Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort. Diese Liedzeilen von Hannes Wader könnten auch einwandfrei zu Michael Breitschopf passen. Der Musiker hat vergangenes Jahr den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt – und kann nun von seiner Kunst leben.
Er will nicht reich oder berühmt sein, er muss nicht im Rampenlicht stehen oder von Fanpost überhäuft werden. Was er will, ist Musik machen – Musik, die eine Botschaft beinhaltet – und von dieser leben können. Doch er will es nicht einfach nur, er tut auch jede Menge dafür. Jeden Tag. „Es gibt keinen Tag, an dem ich weniger als zehn Stunden meiner Musik widme. Aber das bedeutet nicht nur Üben und Komponieren, sondern auch Buchhaltung und Managementaufgaben“, sagt Michael Breitschopf an einem knackig-heißen Nachmittag Ende Mai in einem Eiscafé sitzend.
Die Leute würden immer denken, es sei so einfach, Künstler zu sein – ein bisschen komponieren, ein wenig texten, hier und da Studioaufnahmen sowie ein paar Auftritte und den Rest der Zeit macht man sich einen faulen Lenz. Doch diese Sichtweise spiegele nicht die Realität wider. „Ich kann zum Beispiel nicht einfach Urlaub machen, wann ich will, arbeite fast immer am Wochenende oder an Feiertagen, habe keine finanzielle Sicherheit und wenig Zeit fürs Privatleben und Hobbys“, rückt Breitschopf das verzerrte Bild vom Musikerleben etwas zurecht. Dennoch lebt der Gitarrist und Sänger seinen Traum. Ein Traum, dessen Verwirklichung erst ein Jahr jung ist.
Von Kindertagen an
Der 21-jährige Breitschopf beginnt im Alter von neun Jahren Gitarre zu spielen. Warum ausgerechnet dieses Instrument, weiß der Niedernhaller selbst nicht genau. Er weiß nur eins: „Von meiner Familie habe ich mitbekommen, dass ich bereits als Kleinkind gesagt hätte, dass ich unbedingt Gitarre spielen will“, erinnert sich der sympathische junge Mann bei einer Tasse Cappuccino. Dennoch habe er zunächst Blockflöte gelernt – so wie eigentlich jeder als Einstieg, um sich das Notenlesen anzueignen. Ein wenig kurios ist eine Sache allerdings schon: Niemand in Breitschopfs Familie spielt irgendein Instrument. Er ist der Einzige.
Als der gebürtige Künzelsauer 14 ist, steht er zum ersten Mal auf der Bühne, zusammen mit anderen Künstlern. Das war damals im Schlosscafé in Langenburg. „Meine Gage waren Wibele im Wert von zehn Euro“, weiß der Musiker noch. Es sei nichts Großes und Aufregendes gewesen. Doch Breitschopf bekommt allemal einen Fuß in die Tür dieses Business und plötzlich jagt ein Konzert das nächste. In Niedernhall, in Heilbronn, er kommt in der gesamten Region herum. Schließlich entsteht über eine Klassenkameradin der Kontakt zu Josip „Gonzo“ Krolo. Das Mädchen ist die Tochter des im Mai verstorbenen Frontmanns der Band Gonzo’n’Friends, eine der bekanntesten Hohenloher Persönlichkeiten. „Ich bin da so reingerutscht“, resümiert Breitschopf und setzt zum Trinken an.
Während des Gesprächs grüßen ihn immer wieder Leute, winken oder kommen sogar an den Tisch und fragen, wie es ihm geht. „Die Frau und der Mann auf den Fahrrädern sind treue Konzertbesucher. Sie sind fast immer da, wenn ich spiele“, klärt er ohne eine Spur von Überheblichkeit auf. Keine Anzeichen von Star-Allüren. Im Gegenteil: Der großgewachsene schlanke Mann mit den kurzen dunklen Haaren ist bescheiden und bodenständig. Man möchte fast sagen: wie der nette Junge von nebenan.
Jeden Moment genießen
Neben Auftritten mit Gonzo’n’Friends spielt der Wahl-Neuensteiner Konzerte mit dem Duo Tirando, das er mit seinem Gitarrenlehrer gründet. Zusammen nehmen sie sogar eine CD auf. „2016 war dann das erste starke Jahr“, erzählt Breitschopf. Da habe er mehr als hundertmal vor Publikum sein Können unter Beweis gestellt. „Mein Wunsch war es irgendwann einmal, jeden Monat auf der Bühne zu stehen, dann jede Woche und nun erlebe ich das fast jeden Tag“, erläutert der Elektroniker für Geräte und Systeme, der seine Ausbildung bei einem Ventilatorenhersteller im Hohenlohekreis absolviert hat. Seine Augen leuchten, als er das sagt. Doch er fügt hinzu, bevor er einen Schluck nimmt: „Ich habe mir nie Illusionen gemacht, das Ganze nie forciert, denn es muss von alleine kommen, Schritt für Schritt.“
Und jeder Schritt, jeder Moment muss genossen werden, findet Breitschopf. „Ich versinke in jedem Konzert.“ Dabei sei er natürlich auch hin und wieder nervös, doch meistens nur vor dem ersten Lied. Richtig aufgeregt sei er allerdings auch schon mal gewesen. Da habe er auf dem Open-Air-Festival Haigern live im Landkreis Heilbronn gastiert und vor rund 8000 Zuhörern solo einen einzigen Song gespielt und gesungen. Und zwar Simon and Garfunkels „Sound of Silence“ – „nur ich, meine Gitarre und meine Stimme“. Zum Glück sei alles glatt gelaufen. Doch genau das sei die größte Herausforderung: nur ein Lied, eine Chance zu haben und es nicht zu vermasseln.
2017 ist schließlich das Jahr der Entscheidung. Breitschopf beendet seine Lehre – und wählt den Weg der Selbstständigkeit. „Ich wollte diese Wahnsinnschance nicht wegwerfen, meine Kontakte nutzen“, schildert er. Nach dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ packte er also seine Solokarriere an – selbstverständlich mit der Unterstützung seiner Familie und seiner Freundin Hannah im Rücken. Zurzeit tüftelt er an einem Album mit etwa zehn Songs aus eigener Feder – handgemachte Musik in deutscher Sprache. Eine Single hat der Fingerpicking-Spezialist bereits im Januar veröffentlicht. „Ich hoffe, dass ich dieses Jahr mit dem Album fertig werde, vielleicht bis Weihnachten, vielleicht aber auch bis Anfang 2019.“
Olga Lechmann