„Wie eine große Familie“

Befasst man sich näher mit Eigentümern von Unternehmen aus der Region, trifft man in einigen Fällen auf den Namen Würth. Denn die Konzerngruppe ist längst nicht mehr „nur“ im Schraubengeschäft tätig. Warum das so ist, darüber spricht Robert Friedmann im Interview.

Herr Friedmann, der Ursprung der Würth-Gruppe liegt im kleinen Zwei-Mann-Unternehmen. Heute umfasst die Konzerngruppe über 400 Gesellschaften in mehr als 80 Ländern. Wie sind dieser Erfolg und dieses gigantische Wachstum zu erklären?

Friedmann: Das lässt sich auf drei Aspekte zurückführen. Erstens sind wir in einem Markt tätig, der wahnsinnig groß ist. Unser Marktanteil in Deutschland liegt aber nur bei unter sieben Prozent. Auch weltweit ist der Anteil sehr gering. Das heißt, es sind stets Umsatz- und Wachstumspotenziale vorhanden. Zweitens ist das Unternehmen seit seinen Anfängen stark geprägt von der Vertriebsorientierung, die von Reinhold Würth bis heute vorgelebt wird. Er macht den Mitarbeitern bis heute klar, dass wir eigentlich bei unseren Kunden angestellt sind – und nicht bei Würth. Drittens stellt sich die Frage nach der Marke. Würth ist eine Herstellermarke. Das bedeutet, wir produzieren eine Vielzahl unserer Produkte selbst oder lassen sie genau nach unseren Spezifikationen herstellen. Das schätzt der Kunde. Die Summe dieser Punkte macht den Gesamterfolg erklärbar.

Das Kerngeschäft ist nach wie vor der Handel mit Montage- und Befestigungsmaterial. Dennoch beteiligt sich die Unternehmensgruppe auch in anderen Branchen. Warum?

Friedmann: Ursprünglich hatten alle Aktivitäten Bezug zum Kerngeschäft. Heute sind unsere Beteiligungen diversifiziert nach Branchen und Segmenten. Aber alle Unternehmen der Würth-Gruppe sind ausschließlich im B2B-Bereich tätig und haben Geschäftsmodelle, die sich multiplizieren und internationalisieren lassen. Die genannten Punkte des Erfolgs, quasi die Würth-DNA, lassen sich auch auf andere Branchen übertragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Würth Elektronik Eisos aus Waldenburg, die es seit der Gründung im Jahr 2000 von Null auf heute über 160 Millionen Euro Umsatz gebracht hat – und das in weniger als 20 Jahren. Die Eisos handelt mit passiven elektronischen Bauteilen. Das hat in erster Linie nichts mit unserem Kerngeschäft zu tun. Letztlich passt das Unternehmen doch wieder in unsere Familie, da es im B2B-Segment agiert, eine starke Marke ist und der Service dort großgeschrieben wird.

Für welche Werte steht die Würth-Gruppe?

Friedmann: Für solche, die im Unternehmeralltag wichtig sind: Transparenz, Mitarbeiter- und Erfolgsorientierung, Dynamik sowie Gradlinigkeit.

Wann ist man Teil des Würth-Konzerns? Bereits dann, wenn man „nur“ aufgekauft wurde?

Friedmann: Rechtlich gesehen, ja. Aber uns kommt es darauf an, dass das Unternehmen der Würth-DNA entspricht und es die Konzernwerte mitträgt. Wir erwarten eine wirtschaftliche Entwicklung, bei der sich auch die Mitarbeiter wohlfühlen. Wenn das gelingt, gehört das Unternehmen wirklich dazu. Das hängt natürlich vom Management ab. Die Wertevermittlung beginnt genau dort. Über die Führungskräfte und die internen Medien geben wir die Themen an die Mitarbeiter weiter. Unser Ziel ist es, dass die bisherige Unternehmensführung möglichst an Bord bleibt und die Betriebe eigenständig sind. Zuvor stellen wir uns die Fragen: Was können wir besser als der bisherige Eigentümer und warum sind wir der geeignetste Eigentümer?

Wie strecken Sie Ihre Fühler nach geeigneten Unternehmen aus?

Friedmann: Wir bekommen viele Angebote und Anfragen von Eigentümern, die ihre Firma verkaufen wollen. Oftmals sind es Betriebe, denen es an Know-how im Vertrieb fehlt. Natürlich besitzen wir auch eine Liste mit potenziellen Beteiligungen zur Ergänzung unserer Aktivitäten.

Sind also weitere Übernahmen geplant?

Friedmann: Ja, gerade im Bereich der Elektronik, egal ob es um die Eisos, den Geschäftsbereich Leiterplatte oder auch den Geschäftsbereich ICS in Waldzimmern geht. Hier können wir uns grundsätzlich Zukäufe vorstellen. Die Elektronik hat eine hervorragende Zukunft. Aber auch im Elektrogroßhandel haben wir in der Vergangenheit viel akquiriert. Heute sind wir der zweitgrößte deutsche Elektrogroßhändler und wollen weiter organisch und durch Zukäufe wachsen. Jüngst haben wir in Italien und Osteuropa akquiriert und können uns auch weitere Übernahmen sehr gut vorstellen.

Haben Sie selbst alle Tochterfirmen im Kopf?

Friedmann: Ich glaube schon, dass meine drei Kollegen aus der Konzernführung und ich alle Beteiligungen kennen (lacht). Ich bin jetzt 26 Jahre im Betrieb. Es ist wie eine große Familie: Irgendwann kennt man alle Mitglieder.

Wo soll es in Zukunft noch hingehen?

Friedmann: Würth war immer schon von Visionen getrieben. Wir hatten die Vision „2020 20“ – also im Jahr 2020 einen Umsatz von 20 Milliarden Euro zu erzielen. Von dieser Vision müssen wir aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Situation der vergangenen Jahre Abstand nehmen. Das geplante Ziel werden wir voraussichtlich 2023 erreichen. Das zeigt aber, dass auch Würth nicht vor politischen und wirtschaftlichen Einflüssen geschützt ist. Dennoch wird die Unternehmensgruppe weiter wachsen, eben weil ein großes Marktpotenzial vorhanden ist.

Interview: Alexander Liedtke

Zur Person
Robert Friedmann (50) ist seit 1992 für die Firma Würth tätig und seit 2005 Sprecher der Konzernführung. Friedmann studierte in Pforzheim Betriebswirtschaftslehre und absolvierte einen Master of Business Administration (MBA) an der Indiana University in den USA.