Gut ausgebildete Fachkräfte in ländliche Regionen zu bekommen, ist in Zeiten der Urbanisierung keine leichte Aufgabe. Das hat auch Christian Berner, Vorstand der Berner Group, gemerkt. Seine Entscheidung: Wenn die Mitarbeiter nicht zu uns kommen, kommen wir zu den Mitarbeitern. Berner hat eine Niederlassung in Köln eröffnet. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen.
Herr Berner, seit dem vergangenen Jahr arbeiten einige Mitarbeiter der Berner-Gruppe nicht mehr im Kochertal, sondern im Rheinland. Was waren die Beweggründe für Sie, eine Niederlassung in Köln zu eröffnen?
Berner: Gestatten Sie vorweg eine kleine Ergänzung: In der Tat haben sich Kollegen entschieden, ihren Arbeitsschwerpunkt nach Köln zu verlegen. Die wichtige Nachricht ist, dass wir in Köln seit Januar eine Vielzahl neuer Kollegen gewonnen haben. Das Team der Holding ist massiv gewachsen und wächst enorm weiter. Wenn wir so weiter machen, werden wir die Büroflächen auf Sicht noch vergrößern. Das ist eine gute Nachricht. Parallel haben wir weiter in unseren Standort in Künzelsau investiert und sind beispielsweise seit Kurzem dabei, eine komplett neue Kantine einzurichten.
Nun zu den Beweggründen: Wie viele internationale Unternehmen haben wir feststellen müssen, dass die Urbanisierung tatsachlich ein globaler Megatrend ist. Der Hohenlohekreis hat knapp 110.000 Einwohner und viele junge Leute zieht es heute vom Land in die Städte. Wir kamen an einen Punkt, wo wir hochqualifizierte Bewerber nicht für uns gewinnen konnten, weil für sie unser Standort nicht als Ort zum Leben und Arbeiten infrage kommt. Wir arbeiten sehr engagiert daran, für unsere Mitarbeiter ein sehr guter Arbeitgeber zu sein. Daher haben wir die Rückmeldungen dieser Kandidaten sehr ernst genommen. Schauen Sie, wir entwickeln unser Geschäft ehrgeizig weiter und dafür brauchen wir die besten Talente. Als wir gemerkt haben, die Leute kommen aufgrund unserer Lage nicht zu uns, haben wir eben beschlossen, zu den Leuten zu kommen.
Mit unserem zweiten Standbein in Köln sind wir gleichzeitig auch näher an unsere Caramba-Chemie-Gruppe mit Stammsitz in Duisburg herangerückt.
Wir sind eine zunehmend international aufgestellte Unternehmensgruppe geworden. Dementsprechend hat sich auch das Arbeitsleben enorm verändert. Insbesondere die Mitarbeiter aus der Holding, unserem strategischen Dach der Gruppe, sind enorm viel unterwegs in den Ländern. Da sind eine zentrale Lage und eine gute internationale Anbindung wichtig. All das haben wir in Köln. Die Rechnung ist aufgegangen. Heute gewinnen wir die Kandidaten für unser Unternehmen, die wir uns wünschen.
Ist Ihnen diese Entscheidung Ieicht gefallen?
Berner: Sie war und ist strategisch begründet. Noch einmal: Es ist keine Entscheidung gegen einen Ort, sondern eine Entscheidung für ein zusätzliches urbanes Standbein, welches wir objektiv und nach klaren Kriterien gewählt haben. Die Entscheidung fiel auf die rheinische Metropole Köln, besonders aber auf die Region Rhein-Ruhr, die zu den größten und ökonomisch wichtigsten Ballungszentren Europas gehört. Wenn Sie mich persönlich fragen: Die Stadt pulsiert, ist bunt und die Menschen sind fröhlich und aufgeschlossen. Insgesamt ist Nordrhein-Westfalen ein sehr wirtschaftsstarkes und wirtschaftsnahes Bundesland. Hier bewegt sich eine Menge und das ist sehr inspirierend. Ich bin gerne hier, auch wenn ich vorher keinen persönlichen Bezug zu Köln hatte.
Unser Geschäft hat einen großen Schwerpunkt im Handel. Schon mit 14 war ich auf der Straße unterwegs und bin mit unserem Vertriebsaußendienst zu den Kunden gefahren. Dabei habe ich gelernt, zuzuhören und die Wünsche der Kunden verstehen zu lernen. Aktuell haben wir eine starke Wirtschaft und damit einhergehend einen Arbeitnehmermarkt. Viele junge Leute sind sehr gut ausgebildet, konnten internationale Erfahrung sammeln. Sie können sich die Arbeitsplätze aussuchen. Das hat zu einem Umdenken in vielen Unternehmen geführt. Heute sind Mitarbeiter auch in gewissem Sinne Kunden ihres Arbeitgebers. Als klar wurde, dass die Schwierigkeiten im Ringen um Nachwuchstalente nichts mit unseren Stellenangeboten oder dem Unternehmen zu tun hatten, sondern ausschließlich mit unserem Standort, da war die Entscheidung für mich logisch. Es ging darum, das Richtige zu tun. Und wenn Sie uns in Köln besuchen, dann sehen Sie den Beweis, dass der Schritt richtig war.
Warum gerade Köln?
Berner: Wie bereits erläutert: Wir haben eine umfangreiche Analyse gefahren und uns beraten lassen. Das Ergebnis ist, dass Köln der ideale Standort für unsere Holding ist. Einige Argumente sind: Es gibt viele hochqualifizierte Arbeitskräfte für all unsere Belange. Gleichzeitig bietet die Stadt ein harmonisches und bezahlbares Umfeld für unsere Mitarbeiter. Köln ist eine Digitalmetropole und Startup-Stadt. Köln ist sehr international, wir sitzen mitten in Europa und sind schnell in Frankreich, in den Niederlanden, aber auch bei unseren Firmen in Duisburg. In Köln haben wir drei Flughäfen in einer Erreichbarkeit von 30 Minuten bis zu einer Stunde und exzellente Bahnverbindungen. Und das sind nur einige Kriterien.
Sie hatten im Kochertal teilweise Probleme, bestimmte Stellen personell zu besetzen. Von welchen Arbeitsbereichen ist hier die Rede?
Berner: Das führt wiederum auf unser Problem zurück. Viele meinten, wir würden nur im Bereich der IT-Kräfte Herausforderungen in der Rekrutierung haben. Das ist schlichtweg zu kurz gegriffen. In allen Arbeitsbereichen von HR über Controlling und natürlich auch IT und Marketing haben wir bereits seit mindestens fünf Jahren mangelnde bis keine Bewerber, extrem lange Suchzeiten und auch oft bereits Sonderlösungen wie Personalagenturen, um dem Problem Herr zu werden. Und glauben Sie mir, ob es zugegeben wird oder nicht, alle Unternehmen in Hohenlohe haben diese Probleme und viele sprechen mich nun unter der Hand an. Wir waren nur ehrlich und konsequent. In der Vergangenheit haben wir zudem oft versucht, aus unseren ausländischen Töchtern zu rekrutieren – was jedoch selten fruchtete, zumeist standortbezogen. Wir sind deutlich internationaler geworden und wollen es weiter werden. Gerade die Kollegen aus dem Ausland wollen in einer attraktiven Stadt arbeiten und nicht auf dem Land. In Köln haben wir bereits in nur ein paar Monaten Stellen aus unseren internationalen Töchtern heraus besetzt.
Der Hauptsitz von der Berner-Gruppe soll weiterhin im Kochertal bleiben. Welche Anreize bieten Sie, um geeignete Fachkräfte nach Hohenlohe zu holen?
Berner: Auch für Hohenlohe gilt: Wir haben in Deutschland zunehmend einen Arbeitnehmermarkt. Zusätzlich zu attraktiven betrieblichen Sozialleistungen bieten wir beispielsweise flexible Arbeitszeiten, individuelle Teilzeitmodelle, moderne und mobile Büro- und Arbeitsplatzausstattung. Darüber hinaus haben wir für fast alle Ebenen des Unternehmens ein internationales Talent-Management und Mitarbeiterentwicklungsprogramm in Betrieb, um unsere Kräfte zu fördern.
Welche Rolle spielt dabei auch die Ausbildung im eigenen Haus?
Berner: Wir bilden seit Jahrzehnten im eigenen Unternehmen aus. Unsere Ausbildungsprogramme sind von der IHK Heilbronn-Franken mit dem Dualis-Siegel zertifiziert und ausgezeichnet. Wir sind somit einer der größten und wichtigsten Ausbilder in der Region. Wir suchen immer wieder Talente und begleiten die jungen Mitarbeiter individuell auf ihrem Karriereweg. Uns ist es besonders wichtig, auch Weiterbildung zu fördern. So bieten wir sowohl im Vertrieb als auch für Fachkräfte im Innendienst Führungsnachwuchsprogramme an. Auch hier setzen wir auf das Thema Vernetzung: Unsere Programme sind international ausgerichtet, sodass sich die Teilnehmer über Unternehmensgrenzen hinweg innerhalb des Konzerns vernetzen und voneinander lernen können.
Interview: Lydia-Kathrin Hilpert
Die Berner Group
Unsere Vision lautet: „We keep the world together and moving“. Das heißt, wir sind der zentrale B2B-Handelspartner für alle Materialien im Bereich Wartung, Reparatur und Produktion für unsere Kunden im Bau-, Mobilitäts- und Industriesektor. Mit über vier Kanälen schaffen wir für unsere Kunden ein integriertes Omnichannel-Einkaufserlebnis. Im Bereich von Stahl und C-Teilen sowie im Bereich der Chemie sind wir gleichzeitig innovativer Hersteller. Wir sind mit über 230.000 Artikeln, 9000 Mitarbeitern in über 25 Ländern für unsere Kunden vertreten.