Werte und Zusammenhalt im Unternehmen

Die Basis liegt im gegenseitigen Vertrauen: Gert Müller (links) und Stephan Müller ergänzen sich als Doppelspitze im Familienunternehmen Gemü. Foto: Gemü

Seit 2011 leitet Gert Müller das Technologieunternehmen Gemü gemeinsam mit seinem Cousin Stephan Müller. Ein Gespräch über Werte, Zusammenhalt − und den kurzen Dienstweg.

Gert Müller, wie war es für Sie, als Sie vor zwölf Jahren die Geschäftsführung von Gemü übernommen haben?

Gert Müller: Obwohl ich in das Unternehmen quasi hineingeboren bin, war die Übernahme herausfordernd für mich. Ich kam von außen in ein Netzwerk, in eine funktionierende Firma. Ich musste mich zunächst mit dem operativen System auseinandersetzen und lernen, wie alle Abläufe im Unter- nehmen funktionieren. Anschließend habe ich begonnen, als Geschäftsführer meine eigenen Wege zu gehen, statt lediglich in die Fußstapfen meines Vaters Fritz Müller zu treten. Ich habe mich sehr darauf gefreut, etwas zu bewegen und sicherzustellen, dass wir im Unternehmen gemeinsam vorwärts marschieren.

War von vornherein klar, dass Sie das Unternehmen irgendwann leiten?

Gert Müller: Von Anfang an stand fest, dass die Nachfolge familienintern geregelt wird. Ich hatte Interesse signalisiert und mein Vater kam eines Tages zu mir und fragte mich, ob ich das Unternehmen weiterführen wolle. Ich habe Ja gesagt, und damit war die Nachfolge geklärt.

Stephan Müller, wann kamen Sie ins Spiel?

Stephan Müller: Ich bin bereits seit fast 25 Jahren im Unternehmen tätig, seit 2010 als Geschäftsführer. Für uns im Unternehmen hat sich die Frage der Nachfolge nie wirklich gestellt, es war klar, dass Gert Müller den Betrieb als Familienunternehmen fortführen wird. Ich würde es auch nicht Nachfolge, sondern eher Generationenwechsel nennen. Mit Gert Müller an der Spitze ist für uns eine neue Zeit angebrochen, die wir anders denken und anders gestalten können und wollen. Zu Beginn seiner Amtszeit haben wir uns zusammengesetzt und uns Gedanken über Strategien und Organisationsprozesse gemacht. Für mich war es kein Bruch in der Unternehmensführung, sondern eine konsequente Weiterentwicklung.

Wie haben Sie Aufgaben und Verantwortlichkeiten untereinander aufgeteilt?

Stephan Müller: Wir sehen uns in der Verantwortung für die gesamte Unternehmensgruppe, nicht nur für Gemü Deutschland. Bei mir liegt der Bereich Administration, unter anderem mit den Abteilungen Finance, Human Resources und IT; Gert Müller ist hauptsächlich zuständig für den Bereich Research & Development sowie für zwei große Business Units. Im Wesentlichen arbeiten wir aber zusammen, es gibt keine strikte Trennung der Aufgaben. Vieles geht bei uns auch über den kurzen Dienstweg. Manche Entscheidungen, die Chefsache sind, muss Gert allerdings allein treffen.

Gert Müller: Wir arbeiten kollaborativ zusammen innerhalb unserer Bereiche. Es ist ein fluider Übergang – bei uns gibt es kein Kästchendenken. Auf diese Weise können wir schnell und flexibel Entscheidungen treffen und bei Bedarf sehr schnell reagieren. Das ist ein großer Vorteil.

Und wie ergänzen Sie sich persönlich auf der Führungsebene?

Gert Müller: Ich würde es so beschreiben: Wir sind so unterschiedlich, dass wir gut zusammenpassen – wie Yin und Yang. Wir unterstützen uns gegenseitig und bringen unterschiedliche Meinungen und Perspektiven ein.

Stephan Müller: Das kann ich bestätigen. Es ist gut, wenn man nicht immer im Gleichklang unterwegs ist, sondern sich ständig untereinander austauscht.

Gert Müller: Wir sind zwar teilweise anderer Meinung, aber unsere Basis ist gegenseitiges Vertrauen. Ich neige oft dazu, Entscheidungen aus der emotionalen Perspektive zu treffen. Oder manchmal weiß ich zwar, in welche Richtung es gehen soll, aber nicht, wie der Weg konkret aussehen kann. In solchen Fällen unterstützt mich Stephan, indem er meine Ansichten entweder untermauert oder mir mögliche Defizite aufzeigt. In einem Familienbetrieb wird miteinander gelebt, gelitten, gestritten und gearbeitet. Es gibt zwar Dynamik und Spannungen, trotzdem ist und bleibt der Zusammenhalt stark.

Sie verbringen beruflich sehr viel Zeit miteinander. Wie wirkt sich das auf Ihr Privatleben aus: Können Sie das Geschäftliche auch mal ausklammern?

Gert Müller: Wir trennen nicht zwischen Arbeit und Privatleben, das war für uns schon immer eins. Oft fällt das Thema im Gespräch ganz automatisch auf das Geschäftliche, ohne dass es sich vermeiden ließe – so war es auch bei meiner Geburtstagsfeier.

Stephan Müller: Unser Fokus liegt darauf, dass wir beim Geschäftlichen gut funktionieren, was ja den Großteil des Tages ausmacht. Insgesamt verbringen wir vor allem unter der Woche mehr Zeit miteinander als zu Hause.

Sie sind ein starkes Team. Haben externe Berater bei Ihnen eine Chance?

Gert Müller: Wir suchen definitiv den Input von externer Seite. Gerade in dynamischen Zeiten nutzen wir dieses Knowhow von außen, sei es zu neuen Technologien oder anderen relevanten Themen.

Stephan Müller: Den Weg, den wir gehen wollen, legen aber wir Geschäftsführer fest. Das externe Knowhow benötigen wir eher in Bezug auf Fachthemen. Der Blick von außen kann sinnvoll und hilfreich sein, da bedienen wir uns aller Mittel, die unterstützen können.

Unternehmenswerte sind bei Gemü seit jeher ein wichtiges Thema. Haben Sie diese angepasst?

Stephan Müller: An den grundlegen- den Werten, die unserer DNA entsprechen, hat sich nichts geändert. Diese Werte hat die erste Generation bereits gelebt, wir leben sie und auch die kommenden Generationen sollen sie leben. Es gibt aber durchaus Raum für Anpassungen – je nachdem, was aktuell wichtig ist. Nehmen wir als Beispiel Nachhaltigkeit: Das Thema war schon immer wichtig für unsere Produkte und Prozesse, spielt heutzutage aber im Hinblick auf den Klimawandel eine größere Rolle und hat daher auch einen höheren Stellenwert im Unternehmen.

Gert Müller: Die Gründer haben bereits das Fundament für die Unternehmenskultur gelegt. Mein Vater hat immer gesagt: Um erfolgreich zu sein, muss man zusammenhalten und gemeinsam an einem Strang ziehen. Dazu gehören Kernwerte wie Respekt, Freundschaft und Unterstützung. Diese Werte leben wir als Geschäftsführer auch vor.

Steht die nächste Generation schon in den Startlöchern?

Gert Müller: Zunächst muss man der nachfolgenden Generation die Bedeutung eines Familienunternehmen vermitteln und welche Verantwortlichkeiten man dabei übernimmt. Das funktioniert oft automatisch. Häufig äußert die Generation auch von sich aus, dass sie an einer Nachfolge interessiert ist. Meine Kinder sind noch in der Findungsphase. Ich kann zwar vorbereiten, dass sie das Unternehmen einmal übernehmen, aber dazu zwingen kann und will ich sie nicht – man muss seinen Kindern die Freiheit lassen, ihren eigenen Weg einzuschlagen.

Stephan Müller: Der Generationenwechsel findet nicht nur auf Eigentümerseite statt, sondern auf allen Ebenen im Unternehmen. Wir haben mittlerweile mehr als 2500 Mitarbeiter, da kennt man nicht mehr jeden persönlich, wie es vor 30 Jahren der Fall war. Wir sind gefordert, durch eine gute Personalentwicklung dafür zu sorgen, dass auf allen Ebenen im Unternehmen Menschen arbeiten, die mit uns zusammen das Unternehmen weiterentwickeln. Programme für Nachwuchskräfte spielen hier eine wichtige Rolle.

Interview: Hannah Henrici

Zu den Personen

Gert Müller ist der Sohn von Fritz Müller, der 1964 das Technologieunternehmen Gebrüder Müller Apparatebau GmbH & Co. KG, kurz Gemü, mit Sitz in Ingelfingen gegründet hat. Seit 2011 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Gemü-Gruppe und leitet das Familienunternehmen damit in zweiter Generation. Sein Cousin Stephan Müller ist seit 2010 Geschäftsführer der Gemü-Gruppe.