Das Ende des Verbrennungsmotors, Klimaschutz und Digitalisierung werden die regionale Wirtschaft nachhaltig verändern. Das Bündnis für Transformation will die industriellen Stärken der Region erhalten.
Wir befinden uns bereits mitten in Veränderungsprozessen. Sind die Unternehmen in Heilbronn-Franken ausreichend darauf vorbereitet?
Steffen Hertwig: Die Region Heilbronn-Franken als dynamische, wirtschaftsstarke Region mit einem ausgeprägten produzierenden Gewerbe wird stärker als andere von der Transformation betroffen sein. Viele Unternehmen sind schon im Wandel. Aber die Ausgangsvoraussetzungen sind unterschiedlich. Großunternehmen gelingen strategische Anpassungen oft leichter, kleinere Firmen tun sich schwerer. Die Pandemie, Versorgungsengpässe und auch die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine führen dazu, dass Unternehmen genug mit Gegenwartsaufgaben zu tun haben. Trotzdem ist es wichtig, dass wir den Blick in die Zukunft richten.
Was kann das Bündnis konkret tun, damit kleine und mittlere Unternehmen nicht abgehängt werden?
Rudolf Luz: Größe ist kein Garant für Innovationsfähigkeit, schon gar nicht für Agilität. Wichtig ist, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf Zukunftsfähigkeit prüfen. Um dabei zu unterstützen, wollen wir professionelle Strukturen aufbauen und haben uns mit einem Fördermittelantrag für das Programm „Transformotive“ beworben. Wir rechnen mit einem positiven Bescheid, der mehr als zehn Millionen Euro an Fördergeldern in die Region bringen wird. Finanziert wird damit der Aufbau regionaler Netzwerke zur Förderung von Innovationen, zur Unterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle sowie der Weiterbildung der Beschäftigten. Dabei geht es um Verbesserung der regionalen Rahmenbedingungen für Unternehmen. Eine direkte Unterstützung von Firmen lässt der von der Bundesregierung gesetzte Förderrahmen nicht zu. Das Bündnis für Transformation hat aber auch nicht den Anspruch, den Unternehmen zu sagen, wo es langgeht. Es kann Orientierung geben und die regionalen Akteure zusammenbringen, damit gute und nachhaltige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft entstehen.
Wie sollten diese Rahmenbedingungen aussehen?
Hertwig: Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur oder nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum sind zum Beispiel Voraussetzungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Weitere wichtige Themen sind Standortattraktivität und Fachkräftebedarf. Der Fachkräftemangel wird nicht durch gegenseitiges Abwerben gelöst, daher muss es uns gelingen, Fachkräfte von außen zu bekommen. Hier sind zum Beispiel gemeinsame Anstrengungen der Wirtschaftsförderung hilfreich. Gleiches gilt für die Kooperation mit den Hochschulen und Weiterbildungsträgern, die durch Qualifikationsmaßnahmen dabei unterstützen können, dass Unternehmen innovationsfähig bleiben und ihre Nachhaltigkeit sichern.
Rechnen Sie damit, dass durch den Wandel Arbeitsplätze wegfallen?
Luz: Ohne Zweifel werden dort Arbeitsplätze verloren gehen, wo Teile für den Verbrennungsmotor produziert werden. Wichtig für die Region ist, dass die industriellen Kerne dennoch erhalten bleiben. Aber nicht nur Produktionsarbeitsplätze sind bedroht. Gefährdet sind auch Arbeitsplätze durch die Digitalisierung und künstliche Intelligenz in anderen Bereichen. Nehmen wir nur den Bankensektor oder die Verwaltung als Beispiele. Aber: Durch die demografische Entwicklung wird das Arbeitskräfteangebot stark zurückgehen. Wichtig werden Weiterbildung und berufliche Neuorientierung. Insbesondere in den MINT-Berufen wird die Nachfrage auch in Zukunft hoch bleiben.
Sie setzen auf ein breites Netzwerk, um die Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Warum ist ein starker regionaler Zusammenhalt wichtig?
Hertwig: Nur gemeinsam lässt sich die Transformation positiv bewältigen. Im Bündnis sind alle relevanten regionalen Akteure vertreten: die Kammern, die Sozialpartner, die Wirtschaftsförderung, die Agentur für Arbeit und die Politik. Austausch und die Kooperation schaffen ein kreatives Potenzial, das den Blick auf die Chancen lenkt.
Wie optimistisch blicken Sie auf die wirtschaftliche Zukunft der Region?
Hertwig: Wenn wir den Blick auf die Chancen richten, dabei Risiken nicht verkennen, jeder in seiner Verantwortung seine Aufgaben angeht und wir dort kooperieren, wo die Zusammenarbeit allen nutzt, können wir aufgrund der Stärken der Region zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Interview: Dirk Täuber
Zu den Personen:
Steffen Hertwig ist Oberbürgermeister der Stadt Neckarsulm und Koordinator des Bündnisses für Transformation.
Dr. Rudolf Luz war im IG Metall Vorstand tätig, ist zweiter Vorsitzender der Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken e. V. sowie stellvertretender Koordinator im Bündnis für Transformation.