„Wir sind auf Kooperationen angewiesen“

Ein viel diskutiertes Thema im Hohenlohekreis war und ist die seit 2016 separate Abholung des Bioabfalls sowie die Erhöhung der Müllgebühren. Das haben wir zum Anlass genommen, mit den Verantwortlichen der Abfallwirtschaft zu sprechen.

Frau Fritsch, Herr Damm, es dürften zwei turbulente Jahre hinter Ihnen liegen: Unter anderem die Einführung der Bioenergietonne und die Erhöhung der Müllgebühren haben für viel Arbeit und Aufregung bei den Bürgern gesorgt. Hat sich die Lage mittlerweile wieder beruhigt?

Damm: Der Normalzustand ist wieder erreicht, alles läuft stabil. Wir haben in der Tat einige Systemumstellungen und eine Gebührenanpassung umgesetzt. Das war eine große logistische Aufgabe. Es wurden alleine Ende 2015 mit der Einführung der Bioenergietonne 70.000 Behälter im Landkreis getauscht.

Fritsch: Sobald eine Neuerung ansteht, ist die Anzahl der Fragen natürlich hoch. Dann muss man gewappnet sein. Dafür haben wir entsprechend die Mitarbeiterzahl hochgefahren. Die Einführung der Bioenergietonne und die Gebührenanpassung waren ein enormer Aufwand. Da kam dann eine Flut an Anfragen. Aber wir sind begeistert, wie der Bürger die Neuerungen aufgenommen hat.

Damm: Die aufgrund der Gebührenanpassung anfänglich befürchtete Welle der Empörung ist insgesamt ausgeblieben. Als 2017 die Anpassung kam, hatten wir 3000 Anrufe innerhalb von zwei Wochen – aber eben auch, weil der Gebührenbescheid umgestellt wurde und die Leute dazu Fragen hatten. Natürlich gab es auch Beschwerden gegen die Mehrkosten, aber die haben wir alle abarbeiten können. Wir haben uns die Zeit genommen und jedem Anrufer erklärt, warum es notwendig ist. Letztlich haben wir keinen einzigen formalen Widerspruch gegen die Anpassung erhalten.

2017 und 2018 sind die Gebühren gestiegen. Auch mit einer Anpassung in 2019 ist zu rechnen. Warum gehen die Kosten so in die Höhe?

Damm: Gebühren müssen immer die tatsächlichen Kosten widerspiegeln. Wir arbeiten vorausschauend mit einer Prognose, welche Kosten wir in einem Jahr haben. Diese ist Grundlage für die Gebühren. Haben wir zu wenig Geld eingenommen, müssen wir nachkalkulieren, was die letzten Jahre passiert ist. 2017 haben wir damit begonnen, stufenweise die Gebühr an die tatsächlichen Kosten anzupassen. Das hat der Kreistag so vorgegeben, weil wir zu diesem Zeitpunkt fast drei Millionen Euro Defizit hatten. Daher die Anpassung von 20 Prozent. Natürlich sorgte das erst einmal für Aufregung. Aber in absoluten Zahlen bedeutete es gerade einmal zehn bis zwölf Euro mehr pro Haushalt im Jahr. 2018 haben wir dann noch einmal um vier Prozent erhöhen müssen. Dennoch befinden sich unsere Gebühren immer noch im landesweiten Mittelfeld.

Ist auf Dauer wieder mit einer Senkung zu rechnen?

Damm: Wahrscheinlich können wir die Altverluste bis 2021 ausgleichen. Dann müssen wir schauen, wie sich das Kostenniveau bis dahin entwickelt hat. Wir haben jetzt schon damit begonnen, einen jährlichen Gebührencheck durchzuführen. So halten wir die Kosten im Blick und können beispielsweise auf Preissteigerungen reagieren.

Neu in Ihrem Tonnensortiment ist die Bioenergietonne „BETty“. Wie fällt Ihr Fazit nach deren Einführung aus?

Damm: Wir gelten mit unserem Vorgehen als Paradebeispiel für das Einführen einer Bioenergietonne. Es hat sehr viel Arbeit und Mühe gekostet, aber es hat auch sehr gut geklappt. Natürlich dürfen wir uns auf dem Erfolg von 90 Kilogramm Bioabfall pro Einwohner aus dem Stand heraus nicht ausruhen. Das Thema geht immer weiter.

Warum wurde die „BETty“ überhaupt erst 2016 eingeführt? In anderen Landkreisen gibt es sie ja schon lange.

Damm: Abfall wird heute mehr und mehr als Ressource angesehen, die in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden soll. Zudem schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz eine verpflichtende Getrenntsammlung von Bioabfällen seit 2015 vor. Wir haben die gesetzliche Pflicht ab 2016 erfüllt.

Fritsch: Wir sind ein ländlicher Landkreis, deshalb kam die Entscheidung im Kreistag auch nicht vorher. Allerdings war die Umstellung gewollt, viele haben darauf gewartet. Es war der richtige Zeitpunkt.

Die Qualität des Abfalls lässt jedoch zu wünschen übrig. Falsch enthaltene Stoffe wie Plastik sind das große Problem. Wie wollen Sie den Bioabfall auf Dauer sortenreiner bekommen?

Damm: Wir fahren eine Qualitätsoffensive: Das heißt, wir sind mit Abfallberatern unterwegs und schauen in die Tonnen rein, arbeiten also die Systemumstellung nach. Wir setzen eben ganz auf die Kommunikation und wollen an die Bürger appellieren. Andere Landkreise scannen die Mülltonnen und lassen bei schlechter Sortierung die Tonne stehen. Das wollen wir nicht.

Die „BETty“ hält nicht die Versprechung, mit der sie eingeführt wurde – nämlich den Inhalt in Strom und Wärme umzuwandeln. Warum?

Damm: Es war das politische Ziel und das ist es auch weiterhin. Man spricht hier von der Kaskadennutzung – also den Bioabfall energetisch und stofflich zu verwerten, sodass man das Maximale aus der Ressource Bioabfall herausholt. Dabei stellt sich aber die Frage: Wer macht das und wo wird das gemacht? Wir haben mit anderen Landkreisen der Region Heilbronn-Franken eine Studie beauftragt. Die kam zu dem Ergebnis, dass es bestehende Strukturen für die energetische Verwertung gibt, also auch private Anbieter. Aktuell eruieren wir, ob es nicht sinnvoller ist, auf bestehende Strukturen zu setzen und diese gemeinsam weiterzuentwickeln. Die Entscheidung hängt jetzt davon ab, wie es auf dem Markt weitergeht. Es handelt sich hierbei um Millionenbeträge, da muss alles passen. Wir im Hohenlohekreis sind der Meinung, dass es besser ist, ohne Eile und mit Bedacht vorzugehen. Also, politisches Ziel: Ja. Ein Versprechen, dass es schnell geht: Nein.

Wann soll das Versprechen der Vergärung des Bioabfalls also eingelöst werden?

Damm: In den nächsten drei bis fünf Jahren werden wir eine strategische Entscheidung treffen müssen. Es hängt davon ab, wie sich der Markt entwickelt und wie die Lösungskonzepte aussehen. Alleine als Hohenlohekreis wird es schwierig, das aufzuziehen. Wir sind also auf Kooperationen, möglicherweise auch mit anderen Landkreisen, angewiesen.

Was passiert denn aktuell mit dem Bioabfall?

Damm: Der wird in einem Kompostwerk hier im Landkreis verarbeitet. Zuerst findet eine Kontrolle statt, dann wird je nach Sortierung möglicherweise nachbehandelt. Darauf folgt die klassische Kompostierung, durch mikrobiologische Prozesse. Letztendlich wird Komposterde daraus, also ein hochwertiges Dünge- und Pflanzprodukt. Das kann man dann im Baumarkt kaufen oder es wird in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau eingesetzt.

Nach zuvor freier Anlieferung von Sperrmüll, Bauschutt und Altholz auf den Wertstoffhöfen des Landkreises ist diese seit 2018 nur noch auf vier Schwerpunkthöfen sowie gegen Abgabe einer Wertmarke möglich. Was hat Sie zu dieser Neuerung bewegt?

Damm: Hier hatten wir eine Besonderheit: Wir waren einer der wenigen Landkreise, die solches Material noch kostenlos angenommen haben. Im Grunde hat sich nichts geändert, außer, dass wir die Anlieferung jetzt kontrollieren. Wir hatten immer schon die Freimengen. Allerdings trat das Phänomen auf, dass etwa an den Kreisgrenzen Bauschutt aus anderen Landkreisen auf unseren Wertstoffhöfen abgegeben wurde. Deshalb hatten wir eine Mengen- und Kostenexplosion. Das war zum Teil nichts anderes als Ausnutzung. Deshalb haben wir dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben und ein System mit Servicekarten eingeführt, mit welchen man nachweisen kann, dass man im Hohenlohekreis Gebühren bezahlt und die Freimengen daher nutzen darf.

Wie sieht Ihre allgemeine Prognose für die Abfallwirtschaft des Hohenlohekreises für die kommenden Jahre aus?

Damm: Wir wollen uns in der Sammelqualität verbessern, intensiver mit den Bürgern kommunizieren, einen Abbau der Altverluste mit dem Ziel stabiler und moderater Müllgebühren erreichen sowie den Service weiter ausbauen. Inhaltlich soll die Entwicklung von der Abfall- zur Ressourcenwirtschaft erfolgen, indem wir weiter an Konzepten arbeiten, wie man Abfälle in die Wirtschaftskreisläufe zurückführen kann.

Interview: Alexander Liedtke