchleuchten, empirisch zu belegen, und sie verständlich zu erklären.
Dabei stehen die Institute miteinander im Wettbewerb um Forschungsmittel, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, und den wirtschaftspolitischen Impact. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft spezialisiert sich auf die Analyse weltwirtschaftlicher Fragestellungen. Im Unterschied zu den anderen Wirtschaftsforschungsinstituten, die in Deutschland beheimatet sind, sind die Adressaten der Kieler Botschaften nicht nur in der Bundesrepublik. Oft befinden sie sich im Ausland, zum Beispiel in Brüssel, Genf oder New York.
Das Institut hat den Anspruch, in den einschlägigen Themen in Deutschland die erste Adresse zu sein, in Europa zu den Top-Drei und weltweit zu den Top-Sieben zu gehören. In manchen engeren Analysefeldern, wie zum Beispiel der ökonometrischen Schätzung von Handelsflussgleichungen, dem sogenannten Gravity-Model, und ihrer Anwendung in der wirtschaftspolitischen Beratung will es Weltmarktführer sein. Damit würde sich das Institut einreihen in die lange Liste erfolgreicher Nischenplayer, für die Deutschland so bekannt ist.
Gabriel Felbermayr
Zur Person
Gabriel Felbermayr ist Wirtschaftswissenschaftler. Er ist seit 2010 Leiter des ifo Zentrums für Außenhandel und wird im März 2019 als Präsident die Leitung des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel übernehmen.