Serkan Güzelçoban ist Küchenchef im Restaurant „handicap“, wo Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Ein Streifzug durch seinen Alltag.
Serkan Güzelçoban ist der „schöne Hirte“. Das ist die Bedeutung seines Namens auf türkisch, der Heimat seines Vaters. Ein Hirte, der seine Schafe beisammen hält, ein Auge darauf hat, dass es allen gut geht, das passt auch auf seinen Beruf.
„Meine besonderen Menschen“, nennt er seine Mitarbeiter, die gehandicapt sind. Wenn er Geschichten erzählt, dann von seinem Paul, seinem Markus und seinem Toby. „Ich habe 14 Mitarbeiter und jeder ist anders“, sagt er. Er arbeitet seit sechs Jahren im Restaurant, das zum Hotel „Anne-Sophie“ in Künzelsau gehört. Seine Mitarbeiter sind fast von Anbeginn dabei. Serkan Güzelçoban hatte zuvor keinerlei Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Freunde haben ihn komisch angesehen und nicht verstanden, warum er gerade dort Küchenchef werden wolle. „Ich bin ein tiefgründiger Mensch“, sagt der 30-Jährige. Er wollte nicht nur sprichwörtlich über den Tellerrand schauen. Es sollte nicht nur um Kochen und Leistung gehen. Er suchte das Menschliche. Davon hat er reichlich gefunden. Und daraus gelernt. „Ich bin geduldiger geworden. In der Gastronomie reden immer alle von einem besseren Miteinander, aber es tut sich nichts. Hier haben wir das.“ Und er tut etwas dafür. Stellt sich auf jeden ein. Wundert sich zuweilen, muss sich anstrengen, immer den richtigen Ton und die Lösung für ein zwischenmenschliches Problem zu finden – aber es lohnt sich. „Jeder Tag ist ein Erlebnis“, findet er und möchte irgendwann einmal ein Buch über seine Erlebnisse schreiben. Darin stünde vielleicht die Geschichte von einer Mitarbeiterin, die ihn ein halbes Jahr lang nicht gegrüßt hat. Jeden Tag ging er morgens an ihr vorbei, sagte etwas zu ihr und wartete umsonst darauf, dass sie etwas erwiderte. Eines Tages plötzlich legte sie los. Einfach so.
Er erzählt von dem Dessert, das es zum Eröffnungsmenü geben sollte. Unter der Überschrift „Der Montageprofi“ sollte etwas auf den Tisch kommen. Der Küchenchef überlegte hin und her, hatte eine verrückte Idee: Nachtisch in Form von Werkzeug. Nein, besser nicht, zweifelte er. „Lass uns das doch machen“, sagte „sein Markus“. Also wurde es gemacht.
Die Leichtigkeit seiner besonderen Menschen nimmt er mit – in Küche und Alltag. Wenn etwas nicht klappt, dann eben nicht, ist jetzt sein Motto. Geht es um Inklusion, spricht er sich deutlich dafür aus. Ihn bereichere das Zusammensein. Es wundere ihn selbst ein wenig, aber er schaffe es im größten Stress, sich auf jeden einzustellen. Und ganz wichtig sei, kein Mitleid zu haben. Er bewundert ihren „Biss“, mit dem sie es schaffen, jeden Tag, trotz manch schwerer Beeinträchtigung, aufzustehen. Gab es einmal Berührungsängste, so hat er die verloren. Im Supermarkt neulich gab es ein behindertes Mädchen, die Passanten umarmen wollte. Alle sind ihr aus dem Weg gegangen. Serkan Güzelçoban öffnete die Arme.
Anja Alexa Schmitz
Zur Person:
Der 30-jährige Serkan Güzelçoban ist Küchenchef im Restaurant „handicap“ in Künzelsau. Dort kocht er mit Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.