Tristan Horx ist Zukunftsforscher wie sein Vater Matthias Horx. Im Interview geben Vater und Sohn Einblicke in die Unterschiede zwischen den Generationen und diskutieren, warum Unternehmen heute mehr denn je Mut und visionären Weitblick brauchen, um erfolgreich zu sein.
Sie gehören unterschiedlichen Generationen an, befassen sich beide mit Zukunftstrends. Wo unterscheiden sich Ihre Ansichten mit Blick auf die Zukunft am meisten?
Matthias Horx: Eher im Temperament als in den eigentlichen Ansichten. Tristan ist direkter, gradliniger, er haut auch gerne mal eine These raus. Das ist, glaube ich, eher altersbedingt als generationenbedingt. Grundsätzlich kommen wir aus derselben Denke: dem kritischen, humanistischen Langzeit-Denken. Das haben wir in der Familie so eingeübt, das ist gewissermaßen unsere geistige Toolbox.
Wie beschreiben Sie die Generation Ihres Sohnes in einem Wort?
Matthias Horx: Es gibt keine Generationen im eigentlichen soziologischen oder klar abgrenzbaren Sinn. Das ist ein Konstrukt, das sich hartnäckig hält.Generationen in einem engeren Sinn entwickeln sich nur in sehr großen Umwälzungen, etwa im Krieg, der ja die Lebenserfahrungen synchronisiert und radikalisiert. Tristans Altergruppe ist wahrscheinlich die vielfältigste, weil sie ja schon sehr lange im Wohlstand und in einer tendenziell globalen Welt lebt. Ich selbst bin noch von den Nachwehen und Traumatisierungen des Zweiten Weltkriegs geprägt. Aber auch meine Altersgruppe war schon sehr vielschichtig. Ich war damals eher ein Hippie, es gab aber auch Stämme wie Popper, Punks und jede Menge Angepasste. Angepasste gibt es heute womöglich weniger, alle sind ja am Selbstverwirklichen.
Und umgekehrt gefragt: Wie beschreiben Sie, Tristan Horx, die Generation Ihres Vaters?
Tristan Horx: Erfolgreich. Oft wird ihr nachgesagt, sie hätte den Planeten ruiniert. Vor allem die Umwelt: zu viel Benzin, Konsum und Hedonismus. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Generation die Welt nach dem zweiten Weltkrieg, damals am Rande des Untergangs, relativ erfolgreich repariert hat. Wer sich die globalen Entwicklungen ansieht, im Hinblick auf Wirtschaft, Wohlstand und Lebenserwartung, müsste eigentlich dieser Generation gelegentlich mal danken. Auch wenn die Jungen von damals manchen heute etwas spießig vorkommen. Rebellisch waren auch sie vor langer Zeit, man denke an die 68er Bewegung. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Matthias Horx, Sie sind seit mehr als 25 Jahren als Zukunftsforscher tätig. Gibt es eine Entwicklung in dieser Zeitspanne, die Sie besonders überrascht hat?
Matthias Horx: Die jetzige Omnikrise, in der die Megatrends plötzlich in eine andere Richtung rasen – von Globalisierung zu Nationalismus, von Individualität zu kollektivistischem Blödsinn, von Frieden zu Krieg – das hätte ich in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten.
Inwiefern kann man denn dann überhaupt die Zukunft voraussagen?
Matthias Horx: Kommt drauf an, was man unter Zukunft versteht. Will man exakte Daten, Ergebnisse, Details, dann braucht man Systeme, die sehr linear sind. Die gibt es in einer komplexen Welt aber immer weniger. Man kann besser Zukünfte voraussagen – in Form von Szenarien und Wahrscheinlichkeiten. Alles andere überlassen wir den Damen mit der Kristallkugel und den Propheten, die ja immer eine Zukunft verkünden, vor der sie warnen, mit dem Hinweis: Gebt uns euer Geld, damit das Schlimme nicht passiert.
Werden die Prognosen mit Blick auf die rasanten technologischen Entwicklungen schwieriger?
Matthias Horx: Nein, nicht wenn man ein solides Kontext-System hat, in dem man die systemischen Kontexte der Technologie modellieren kann. Allerdings ist es schwierig, mit den Ergebnissen Gehör zu finden. Es gibt so etwas wie eine Tech Bias. Technologien erzeugen gläubige Tribes, geradezu Technik-Religionen. Das kann man zum Beispiel an der KI feststellen – da gibt es ein Heer von Gläubigen, die sich von der Künstlichen Intelligenz die Menschheitserlösung erwarten. Und es gibt andere Tribes, die das für den Untergang der Menschheit halten. Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte, sondern in der soziokulturellen Adaption, die Zähmung, die alle Technologien am Anfang durchlaufen.
Tristan Horx, als Millennial sind Sie in einer Zeit der zunehmenden Komplexität aufgewachsen. Verändert das Ihren Blick auf die Zukunft?
Tristan Horx: Mir ist in den langen Gesprächen mit meinem Vater aufgefallen, dass die Zukunft früher wahrlich eine Bessere war. Der Optimismus des Aufschwungs, den habe ich noch in der Kindheit erlebt, aber seitdem rutschen wir gefühlt von einer Krise in die Nächste. Statt aber zu resignieren, werde ich gegenüber der Zukunft kämpferisch, sogar wütend optimistisch. Ich möchte das Übermorgen zurückerobern und nicht den Apokalyptikern überlassen. Es schmerzt mich umso mehr, wenn die jüngeren Generationen aufgeben, da wir schließlich zumindest statistisch noch am meisten Zukunft vor uns haben.
Gibt es auch Themen, bei denen sie komplett verschiedener Meinung sind, was unsere Zukunft angeht?
Matthias Horx: Wir sind neuliberale, grüne, konservative Sozialisten. Wir weigern uns, die Welt, die Zukunft, unter dem Blick der Spaltung wahrzunehmen.
Und in welchen Punkten sind Sie sich einig: Worauf dürfen wir uns, insbesondere mit Blick auf die Wirtschaft, im Jahr 2030 einstellen?
Tristan Horx: Alles wird anders, und vieles bleibt, wie es ist. Zumindest können wir davon ausgehen, dass wir an Peak-Carbon vorbei sind, sich unsere globalen Emissionen also reduzieren. Gute Nachrichten für die Umwelt, und auch die Wirtschaft. Das post-fossile Zeitalter lässt grüßen.
Was kann ein Unternehmen tun, um in einer zunehmend zukunftsängstlichen Gesellschaft Mut und Weitblick zu behalten?
Matthias und Tristan Horx: Eben genau das: Mut und Weitblick behalten, oder vielmehr entwickeln.
Zu den Personen
Matthias Horx gilt im deutschsprachigen Raum als einflussreicher Trend- und Zukunftsforscher. Auch sein Sohn Tristan bezeichnet sich als „Futurist“ und widmet sich der Gesellschaft von morgen. Ihre Horx Future GmbH in Wien ist ein „Familienbetrieb“ (www.horx.com): Auch Tristans Bruder Julian als Illustrator sowie Mutter Oona als Speakerin sind mit im Unternehmen. In das Future:Project (www.thefutureproject.de) der Familie sind weitere Experten eingebunden.
Interview von Teresa Zwirner