Wirtschaftsbetrieb Fußballverein

Immer mehr Profi-Fußballklubs wagen den Schritt an die Börse, um ihr Bestehen zu sichern. Martin Kind spricht als erfolgreicher Unternehmer und Präsident von Hannover 96 im Interview über den Schritt von seinem Verein zu einem Wirtschaftsunternehmen.

Herr Kind, als Geschäftsführer der Kind Hörgeräte GmbH & Co. KG und des Fußballklubs Hannover 96 sind Sie täglich mit den Bereichen Sportwelt und Wirtschaft konfrontiert. Inwieweit muss heutzutage ein Fußballverein auch ein Wirtschaftsunternehmen sein, um bestehen zu können?

Kind: Meine Grundthese ist, dass Profi-Fußballvereine Wirtschaftsunternehmen sind. Sie sind wie ein Wirtschaftsunternehmen zu organisieren und zu führen. Im Bundesligafußball stehen verbandsrechtlich verschiedene Ausgliederungsmodelle zur Verfügung: Bundesligafußball als Verein mit einem steuerpflichtigen Teil, Bundesligafußball als Wirtschaftsunternehmen und den möglichen Rechtsformen der AG, der GmbH oder der GmbH & Co. KGaA. Additiv ist hier die 50+1-Regel zu beachten.

Ihr Vortrag beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer trägt den Titel „Hannover 96 – Ein Wirtschaftsunternehmen“. Wie gestaltet sich speziell Ihr Verein als Wirtschaftsunternehmen?

Kind: Ein Rückblick: Ich habe die Verantwortung 1997 übernommen. Die Analyse hat ergeben, dass Bundesligavereine Wirtschaftsunternehmen sind. Deshalb erfolgte die Ausgliederung des Profibereichs aus dem gemeinnützigen Verein in ein Wirtschaftsunternehmen. Hannover 96 hat die Rechtsform der GmbH & Co. KGaA gewählt. Das Kommanditkapital auf Aktien wird von Gesellschaftern aus der Stadt und Region Hannover gehalten.

Wie kam es zu dieser Entwicklung und warum war dieser Schritt vom Verein in die Geschäftswelt notwendig?

Kind: 1997 spielte Hannover 96 in der 3. Liga und befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Insolvenz. Die Probleme wurden analysiert und die Ausgliederung in ein Wirtschaftsunternehmen war zwingend notwendig, auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Sanierung. Abbau der deutlichen Verbindlichkeiten der Vergangenheit und gleichzeitig die Finanzierung der Entwicklung in die Zukunft wurden getätigt.

Woher stammt Ihre Leidenschaft für den Fußball?

Kind: Leidenschaft ist für Verantwortliche im Fußball kein guter Ratgeber. Meine Leidenschaft ist das ergebnisorientierte erfolgreiche Arbeiten.

Was können Sie aus Ihrer täglichen Arbeit bei Hannover 96 einsetzen?

Kind: Das unternehmerische Denken, die Bereitschaft von Annahme der Verantwortung und Entscheidungen sowie die Unternehmensstruktur mit der Anpassung auf die Besonderheiten des Fußballunternehmens.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer der Hörgeräte-Firma dennoch von der Führungstätigkeit in der Sportwelt?

Kind: Der Unterschied ist, dass im Wirtschaftsunternehmen Fußball alle Prozesse öffentliche Prozesse sind. Fußball ist ein emotionales und ergebnisorientiertes Produkt – von Woche zu Woche. Sie haben jeweils nur ein Jahr Zeit, um ihre Ziele zu erreichen.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Sport entwickeln?

Kind: Wirtschaft ist für Fußballunternehmen von hoher Bedeutung, zum Beispiel die Finanzierung der Haushalte. Darüber hinaus können Wirtschaftsunternehmen als strategische Partner Gesellschafter werden und können Vereine bei der Internationalisierung unterstützen.

Inwieweit wird der Sport an sich bei aller Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund gedrängt?

Kind: Der Sport wird nicht in den Hintergrund treten. Moderne Fußballarenen, Hochleistungssport, Wettbewerb, Emotionen – alles positive Eigenschaften, die den Sport beschreiben.

Was können Vereine oder die Sportwelt allgemein tun, um dies zu verhindern?

Kind: Der Sport steht im Mittelpunkt aller Entscheidungen. Er ist ein wettbewerbsfähiges Produkt. Alle anderen Entscheidungen müssen wir diesem unterordnen, auch die wirtschaftlichen.

Interview: Alexander Liedtke

Zur Person
Martin Kind (72) ist Eigentümer und Geschäftsführer der Kind-Gruppe, zu der unter anderem die Kind Hörgeräte GmbH & Co. KG gehört. Zudem ist er seit 1997 Präsident des Fußballklubs Hannover 96. Kind ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in einem Vorort von Hannover.

50+1-Regel
Die sogenannte 50+1-Regel ist eine Vorschrift des Deutschen Fußball Bundes und der Deutschen Fußball Liga. Die Regel besagt, dass Kapitalanleger keine Stimmenmehrheit in Kapitalgesellschaften besitzen dürfen, die von Fußballvereinen gegründet wurden. Die Vereine sind üblicherweise in Profimannschaften ausgegliedert.