Seit zwei Jahrzehnten ist die Innovationsregion Hohenlohe e. V. aktiv. Das Industrienetzwerk will die Region voranbringen und fit für die Zukunft machen. Ein Round-Table-Gespräch mit den Vorständen über Förderprojekte, Finanzierung und Fachkräftemangel.
Der Verein trägt Innovation bereits im Namen: Inwiefern ist Innovationsfähigkeit zentral für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Hohenlohe?
Harald Unkelbach: Innovation ist eine Geisteshaltung. Man muss bereit sein, nach Verbesserungen zu suchen, neue Produkte zu kreieren, neue Prozesse aufzubauen. Das müssen keine grundlegend neuen Erfindungen sein – auch kleine Verbesserungen an Produkten können einen großen Unterschied bei den Kunden machen. Unser Verein hat das Ziel, Innovation zu ermöglichen – und das von Kindesbeinen an. Oft verbindet man Innovation mit Erwachsenen, mit Erfahrung. Kinder jedoch sind ständig innovativ, stecken voller Ideen. Ihnen fällt immer etwas Neues ein. Deshalb setzen wir mit unseren Förderprojekten bereits im Kindergarten an, um diese Innovationsfähigkeit zu wecken und weiterzuentwickeln –als Investition in die Zukunft. Darüber hinaus gilt es auch, neue Technologien im Auge zu behalten, die eine zunehmende Relevanz in der Region haben, beispielsweise künstliche Intelligenz.
Ist die regionale Wirtschaft derzeit innovativ genug, um langfristig zu prosperieren?
Harald Unkelbach: Innovativ genug ist man nie. Das wäre schön – dann wären wir an der Weltspitze. Aber was die Fähigkeit anbetrifft, innovativ zu denken, Innovationen umzusetzen und sich mit Neuem auseinanderzusetzen, da sind wir gut aufgestellt.
Aktuell engagieren sich 28 Mitgliedsunternehmen im Netzwerk. Was sind die gemeinsamen Ziele?
Stefanie Leenen: Die Gründer der Innovationsregion haben bereits vor zwei Jahrzehnten erkannt, dass wir nicht genug Fachkräfte in der Region haben und dass Unternehmen, die wachsen wollen, einen steigenden Bedarf an Fachkräften haben werden. Gerade in den MINT-Berufen – und das gilt heute mehr denn je – fehlen qualifizierte Menschen. Angesichts des Fachkräftemangels befinden sich unsere Mitgliedsunternehmen in der gleichen Situation und sehen, dass sie selbst etwas dafür tun müssen, um junge Menschen für MINT-Themen zu begeistern. Je mehr einen technischen Berufsweg einschlagen, desto besser ist es für die Unternehmen und damit für den Wohlstand in der Region. Darum ziehen alle an einem Strang. Das ist das Außergewöhnliche an der Innovationsregion: Unternehmen, die mit harten Bandagen auf den Märkten kämpfen, arbeiten in unserem Verein zusammen. Das ist etwas wirklich Einzigartiges.
Warum halten Sie es für wichtig, schon in sehr jungen Jahren Begeisterung für Technik zu wecken?
Elmar Zeitler: Der Wettbewerb um Fachkräfte ist groß. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig auf sich aufmerksam zu machen. Wir haben uns das Thema Technik auf die Fahnen geschrieben, weil wir technischen Nachwuchs brauchen. Auch den Frauenanteil in technischen Berufen wollen wir erhöhen. Daher gehen wir frühzeitig in die Kindergärten und Schulen, um das Interesse für Technik zu wecken und dadurch bessere Chancen für die Zukunft zu generieren.
Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit der Bildungsoffensive für junge Menschen? Trägt sie bereits die erwarteten Früchte für die Industrieunternehmen der Region?
Norbert Schuster: Eindeutig ja: Alle beteiligten Unternehmen, egal ob groß oder klein, haben bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Fachkräftemangel trifft alle, daher eint es auch alle. Mit unseren MINTec-Aktivitäten setzen wir genau an diesem Punkt an, denn der Fachkräftemangel ist insbesondere im technischen Bereich gravierend. Wir schaffen mit unseren Aktivitäten eine Brücke zwischen Schule, Studium und den Partnerfirmen – das zeichnet die Innovationsregion aus. Viele unserer Angebote finden in den Lehrabteilungen der Unternehmen statt. Dort bauen Kinder kleine solarbetriebene Autos und vieles mehr. Je nach Altersklasse gibt es unterschiedliche Angebote. Der Clou ist, dass nicht Erwachsene etwas vortragen, sondern die Auszubildenden den Kindern und Jugendlichen spielerisch etwas beibringen. Das schafft eine viel größere Nähe. Oft wird in höherem Alter auch über Ausbildungsmöglichkeiten in den Unternehmen gesprochen. Die jungen Menschen sind hochmotiviert, weil sie die Firmen bereits kennenlernen konnten. Das ist eine enorme Chance, von der beide Seiten profitieren.
Mitarbeiterqualifizierung wird ebenfalls von Ihrem Netzwerk gefördert. Wieso ist es auch hierbei von Vorteil, wenn verschiedene Unternehmen der Region kooperieren?
Norbert Schuster: Die berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung kann in Großunternehmen relativ leicht umgesetzt werden. Aber in Betrieben mit weniger als 100 Mitarbeitern ist es nicht ganz so einfach. In Zulieferbetrieben, die in unserer Region für die Großbetriebe arbeiten, ist es oft eine Herausforderung, Weiterbildung in allen relevanten Berufsfeldern darzustellen. Wenn wir kleine Unternehmen bei der Qualifizierung und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden unterstützen, profitieren letztlich alle davon – auch die großen Betriebe. Mit einem kooperativen Studienmodell, das die Innovationsregion stark fördert, können auch kleine Betriebe ihre Mitarbeitenden an ein Studium heranführen, falls sie Ingenieure für die Zukunft brauchen. Das ist auch von Vorteil für die Reinhold Würth Hochschule. Der Campus Künzelsau könnte nicht bestehen, wenn die Unternehmen diese enge Kooperation nicht führen würden. Die kooperativen Studiengänge in den technischen Fächern bestehen eigentlich nur aus angehenden Ingenieuren, die aus den Unternehmen kommen. So schließt sich der Kreis, von dem alle profitieren.
Am Campus Künzelsau befindet sich auch der Digital Hub Heilbronn-Franken, der mit Unterstützung der Innovationsregion realisiert wurde. Welche Impulse sind bisher aus diesem Projekt hervorgegangen?
Guido Rebstock: Wir haben 2019 sowohl bei der Antragstellung als auch bei der Konzeption der Aufgaben des Digital Hub mitgewirkt. Nach drei Jahren kann ich sagen, dass er sich zu einem der erfolgreichsten Digital Hubs in Baden-Württemberg entwickelt hat. Das liegt auch ein Stück weit an der Struktur. Unser Digital Hub ist der einzige, an dem vier Unternehmen direkt beteiligt sind: Optima, EBM-Papst, Würth Industries und Adolf Würth. Würth Elektronik hat zudem dort Labore gemietet. 2021 hat der Digital Hub Heilbronn-Franken connected, kurz „hfcon“, bereits Überschüsse erwirtschaftet. Das halte ich für eine Besonderheit. Was die inhaltliche Arbeit anbelangt, wurde beispielsweise ein Aus- und Weiterbildungsprogramm zu den Themen Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz für alle Unternehmen in Heilbronn-Franken geschaffen. Bis 2025 soll in Heilbronn der Innovationspark Künstliche Intelligenz entstehen, bereits jetzt finden Schulungen im Digital Hub statt, um Unternehmen auf diese Themen vorbereiten. Der Digital Hub unterstützt zudem konzeptionell die beiden Lernfabriken Industrie 4.0 in Künzelsau und Öhringen. Er bietet auch eine Fördermittelberatung für Unternehmen, die sich gern an Ausschreibungen beteiligen würden, aber den Aufwand scheuen. Daraus hat Hfcon ein eigenes Geschäftsfeld entwickelt, um Firmen bei Fördermittelantragstellungen zu beraten. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit für Startups, Büroräume tage- oder monatsweise zu mieten. Ein paar Startups sind bereits im Digital Hub entstanden. Unsere Hoffnung, dass sich eine Startup-Kultur entwickelt, hat sich somit erfüllt. Die bisherige Zwischenbilanz ist positiv.
Die Finanzierung der Projekte erfolgt durch die Mitgliedsunternehmen. Diese stehen durch die aktuellen Krisen sicher unter erhöhtem Druck. Wirkt sich das auf die Investitionsbereitschaft aus?
Bernd Kaufmann: Als Schatzmeister habe ich dafür zu sorgen, dass die Kassenlage stimmt. Im Hauptberuf bin ich Vorstand bei der Sparkasse und kann daher nur bestätigen: Der Druck ist richtig hoch. Unser Budget ist mit rund 150.000 Euro überschaubar. Doch da wir oft nur der Makler und Mittler sind, können wir damit viel bewegen. Wir nutzen die Kapazitäten der Firmen oder auch teilweise Leistungen vom Land, etwa Deputatsstunden von Lehrkräften. Die Höhe der Jahresbeiträge unserer Mitgliedsfirmen ist sicher nicht der entscheidende Faktor, ob man weiter fördert oder nicht. Die Unternehmen erkennen den Mehrwert des Netzwerks. Sie sind bereit, ihren Beitrag auch in schwierigen Zeiten zu leisten. Krisen werden auch als Chance gesehen. Manche wollen sogar noch mehr tun, um die Region weiter zu stärken.
Wie sieht die Strategie der Innovationsregion für die kommenden Jahre aus?
Stefanie Leenen: Was sich die Gründer der Innovationsregion vor 20 Jahren vorgenommen haben, funktioniert gut und hat sich bewährt. Wir werden diese Themen fortsetzen, angefangen von MINTec in Kindergärten und Schulen bis zur Brücke Richtung Studium, denn wir wollen die technischen Studiengänge an der Hochschule sichern. Die Schülerzahlen gehen zurück, wodurch künftig potenziell auch die Studierendenzahlen sinken. Uns ist es ein großes Anliegen, dass wir die Hochschule in Zukunft weiter mit Leben füllen können. Was wir in den vergangenen Jahren geleistet haben, wollen wir fortführen: als Vermittler und als Netzwerkpartner. Vieles können wir nicht selber oder alleine leisten, da unsere Ressourcen begrenzt sind. Aber mit unserem ehrenamtlichen Engagement tragen wir dazu bei, das Optimale zum Wohle der Region herauszuholen. Mit Blick auf unsere Mitgliedsunternehmen wollen wir den Netzwerkgedanken noch mehr stärken und gemeinsam eine Plattform bilden, auf der sich Geschäftsführer vertrauensvoll untereinander austauschen können. Ich erkenne hier einen Bedarf – das gibt es im Moment in der Form noch nicht. Es ist wichtig, dass die Unternehmen einen direkten Draht haben und kommunizieren. Kirchturmdenken liegt uns fern, daher wollen wir auch Brücken bauen in die gesamte Region Heilbronn-Franken, beispielsweise in Richtung Heilbronn, wo extrem viel in Bildungsthemen investiert wird. Das verspricht Win-Win für alle, denn als Industrieplattform vor den Toren von Heilbronn sind wir prädestiniert dafür, den Studierenden der dortigen Hochschulen, der TUM, der Programmierschule 42 Praktikumsplätze zu bieten oder später den Berufseinstieg zu ermöglichen. Das ist sowohl für die Institutionen interessant als auch für unsere Mitgliedsunternehmen. Das sind die neuen Aspekte: mehr Brücken bauen und den Netzwerkgedanken intensiver leben.
Haben Sie angesichts des 20-jährigen Bestehens etwas Besonderes geplant?
Elmar Zeitler: Wir leisten in unserem außergewöhnlichen Netzwerk jeden Tag viel Besonderes. Seit 20 Jahren bewegen wir mit begrenzten Ressourcen sehr viel und haben auch in Zukunft viel vor. Wir wollen das Jubiläumsjahr daher nutzen, um die Plattform weiter zu stärken und ihre Mitglieder noch enger zusammenzubringen. Nach außen hin wollen wir die Aufmerksamkeit auf unsere laufenden Projekte lenken und zeigen, dass unsere Aktivitäten sehr sinnvoll sind. Wir leben vom Ehrenamt, daher wollen wir auch Interesse dafür wecken, sich gemeinsam mit uns zu engagieren: für das Wohl unserer Region.
Interview: Dirk Täuber