Tausende Unternehmen scheitern daran, bei Trigema wird die Nachfolgeregelung offen diskutiert. Unternehmenschef Wolfgang Grupp sagt: Es kann nur eine(n) geben. Ein Gespräch über Chancen, Werte – und warum im Familienunternehmen alle am selben Strang ziehen.
Eine Frage an die potenziellen Nachfolger: Ist Ihnen mulmig zumute, wenn Sie daran denken, irgendwann Trigema zu leiten?
Bonita Grupp: Ich habe sehr großen Respekt vor dieser Aufgabe. Wie sich alles entwickelt, gerade auch in Pandemiezeiten, ist ja nicht wirklich vorhersehbar. Es handelt sich also um eine große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Aber wenn wir die Chance bekommen, werden wir sie auch ergreifen.
Wolfgang Grupp junior: Sehe ich genauso. Ich glaube, viele würden davon träumen, so eine Chance zu bekommen, in ein eigenes Unternehmen einzusteigen und es dann weiterführen zu dürfen.
Herr Grupp, geben Sie bereits stückweise Verantwortung ab?
Wolfgang Grupp: Bei mir kann jeder leitende Angestellte schon immer alles entscheiden, wenn er dafür auch die Verantwortung übernimmt. Wir agieren immer in einem Team und deshalb ist das bei meinen Kindern nicht anders. Die beiden sind schon seit Jahren im Unternehmen und sie können grundsätzlich alles entscheiden. Ich bin froh über alles, was sie mir abnehmen. Sie müssen für ihre Entscheidungen aber auch die Verantwortung übernehmen.
Sie halten sich bedeckt darüber, wer Sie als Unternehmenschef letztlich beerbt, auch wenn die Presse regelmäßig spekuliert. Wie groß ist das Thema für Sie?
Wolfgang Grupp: Die Nachfolge in Familienunternehmen wird in der Öffentlichkeit sehr gehypt. Aber je mehr das aufgebauscht wird, desto komplizierter wird es. Bei uns ist die Nachfolge eine Normalität. Die Kinder nehmen Arbeit ab, entscheiden, übernehmen Verantwortung, und wenn es eine Rückfrage gibt, besprechen wir das gemeinsam.
Besprechen Sie das dann auch mal am Küchentisch oder wird Berufliches und Privates strikt getrennt?
Wolfgang Grupp: Wir trennen überhaupt nichts. Es ist doch logisch, dass man den anderen mitteilen will, wenn etwas Interessantes im Geschäft passiert ist. Dann erzählt man das auch beim Mittag- oder Abendessen, so wie man auch private Dinge erzählt, die man erlebt hat.
Sie propagieren immer wieder das Thema Verantwortung, auch beim Kongress der Weltmarktführer sprechen Sie darüber. Zum Beispiel gibt es bei Trigema die viel zitierte Arbeitsplatzgarantie. Wird es die auch nach dem Rückzug von Wolfgang Grupp geben?
Wolfgang Grupp junior: Wir teilen diese Werte zu 100 Prozent. Einige Mitarbeiter halten uns seit 40, sogar bis zu 50 Jahren die Treue. Das ist unsere große Betriebsfamilie, mit der wir gemeinsam in die Zukunft blicken wollen. Wir waren schon als Kinder immer im Unternehmen und sind mit den Menschen aufgewachsen.
Wolfgang Grupp: Mir ist das auch sehr wichtig, aber ich kann die Zukunft nicht vorhersehen. Das müssen dann die Kinder entscheiden. Die Garantie der Arbeitsplätze ist eine große Hypothek, aber es ist die Basis, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können. Die Mitarbeiter müssen stolz auf die Firma sein. Dann sind sie auch bereit, Leistung zu bringen.
Hat Corona dieser Firmenpolitik keinen Strich durch die Rechnung gemacht?
Wolfgang Grupp: Unsere stationären Geschäfte verzeichnen 2021 zwar ein kleines Minus, weil sie ja gut sechs Monate geschlossen waren. Aber dafür haben wir beim Onlinehandel zugelegt. Unser Onlineshop macht 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus, vor der Pandemie waren es etwa 20 Prozent.
Bonita Grupp: Wir haben uns schon früh mit E-Commerce beschäftigt und hatten daher ein solides Fundament. Jetzt haben wir einen guten Mix. Den stationären Handel wollen wir nicht weiter ausbauen, aber unsere 42 Geschäfte halten. Gleichzeitig setzen wir auf unseren Onlineshop, der großes Potenzial hat. Wir wollen unsere Kunden bestmöglich abholen und liefern, was sie von uns erwarten: Qualität made in Germany.
Wolfgang Grupp: Made in Germany heißt für uns, dass wir innovativ wachsen und nicht quantitativ. Wir punkten mit Qualität und Ideen.
Was bedeutet innovativ konkret für Sie?
Wolfgang Grupp: Nachhaltigkeit ist innovativ, wie unsere Kleidung aus 100 Prozent Biobaumwolle nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Auch ein Qualitätsprodukt, das nicht Bio ist, aber nicht einläuft und zehn Jahre haltbar ist, ist zum Beispiel nachhaltig.
Wolfgang Grupp junior: Bei uns ist Nachhaltigkeit in der DNA des Unternehmens. Wenn wir weniger Wasser benutzen und weniger Energie verbrauchen können, dann machen wir das. Und das nicht nur, weil wir Schwaben sind. Wir wollen einfach effizient sein.
Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe für diese Produkte? Mussten Sie wegen des Lieferkettengesetzes umdisponieren?
Wolfgang Grupp: Wegen uns muss man das Lieferkettengesetz sicher nicht machen. Die Baumwolle, die wir verwenden, kommt zum Beispiel aus Griechenland. Dort gibt es ein griechisches Familienunternehmen, das eigene Baumwollfelder hat. Biobaumwolle kommt auch aus der Türkei und konventionelle Baumwolle aus Übersee von deutschen Spinnern. Billigbaumwolle haben wir nicht.
Wolfgang Grupp junior: Es ist schade, dass man ein Lieferkettengesetz braucht, aber wir finden es absolut richtig. So kann alles etwas besser überprüft werden.
Aber Sie haben noch genügend Rohstoffe für die Produktion? Alle klagen ja über Lieferengpässe.
Wolfgang Grupp: Auch wir spüren, dass gewisse Produkte längere Lieferzeiten haben, aber dank unseres großen Lagers sind wir davon nicht stark tangiert und können liefern. Wir haben schon immer große Vorräte an Garn auf Lager gehabt und tonnenweise Rohware, um auch kurzfristig liefern zu können.
Schwenk in die Zukunft: Wie wird das Jahr 2022 für Sie?
Wolfgang Grupp: Ich bin kein Hellseher. Aber in den 52 Jahren meiner unternehmerischen Tätigkeit war meine erste Aufgabe immer, Probleme, die klein auf mich zukommen, sofort zu lösen, damit sie nicht groß werden. Auf diese Weise werden wir auch das kommende Jahr bewältigen, indem wir Probleme sofort lösen. Bisher haben wir das immer geschafft. Das wird auch künftig so sein, wenn wir vernünftig bleiben und nicht größenwahnsinnig werden.
Welchen Einfluss hat die Politik oder die neue Regierung darauf?
Wolfgang Grupp junior: Ich halte die Koalition für ein schönes Bündnis. Das Thema Nachhaltigkeit bekommt durch die Grünen, zusammen mit der SPD, einen neuen Stellenwert. Die FDP sorgt dafür, dass die Wirtschaft gestützt wird. Deswegen sehe ich Potenzial in dieser Regierung und wie es bis jetzt aussieht, könnte sie ein Erfolgsmodell werden.
Am Ende könnten Sie das Geheimnis eigentlich noch lüften: Wer wird Sie beerben?
Wolfgang Grupp: Das ist noch nicht entschieden. Ich muss erst wissen, wo die Wege der Kinder hinführen. Falls ich das nicht mehr erlebe, ist meine Frau Elisabeth Alleinerbin. Dann entscheidet sie. Beide Kinder wissen seit langem, dass nur eines die Firma bekommt, das andere bekommt eben was anderes. Heute gehört das Unternehmen mir, aber wir alle nehmen Trigema als Familienunternehmen wahr. So ähnlich wird es auch später sein. Dann gehört einem Kind die Firma, es muss die Entscheidungen treffen und verantworten. Aber alle sind trotzdem eine Einheit, wenn es um das Unternehmen geht.
Interview: Dirk Täuber