Wie der Vater, so der Sohn

Jede Tochter und jeder Sohn liebt ihren oder seinen Vater. Doch mit diesem zusammenzuarbeiten, kann sich vermutlich längst nicht jeder vorstellen. Da ist doch dicke Luft programmiert. Oder etwa nicht? Bernd und Pascal Spazierer sind das perfekte Gegenbeispiel.

Auf den ersten Blick sieht man die Ähnlichkeit nicht unbedingt. Aber wenn man Bernd und Pascal Spazierer länger beobachtet, auf ihre Mimik und Gestik achtet, dann wird einem klar, dass die beiden Männer irgendwie verwandt sein müssen. Streckt der eine seine Arme über den Kopf und verschränkt sie dahinter, tut ihm der andere das fast parallel nach – ohne es selbst zu registrieren. Es ist mehr ein Automatismus. Verwunderlich ist das freilich nicht, handelt es sich doch schließlich um Vater und Sohn. Doch es gibt natürlich solche und solche: Während sich die einen spinnefeind sind, verstehen sich andere wie beste Freunde – und manche können sogar miteinander arbeiten.

So auch Bernd Spazierer und sein Sohn Pascal. Sie sind als Schreiner tätig und gehen ihrem Job seit 2009 tagein, tagaus Seite an Seite nach. Dem Vater gehört der Betrieb, den er auch selbst gegründet hat, und dem Sohnemann soll er mal eines Tages gehören – in naher Zukunft. Doch von vorne.

Die BMS Bau- und Möbelschreinerei Bernd Spazierer besteht seit 1997 in der Gemeinde Weißbach im Hohenlohekreis. Vorher ist der Gründer allerdings 13 Jahre lang als Schreinermeister angestellt, bis er „die Schnauze voll“ hat und den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Er fängt mit nur einem Mitarbeiter und einer Fläche von 150 Quadratmetern an, steigert sich erst auf 250, dann auf 600, bis er bei 900 Quadratmetern gezwungen ist, einen Schlussstrich zu ziehen, da Erweitern aufgrund angrenzender Nachbargebäude nicht mehr möglich ist. Heute hat die Schreinerei neun Mitarbeiter und kann sich vor Aufträgen kaum retten. „Wir haben zurzeit acht bis zwölf Wochen Vorlauf“, erzählt Spazierer. Da müsse er durchaus hin und wieder Kunden absagen, auch wenn ihm das leid tut. Diese bestehen zu 70 Prozent aus Firmen und zu 30 aus Privatpersonen.

Unter den Unternehmen sind namhafte Weltmarktführer aus der Region dabei, aber auch welche aus Ravensburg oder Zell an der Mosel. Für diese stellt BMS meist Möbel für Büros und Konferenzräume her. Bei den Privatkunden sind es dann eher Küchen oder Badezimmermöbel sowie Böden und Trennwände beispielsweise.

Und wie kommt nun Pascal Spazierer ins Spiel? „Ich bin nach meiner Ausbildung bei Hornschuch als Fachkraft für Lagerwirtschaft aufgrund der Wirtschaftskrise leider nicht übernommen worden“, erzählt der 28-Jährige ganz offen. „Und dann war eben die Frage, wie es für mich beruflich weitergehen soll. Glücklicherweise hat mein Vater einen eigenen Betrieb und so lag es nahe, dass ich dort einsteige“, sagt er. „Und mir war es wichtig, Pascal nicht als Hiwi einzustellen, sondern als Auszubildenden.

Aufgeblüht im Job

Er sollte ganz normal wie jeder andere – und zu den gleichen Bedingungen – eine Lehre zum Schreiner machen“, ergänzt Bernd Spazierer. Rückblickend betrachtet muss Pascal einräumen, dass es zu Beginn eine große Umstellung war, plötzlich zehn bis zwölf Stunden statt nur acht am Tag zu arbeiten und ständig auf den Beinen zu sein. „Da hat mir ganz schön die Sohle gebrannt“, erinnert er sich lachend. Doch je länger er da war, desto mehr wurde ihm klar, wofür er das tat, was er tat – nämlich für sich selbst und seine Zukunft. Seine Entscheidung bereut der Stachenhausener bis heute nicht. „Pascal hat sich um 180 Grad gewandelt, ist richtig aufgeblüht in dem Job“, lobt Spazierer seinen Sohn.

Heute ist es so, als wäre der Sprössling schon immer Teil der Firma gewesen. Es sind ja auch schon fast zehn Jahre vergangen, seit der gebürtige Künzelsauer bei BMS angefangen hat. Die Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn ist dabei stets harmonisch gewesen – bestätigen beide. „Es könnte nicht besser laufen“, fasst Pascal zusammen. „Und Knatsch gibt es in jedem Familienunternehmen.“ So natürlich auch zwischen ihm und seinem Papa. „Es ist wie bei einem Ehepaar“, vergleicht Bernd Spazierer. „Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten und dann redet man halt eine halbe Stunde nichts miteinander“, ergänzt der Niedernhaller, der noch einen weiteren Sohn hat. Aber man müsse auch über seinen Schatten springen und sich entschuldigen können, findet er. „Und wenn Pascal einen Fehler macht, dann gibt es eben auf den Deckel“, sagt Spazierer augenzwinkernd. Denn schließlich habe er an ihn höhere Ansprüche als an seine anderen Mitarbeiter.

In sieben Jahren – das wäre zumindest der Idealfall – möchte sich der Senior aus der Geschäftsführung zurückziehen und dem Junior das Steuer überlassen. Dieser ist selbstverständlich absolut einverstanden damit. Warum eigentlich in sieben Jahren? „Weil dann alles abbezahlt ist und mein Sohn einen schuldenfreien Betrieb übergeben bekommt“, entgegnet der 54-Jährige. Die Schulden, die er gemacht habe, möchte er auch selbst tilgen.

Olga Lechmann