Zwischen Stolz und Demut

style=“font-weight: bold;“>Am 28. März 1946 ist die erste Ausgabe der Heilbronner Stimme erschienen. Heute ist die Tageszeitung aus der Region nicht mehr wegzudenken. Ein Rück- und Ausblick zum 70. Geburtstag.

Herr Distelbarth, 70 Jahre Heilbronner Stimme. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Distebarth: Es ist eine Familientradition, die mich einerseits sehr stolz macht, die andererseits aber auch verpflichtet. 70 Jahre Heilbronner Stimme lösen in mir eine gewisse Demut aus. Denn der Blick zurück zeigt, mit welchen bescheidenen Verhältnissen das Unternehmen gestartet ist. Heilbronn lag 1946 in Schutt und Asche. Die Stadt war zerstört, es gab keine Räumlichkeiten. Hier musste enorme Aufbauarbeit geleistet werden – auch moralisch. Es fasziniert mich, dass diese Motivation da war. Mein Großvater war zu dieser Zeit immerhin schon 66 Jahre alt, er hat zwei Weltkriege miterlebt. Die Zeit nach dem Krieg war ein Moment des Neuanfangs und für ihn eine Möglichkeit, den Aufbau der Demokratie mitzugestalten – als Verleger. Das führe ich mir regelmäßig vor Augen. Man sollte immer im Hinterkopf haben, dass jede Zeit ihre Herausforderungen hat.

Sie haben die Geschäftsführung 1997 von Ihrem Vater übernommen. Wie hat sich die Heilbronner Stimme in diesen knapp 20 Jahren, in denen Sie den Verlag leiten, gewandelt?

Distelbarth: In dieser Zeit hat sich das Unternehmen massiv verändert und weiterentwickelt. Der Wandel hin zum Medienunternehmen hat schon unter meinem Vater begonnen. Er war ein Mann der Zukunft. Er hat sich stets Gedanken gemacht, wie diese aussehen soll und wie das Unternehmen sie mitgestalten kann. Entsprechend früh hat sich die „Stimme“ breit aufgestellt, das Portfolio erweitert, sich personell vergrößert und in moderne Technik investiert. Das machen wir auch heute noch so.

Wäre Ihr Vater heute stolz auf diese Entwicklung?

Distelbarth: Garantiert. Vor allem darauf, wie wir in die digitale Offensive gestartet sind. Mein Vater war bis zu seinem Tod 2012 im Firmenbeirat in die unternehmerischen Entscheidungen eingebunden und stolz auf die Entwicklung. Im Übrigen ist der Weg, den wir heute gehen, keine Erfindung von uns. Es ist die Fortsetzung dessen, was er bereits angelegt hatte.

Wie haben Sie die Bedeutung der Tageszeitung als Kind/Jugendlicher wahrgenommen?

Distelbarth: Als Kind habe ich das als nichts Besonderes empfunden, Sohn eines Verlegers zu sein. Das ist ja typisch für Kinder, die ihre Situation noch nicht aktiv reflektieren. Aber Medien waren immer Teil meines Alltags. Erst später, als Teenager, hat sich gezeigt, dass ich vielleicht eine andere Affinität zu Medien habe, als andere Jugendliche in meinem Alter. Der Umgang mit so komplexen Produkten wie „Zeit“ oder „Spiegel“ muss auch gelernt werden. Diese Möglichkeiten hatte ich.

Wie ist es heute?

Distelbarth: Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit Medien zu tun habe. Natürlich ist das auch durch meinen Beruf bedingt. Das Thema „Online“ treibt mich stark um: Die Frage nach der Aufbereitung der Informationen etwa. Wie erreiche ich die User, wo sind die Geschäftsmodelle für das digitale Zeitalter?

Die Medienbranche ist im Wandel. Was bedeutet das für die Tageszeitung Heilbronner Stimme? Was für das Medienunternehmen insgesamt?

Distelbarth: Das Flaggschiff des Medienunternehmens bleibt unsere Tageszeitung. Hier erreichen wir nach wie vor mit Abstand die meisten Leser. Dennoch: Zeitungsmacher müssen sich noch stärker auf digitales Lesen einstellen – entweder als Ergänzung oder als Ersatz zur gedruckten Ausgabe. Die Digitalisierung wird weiter an Bedeutung gewinnen und wir müssen mit noch mehr Innovation darauf reagieren. Trotz aller Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, bietet sie auch die Chance, Menschen, die nicht mit der Zeitung aufgewachsen sind, für sich zu gewinnen – durch die Nutzung unserer digitalen Produkte oder unserer Inhalte bei Facebook etwa.

Ein Blick in die Zukunft: Was glauben Sie, welchen Herausforderungen wird sich die Medienbranche stellen müssen?

Distelbarth:Die Nachfrage nach mobiler Information wird weiter zunehmen. Hier spielen Tablets und Smartphones eine entscheidende Rolle. Man muss sich die Möglichkeiten dieser Technik und die Interessen der Nutzer dabei bewusst machen: Die Bildschirmgröße ist begrenzt, Informationen möchten nur häppchenweise konsumiert werden. Die Fragen, die uns beschäftigen werden, sind: Welchen Content – sprich, welche Inhalte – stelle ich überhaupt zur Verfügung? Gibt es eine Zahlungsbereitschaft für die Produkte? Die Kosten müssen auch finanziert werden.

Ihr Vater trat die Geschäftsführung im Jahr 1955 an. Können Sie sich erinnern, welche Sorgen ihm die Branche damals bereitet hat?

Distelbarth: „Sorgen“ würde ich es nicht nennen, das wäre die falsche Begrifflichkeit. Es waren Herausforderungen der damaligen Zeit. Eines seiner Hauptthemen in den 60er und 70er Jahren war, wie das Wachstum den Verlag verändert. Die Organisation und die Strukturen mussten angepasst werden, auch die Arbeitsteilung schritt voran. Es konnte nicht mehr alles aus einer Hand gemacht werden. Und hinzu kam die weitere technologische Entwicklung, vor allem die Vorbereitung auf die Umstellung vom Bleisatz auf den Fotosatz Mitte der 70er Jahre.

Wie bereitet sich die Heilbronner Stimme auf anstehende Veränderungen vor?

Distelbarth: Ende 2014 wurde ein Großprojekt abgeschlossen. Dabei haben wir drei zentrale strategische Eckpfeiler des Unternehmens neu definiert: Wir haben in zwei neue Rotationsdruckmaschinen investiert, die digitale Offensive gestartet und das Zeitungskonzept „Z14“ vorbereitet und umgesetzt – und damit wichtige Kernbereiche sozusagen einmal rundum erneuert. Das war eine Herkulesaufgabe, die sich jedoch gelohnt hat. Es war ein großer Erfolg. Aber jetzt legen wir nicht die Hände in den Schoß, denn die Arbeit geht weiter, vor allem der digitale Wandel erfordert unsere Aufmerksamkeit. Und es gilt, die Mitarbeiter zu motivieren und mitzunehmen. Das versuchen wir auch auf unkonventionelle Weise, mit sogenannten Barcamps – eine Art Workshop ohne Agenda. Die Mitarbeiter können sich und ihre Ideen im Unternehmen einbringen, sich Gedanken machen – auf freiwilliger Basis natürlich. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Es entstehen zahlreiche konstruktive Ansätze.

Woran wird die Heilbronner Stimme festhalten?

Distelbarth: Festhalten werden wir sicherlich am Kern des Medienunternehmens – nämlich, eine Informationsplattform für die Menschen in der Region zu sein. Denn der Grundgedanke des Journalismus hat sich nicht verändert: Informationen, recherchierte Geschichten und andere Inhalte so schnell wie es geht, möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Was wünschen Sie dem Unternehmen für die nächsten 70 Jahre?

Distelbarth: Um es mit einem Satz zu sagen: viele an Informationen interessierte Menschen in unserer Region. Nur dann können wir mit engagiertem Journalismus erfolgreich sein – print wie digital.

Interview: Lydia-Kathrin Hilpert