Zurück in die Zukunft

Foto: Adobe Stock/G. Lombardo

Einige Familienfirmen rechnen in Jahrhunderten, wenn es um ihre Geschichte geht und schauen auf eine Zeit, bevor es das Automobil gab, Otto von Bismarck Reichskanzler war oder Albert Einstein seine Relativitätstheorie geschrieben hatte. Wir stellen vier solcher Betriebe in der Region vor.

 

Sie lenken das Banken-Urgestein: Vorstand Harald Braun (links) und Vorstandsvorsitzender Dieter Karle. Foto: Volksbank Hohenlohe

Die Volksbank Hohenlohe mit Sitz in Öhringen gehört mit ihren 175 Jahren zu den ältesten Genossenschaftsbanken weltweit: Als sich im Jahr 1843 rund 50 Bürger für die Gründung ihres Vorläufers „Öhringer Privatspar- und Leihkasse“ im örtlichen Gasthof

zusammentaten, war das eine Zeit, in der der Eisenbahnverkehr erst langsam anrollte – die Erfindung des Automobils sollte gar noch ein paar Jahrzehnte auf sich warten lassen.

Der Verein sollte die damals vorherrschende mittelständische Kreditklemme beheben; die Mitglieder sollten Ersparnisse sicher anlegen und durch Anleihen gegen Bürgschaft oder auf Faustpfand den Personalkredit erhalten können. Ende des Jahres 1844 zählte er 90 Mitglieder, zur zweiten Verwaltungsperiode im Jahr 1853 waren es bereits 715 Mitglieder – durch Fusionen in den 1990er Jahren entstand mit der Volksbank Hohenlohe eine mittelgroße Bank, die von aktuell rund -45- 000 Mitgliedern getragen wird.

Nach zwei Weltkriegen und vier großen Wirtschaftskrisen, ist das Geldinstitut bis heute im Öhringer Zentrum fest verankert; mit acht Kompetenzzentren, 30 festen und 11 mobilen Geschäftsstellen bietet die Bank Service in sämtlichen Finanzfragen im Hohenlohekreis, dem Landkreis Schwäbisch Hall sowie dem Main-Tauber-Kreis.

Während bis vor einigen Jahren Beratung und Vertrieb vor allem durch persönlichen Kontakt geprägt waren, sind heute schnell abrufbare Dienste gefragt: Diesem Wandel ist die Volksbank Hohenlohe 2018 mit einer Digitalisierungsoffensive begegnet und hat IT-Lösungen entwickelt, um ihren Kunden omnikanal, also per App, E-Mail und Telefon zu begegnen.

 

Als Michael Weinig im Jahr 1905 einen Handels- und Fertigungsbetrieb ins Leben rief, veröffentlichte der 26-jährige Albert Einstein im gleichen Jahr wichtige Arbeiten zur Relativitätstheorie.

Nach dem Kriegsende im Jahr 1945 wurde das Unternehmen durch Bertold Weinig wieder aufgebaut. Nur zwei Jahre später kam es zu einer wichtigen Veränderung: Die Firma stellte die Produktion auf Holzbearbeitungsmaschinen um. Mitte der Siebziger Jahre begann bei Weinig die Produktion von Werkzeugschleifmaschinen und Automatisierungsanlagen – mit der Einführung der getakteten Fließbandmontage entwickelte sich der Betrieb zu einer der modernsten Fabriken weltweit in seinem Sektor. Die Produktpalette wuchs im Laufe der Zeit kontinuierlich an.

In den 1980er Jahren wagte das inzwischen zur Gruppe angewachsene Unternehmensgeflecht mit Sitz in Tauberbischofsheim einen Börsengang, den sie 2002 jedoch wieder beendete. Nach nunmehr 115 Jahren nach der Firmengründung zählt die Weinig-Gruppe rund 30 Tochtergesellschaften und Niederlassungen in Europa, Amerika, Asien und Australien.

Der Megatrend in der Holzwirtschaft heißt Industrie 4.0; seit letztem Jahr setzt auch Weining auf die digitale Revolution und verwirklicht das Konzept der „Smarten Werkstätte“ mit intelligenten, miteinander kommunizierenden Komplettlösungen innerhalb der einzelnen Produktionsabläufe.

Gregor Baumbusch ist seit letztem Jahr Vorstandsvorsitzender bei Weining, wo er vor allem die Digitalisierung vorantreiben soll. Foto: Weinig

 

Die Firmengeschichte des Bauunternehmens Leonhard Weiss reicht bis in die Jahrhundertwende zurück, als noch Wilhelm II. die Macht als Deutscher Kaiser innehatte. Die Firmenhistorie startete mit dem Auftrag der westdeutschen Eisenbahngesellschaft für den Streckenbau Aalen-Neresheim-
Ballmertshofen. Der Großauftrag bildete für Firmengründer Leonhard Weiss die Initialzündung zur Gründung seines Gleisbauunternehmens im schwäbischen Göppingen.

Die LW-Geschäftsführung in Satteldorf (v. l.): Robert Kreß, Alexander Weiss, 
Dieter Straub (Vorsitzender), Ralf Schmidt, Christian Ott, Marcus Herwarth, Stefan Schmidt-Weiss. Foto: Leonhard Weiss

1938 kam Crailsheim als zweiter Hauptstandort hinzu. Von der Jagstmetropole aus war es für das Bauunternehmen leicht, wichtige Märkte in Hohenlohe-Franken und Nord-Württemberg zu versorgen. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch bedeutende Verkehrsknotenpunkte wie die A6 und die A7 bedeutete noch einen weiteren Schub.

Seit vielen Jahren ist Leonhard Weiss in den drei Geschäftssparten Straßen- und Netzbau, Ingenieur- und Schlüsselfertigbau sowie Gleisinfrastrukturbau eine europaweite Größe in der Baubranche. Konjunkturelle Schwankungen und schwächelnde Phasen auf dem Bausektor hat Leonhard Weiss durch das breite Geschäftsspektrum und den heterogenen Kundenstamm in all den Jahren gut abfedern können. In den vergangenen Jahren hat das Bauuunternehmen auch die Digitalisierung der Baubranche vorangetrieben. Digitale Methoden im Bausektor wie Building Information Modeling (BIM) kommen bei Leonhard Weiss von der Planung über den Bau bis hin zur Gebäudeunterhaltung zum Einsatz.

 

Zwei Jahre bevor Otto von Bismarck zum Reichskanzler gekürt wurde, gründete Adalbert Fritz in Schmiedefeld am Rennsteig im Thüringer Wald ein Unternehmen zum Bau von Thermometern. Als Adalberts Sohn Franz im Jahr 1918 die Firma übernahm, nannte er sie „Adalbert Fritz und Sohn“ – die Telegrammabkürzung Afriso wurde so zum Firmennamen.

Jürgen (links) und Elmar Fritz führen den Betrieb bereits seit über 30 Jahren. Foto: Afriso

Nach dem Ersten Weltkrieg, als Lebensmittel knapp wurden, entwickelte Franz Fritz eine Instrumentenpalette für Brut- und Wärmeschränke, Thermometer, Temperatur- und Feuchtigkeitsmesser bis hin zu Eierdurchleuchtern für zu bebrütende Eier. 1924 folgte der Durchbruch mit einem Kapselfedermanometer, der in Blutdruckmessgeräten oder Temperaturreglern zum Einsatz kommt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges baute die Familie die Firma in Kleingartach und Güglingen wieder auf. Der Betrieb entwickelt seither im Bereich der Druck-, Temperatur- und Füllstandsmesstechnik, aber auch in der Smart-Home-Technologie eine Produktpalette, die bis heute weltweit in den unterschiedlichsten Branchen gefragt ist.

Heute hat der Betrieb weltweit 19 Standorte und 1100 Mitarbeiter – 550 von ihnen an den vier deutschen Standorten. Das Unternehmen wird inzwischen in vierter Generation geführt. Ein Überbleibsel der langen Tradition zeigt sich in der Firmenkultur, bei der der Nachhaltigkeitsgedanke eine große Rolle spielt. So wird in der Kantine regional gekocht und auf dem Areal in Güglingen sorgt eine Blühwiese für den Erhalt von Insekten.