Direkt, ehrlich und zuverlässig: Diese Eigenschaften zeichnen sowohl Reinhold Würth als auch Frank Stroh aus. Ebenso verbindet sie die Liebe zu ihrer Heimat – Heilbronn-Franken. Da wundert es nicht, dass ebendiese beiden Herren vor 20 Jahre pro Region gegründet haben.
Herr Prof. Würth, Herr Stroh, Sie beide haben vor 20 Jahren die Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken aus der Taufe gehoben. Wie kam es dazu?
Würth: Der Ursprung war bei der Veranstaltungsreihe „Stimme-Forum unter der Pyramide“ im Juni 1996 in der Kreissparkasse Heilbronn. Dort wurde auch das Thema Region angesprochen. Ich regte an, sich zu wehren und Lärm zu machen. Es entstand die Idee, eine Bürgerinitiative zu gründen. Und so haben wir uns zusammengefunden.
Stroh: Ich hatte gefragt, warum wir nicht etwas Vergleichbares wie das „Forum Region Stuttgart“ hinbekommen. Als ich das angeregt hatte, hat Reinhold Würth leichtsinnigerweise gesagt, wenn ihr das macht, dann bin ich auch dabei (lacht). Wir hatten dort zum ersten Mal so etwas wie einen persönlichen Kontakt zueinander. Wir kannten uns vorher nicht.
Wie haben Sie, Herr Würth, die Stimmung zur damaligen Zeit in der Region empfunden?
Würth: Jeder hat vor allem nach sich selbst geschaut. Alles war sehr lokal. Die Menschen haben sich mit ihrer Stadt und der näheren Umgebung beschäftigt – mit den Vereinen und solchen Dingen. Dass es überhaupt eine Region Heilbronn-Franken gab, war weitgehend unbekannt. Ein Wir-Gefühl oder gemeinsame Strukturen innerhalb der Region gab es nicht. Aber fragen Sie mal heute nach, wie viele Bürger aus Eppingen schon einmal in Wertheim waren. Das sind nicht viele. Insofern haben wir auch jetzt noch sehr viel zu tun. Ich glaube dennoch, dass wir in den vergangenen 20 Jahren ein klein bisschen dazu beitragen konnten, dass das Gefühl, in einer gemeinsamen Region Heilbronn-Franken zu leben, aufgebaut wurde und entstanden ist.
Herr Stroh, warum war Ihnen die Schaffung eines Wir-Gefühls in Heilbronn-Franken eine Herzensangelegenheit? Sie sind doch ein gebürtiger Hesse – und damit ein Neigschmeckter.
Stroh: Zum einen, weil ich hier wohne, mich heimisch fühle und es keinerlei Zusammenhalt innerhalb der Region gab. Zum anderen, weil ich zur Zeit der Gründung Bevollmächtigter der IG-Metall in Neckarsulm war. Wir haben dort im Zeitraum 1996/97 rund 10.000 Arbeitsplätze in der Automobil- und Zuliefererindustrie verloren. Die Stimmung war entsprechend depressiv und negativ – nach dem Motto: „Das wird ja eh alles nichts mehr.“ Mir war es wichtig, mit der Gründung einer solchen Initiative ein positives Signal zu setzen; nach außen deutlich zu machen, dass alles gar nicht so schlimm ist; dass wir weitermarschieren können, wenn wir zusammenstehen; dass man aus der Region etwas machen kann. Hinzu kommt, dass lange Zeit die Region nur „Region Franken“ geheißen hat. Kein Mensch hat uns mit der Gegend hier in Verbindung gebracht – alle haben gedacht, wir wären in Nürnberg zu finden. Erst später hat man die Region in Heilbronn-Franken umbenannt. Die Identifizierung hatte zuvor gefehlt – und die braucht es, um ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen.
Herr Würth, als Unternehmer hatten Sie sicher schon genug zu tun. Warum das Engagement in der Bürgerinitiative?
Würth: Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich habe mein ganzes Leben in der Region verbracht. Sie war immer meine Heimat. Es ist ja nicht unnormal, dass man dort, wo man sich heimisch fühlt, auch eine Kontribution leistet, um etwas zum Wohlbefinden der Bürger beizutragen. Für mich war es eine Selbstverständlichkeit, sich zu engagieren.
Was haben Sie sich persönlich davon erhofft?
Würth: Wir hatten nie die Absicht, öffentliche oder halböffentliche Aufgaben zu übernehmen. Wir wollten uns nicht herausnehmen, es besser zu wissen als die Volksvertreter. Aber zusätzlich schadet es sicher nicht, wenn sich privat gebildete Vereine solcher Themen, etwa des Zusammenwachsens einer Region, annehmen. Es gab ja zu jener Zeit auch niemanden, der sich sonst darum gekümmert hätte. Jeder Landrat hat sich nur für seinen Landkreis zuständig gefühlt. An der Kreisgrenze war Ende. Es war ein gewisser Bedarf da, eine solche Initiative auf Vereinsbasis zu initiieren. Ich denke, das hat sich gut bewährt.
Stroh: Man muss dazu sagen, dass man uns anfangs überhaupt wahrgenommen hat, liegt an der Person Reinhold Würth. Das ist klar. Wenn er irgendwas gesagt hat, hat man uns ganz anders zugehört, als wenn es jemand anderes getan hätte. Die Begeisterung darüber, dass wir eine Bürgerinitiative gründen wollten, hat sich in Grenzen gehalten. Wäre Reinhold Würth in Sachen Verein nicht so bei der Stange geblieben, hätte es diesen gar nicht gegeben.
Sie sind ja – wenn man das so sagen darf – ein eher ungewöhnliches Duo. Sie, Herr Würth, sind erfolgreicher Unternehmer; Sie, Herr Stroh, waren jahrelang Vertreter eines Arbeitnehmerverbandes. Inwiefern passt das dennoch zusammen?
Würth: Wir verstehen uns sehr gut. Ich betrachte Frank Stroh als einen meiner engen Freunde. Es ist irgendwann immer unwichtiger geworden, was wir beruflich tun. Inzwischen sind wir beide in Pension – und so Pensionisten verstehen sich immer gut (lacht). Nein, im Ernst: Für mich war es ganz wichtig, dass Frank Stroh der andere Part im Vorstand war. Es hat dokumentiert, dass wir nicht irgendeine Interessenvertretung sind, sondern dass wir die ganze Bevölkerung mitnehmen wollen. Es war gut, dass wir so gegensätzlich waren, um Vorurteile auszuräumen. Uns war wichtig, dass alle miteinander sprechen und miteinander verkehren. Eigentlich waren wir ein perfektes Duo.
Stroh: Als wir noch im Beruf aktiv waren, haben wir das einfach schlichtweg getrennt. Das eine war der Job, das andere der Einsatz bei der pro Region. Im Beirat haben wir außerdem sehr viel Wert auf Vielfalt gelegt. Uns war wichtig, Vertreter aus allen möglichen Bereichen zu haben – sei es aus dem Bereich Sport, Gesundheit, Arbeitnehmervertreter oder Journalismus. Das war alles sehr breit gefächert und ist auch heute noch so.
Was schätzen Sie besonders am jeweils anderen?
Würth: Ich schätze an Frank Stroh besonders die Berechenbarkeit, die Zuverlässigkeit und die Geradlinigkeit.
Stroh: Diese Attribute sehe ich auch in Reinhold Würth. Man weiß bei ihm immer, woran man ist. Wenn er mal Ja sagt, dann setzt er sich auch für etwas ein. Wenn er hingegen Nein sagt, braucht man gar nicht weiterbohren. Das führt zu einer Verlässlichkeit, die ich sehr schätze.
Gab es denn in Sachen pro Region je unterschiedliche Interessen?
Stroh: Wir hatten nie Streit. Wir haben uns immer ausgetauscht. Wenn es strittige Positionen gab, haben wir uns das gemeinsam angeschaut und es entweder sein lassen oder es gemacht.
Würth: Aus meiner Sicht hat es nicht einmal eine Disharmonie zwischen uns gegeben. Ich habe die Meinung von Frank Stroh immer sehr hoch eingeschätzt und respektiert. Er war noch sehr viel näher an den Bürgern dran. Außerdem lebt er in einer anderen Gegend der Region. Deswegen waren mir sein Rat und seine Empfehlungen eigentlich auch immer Befehl (lacht).
Stroh: So habe ich das aber nicht wahrgenommen. Ganz so einfach war es dann auch wieder nicht. Ich habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen (lacht). Aber wenn man eine Idee gut vorbereitet hat und gute Argumente finden konnte, dann war das gar kein Problem. Dann hat Reinhold Würth nicht nur zugestimmt, sondern auch oft genug den Geldbeutel aufgemacht. Ohne Reinhold Würth und seinem Unternehmen wäre das alles nicht möglich gewesen.
Herr Stroh, Sie haben einmal gesagt, der Auftrag der Bürgerinitiative sei Lobbyarbeit für die Region. Wird dieser Auftrag Ihrer Meinung nach erfüllt? Inwiefern?
Stroh: Wir bemühen uns, Lobbyarbeit für die Region zu machen. Ich glaube, das wird von außen besser wahrgenommen als innerhalb der Region. So muss das auch sein. Das ist soweit in Ordnung. Was nicht so läuft, wie ich es mir persönlich vorgestellt habe, ist das Zusammenwirken der Verantwortlichen in der Region. Das beginnt beim Thema Wirtschaftsförderung und geht weiter beim Thema Tourismus. Auch jetzt, zur Bundesgartenschau in Heilbronn, ist bisher die Region nicht in der Lage, ihre Kräfte zu bündeln. Es entsteht der Eindruck, jeder wurstelt vor sich hin. In Heilbronn-Franken wird nicht erkannt, welche Chance die Buga für die Region ist, sich nach außen hin darzustellen. Das stimmt einen schon ein bisschen traurig.
Können Sie sich das erklären? Die Vereinsgründung vor 20 Jahren zielte ja eigentlich darauf ab, genau solche Situationen zu vermeiden und solchen Entwicklungen entgegenzuwirken …
Stroh: Wir können natürlich nur Empfehlungen abgeben. Die Entscheidungsträger – Landräte, Oberbürgermeister, einzelne Institutionen, Kammern – entscheiden die Dinge selbst. Da klemmt es aus meiner Sicht aber. Die einzelnen Kirchtürme spielen dabei schon eine Rolle. Damit vergibt man eine Chance, die Region nach außen zu tragen und bundesweit auf sich aufmerksam zu machen. Schade!
Herr Würth, Sie haben sich im Jahr 2010 nach 13 Jahren an der Spitze des Vereins etwas zurückgezogen. Seitdem bekleiden Sie das Amt des Beiratsvorsitzenden. Wie nehmen Sie die Arbeit des Vereins aus dieser Perspektive wahr?
Würth: Der Verein ist sehr munter. Jochen K. Kübler macht das ganz toll. Ich bin hochzufrieden mit meinem Nachfolger. Er hatte schon immer ein gutes Mundwerk – und das ist für seine Vereinsarbeit von großem Vorteil. Er sagt schon, wo der Bartel den Most holt. Das kommt gut an.
Und mit dem Auftreten des Vereins? Glauben Sie, der Verein könnte noch stärker in der Öffentlichkeit agieren, um noch aktiver auf seine Belange aufmerksam zu machen?
Würth: Wir müssen uns davor hüten, aufdringlich zu werden. Wenn wir es übertreiben, dann wird es schon wieder sektiererisch, ersatzreligiös oder so. Das wollen wir dann auch nicht. Wir wollen lieber eine starke Stimme im Hintergrund sein.
Wenn die pro Region Ihr Handelsunternehmen wäre, was würden Sie strukturell ändern?
Würth: Ein Verein muss – wie ein Unternehmen auch – Gewinn abwerfen. Zwar nicht monetär, aber im Wohlbefinden der Vereinsmitglieder, in Realisierung der gemeinsamen Ziele – einfach in Schaffung einer verschworenen Vereinsgemeinschaft. In meiner besten Zeit habe ich zehn Vereine geführt. Ich weiß, wie anfällig Vereine gegen Partikularinteressen sind. Es ist immer gut gelungen, die echten Ziele des Vereins voranzubringen. Man kann viel machen, wenn man mit einem gewissen Verständnis auf die Leute zugeht. Ansonsten würde ich gar nicht so viel anders machen.
Herr Stroh, braucht es den Verein heute in der Form eigentlich noch?
Stroh: Ja! Wenn man die Entwicklung in der Region zurzeit ansieht, dann ist es dringender denn je, dass es pro Region gibt. Wir müssen versuchen, zusammenzuführen und nicht weiter zu spalten.
Wie kann pro Region hier dagegenwirken?
Stroh: Wir können Impulse geben, um deutlich zu machen, mit welchen wichtigen Themen wir uns in Zukunft auseinandersetzen müssen. Das tun wir beispielsweise bei dem Projekt „Demografische Allianz Heilbronn-Franken“. Hier wollen wir Verständnis dafür wecken, was die demografische Entwicklung wirklich bedeutet – für jede Kommune ganz individuell. Wir sind aber auch beteiligt am Thema Digitalisierung. Gemeinsam mit der IHK haben wir einen Digitalisierungsgipfel durchgeführt. Gedacht war, damit die Kommunen der Region anzusprechen und sie auf diese Thematik vorzubereiten. Wir wollen das Thema nicht verteufeln, sondern Verständnis in der Bürgerschaft wecken, den Bürgern der Region zeigen, dass hier zwar was auf uns zukommt, dass diese Entwicklung aber auch sehr viele Chancen mit sich bringt, wenn man damit vernünftig umgeht. Die kommunale Beteiligung am Gipfel war aber sehr, sehr dünn. Das ist der eine Punkt. Wir müssen aber noch weiter denken. Wir tun als Region gut daran, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, was die Elektromobilität für den Fahrzeugbau bedeutet. Welche Auswirkungen hat diese für eine Region, die stark von der traditionellen Automobil- und Zuliefererindustrie geprägt ist? Hier müssen wir den Blick in die Zukunft, nicht zurück, richten. Wir müssen schauen, was auf uns zukommt. Solange wir das machen, hat die pro Region auch einen Sinn. Damit können wir auch den Bürgern von Heilbronn-Franken deutlich machen, dass pro Region nicht nur ein Festle-Verein ist, sondern dass wir uns auch um wichtige Zukunftsfragen der Region kümmern.
Was sind die wichtigsten Ziele der nächsten 20 Jahre?
Stroh: Oberstes Ziel muss sein, die Verantwortlichen der Region dazu zu bringen, bei verschiedenen Dingen an einem Strang zu ziehen. Hier gibt es jede Menge Handlungsbedarf. Die Inhalte muss man immer wieder auf den Tisch bringen – auch wenn es weh tut und vielleicht mal Ärger gibt. Das muss man dann auch aushalten. In anderen Regionen funktioniert das auch – etwa in in der Region Allgäu, hier ziehen in einer GmbH die Kammern, die Landräte, die Oberbürgermeister und andere Akteure zum Wohle der gesamten Region an einem Strang. Wenn es anderswo möglich ist, dann muss das auch bei uns gelingen.
Interview: Lydia-Kathrin Hilpert