Zeitenwende angebrochen

Die Weinbauern der Region stehen vor immensen Veränderungen: Seit Anfang des Jahres gelten neue Regelungen in Sachen Rebpflanzung. Kommerzieller Weinanbau ist künftig überall zulässig und nicht mehr begrenzt.

Neue EU-Weinanbauregelungen beschäftigen die Winzer in der Region Heilbronn-Franken. Die Änderungen des Weinbaurechts auf europäischer Ebene machen den Weingärtnern in Deutschland Sorgen. Zum 1. Januar ist der Anbaustopp für Rebflächen außerhalb von Steillagen weggefallen. Künftig können auf Antrag auch Flächen aus Steillagen auf Ackerland übertragen werden. Deshalb sorgt sich der Weinbauverband Württemberg und viele seiner Mitglieder um den Erhalt der traditionellen Weinbau-Kulturlandschaften mit seinen Steillagen über 30 Prozent an Neckar und seinen Nebenflüssen. Besonders betroffen ist die Region Heilbronn-Franken
mit seinen 70,4 Millionen Quadratmetern bepflanzter und 1,4 Millionen Quadratmetern gerodeter Rebfläche. Dazu beklagen die Weingärtner den hohen bürokratischen Aufwand, um das alte Pflanzrecht in das neue Genehmigungsrecht zu übertragen. Nun drohen Sanktionen mit bis zu 20 000 Euro Strafe, sofern man eine nach neuem Recht erteilte Pflanzgenehmigung nicht realisiert.

Lohnt sich der Weinanbau in Steillagen künftig noch? Diese Frage stellt sich für Weinbaupräsident Hermann Hohl und die Mitglieder des Weinbauverbandes. Die Meinungen in der Weinbaubranche der Region zum neuen EU-Recht sind geteilt. „Künftig entfallen die Sonderregelungen für den Weinbau. Unser Berufsstand wird wie andere landwirtschaftliche Gruppierungen behandelt“, erklärte Hohl auf den Bezirksversammlungen seines Verbandes und dem Württembergischen Weinbautag in Weinsberg. Der Verband habe es in Kooperation mit der Politik nicht geschafft, den Wegfall des Anbaustopps für Reben auf Ackerland zu verhindern. Auch aus touristischer Sicht sei ein Erhalt der Steillagen wichtig. Rudolf Nickenig, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, erklärte auf dem Weinbautag: „Wir haben diese Regelung nicht gewünscht, da der Systemwechsel der Weinwirtschaft bürokratische und finanzielle Nachteile gebracht hat.“

Man wolle nun zwei Jahre lang Erfahrungen sammeln, um dann bei der Evaluierung auf europäischer Ebene Verbesserungen anzustreben. „Dass Rebflächen auf Ackerflächen entstehen, ist für uns noch kein Thema, da dies Weine ohne geschützte geografische Herkunftsangabe sind und die Frage ist, ob dies in unserem Bereich des Weinmarktes überhaupt gefragt ist“, teilt Verkaufsleiterin Siegrid Ronowski von den Weingärtnern Markelsheim mit. „Wir haben als kleinere Genossenschaft bei Weinen ohne geschützte Herkunftsbezeichnung Vermarktungsnachteile“, sieht Otto Freyer, Vorstandsvorsitzender der Winzer vom Weinsberger Tal, einer Genossenschaft mit 700 Mitgliedern, das neue EU-Recht kritisch. Ulrich Meile, Vorstandschef der Weingärtner Lauffen, die mit 58 Hektar terrassierter Steillagen das größte Anbauareal in Württemberg bewirtschaften, sagt: „Fakt ist, dass Mitglieder bereits Anträge gestellt haben, um Flächen aus Steillagen in die wirtschaftlicher zu bearbeitende Ebene zu übertragen.“ Man suche gemeinsam nach Lösungen, diese einmalige Kulisse einer traditionellen Kulturlandschaft zu erhalten. Justin Kircher, Vorstandsvorsitzender Deutschlands größter Weingärtnergenossenschaft, der Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg meint: „Im Moment ist alles sehr ruhig, Ich habe das Gefühl, einige Mitglieder stehen in den Startlöchern.“ „Unserer Mitglieder brauchen Rechtssicherheit, wir werden deutschen Wein nicht ohne geschützte Herkunftsangabe produzieren“, erklärt Reinhold Fritz, Vorstandsvorsitzender der Hohenlohekellerei. Auf dem Schreibtisch von Patrick Schreieck, Weinbaureferent im Regierungspräsidium Stuttgart, stapeln sich derzeit 1100 Anträge für Pflanzgenehmigungen. Davon beziehen sich rund 1000 Anträge auf die Übertragung von altem Pflanzrecht in das neue Genehmigungssystem. Bisher gibt es nur wenig Anträge, um Rebflächen aus Steillagen in die Ebene zu verlegen“, stellt der Weinbaureferent fest. „Wir kaufen bereits Äcker, die wir bepflanzen wollen“, erklärt Selbstvermarkter Rolf Weibler aus Bretzfeld.

Gustav Döttling