„Wasser aus dem Kocher versorgt Schwäbisch Hall mit Wärme“ – bereits in der Heizperiode 2027/28 könnte mit der Hilfe von Aquathermie diese Schlagzeile Wirklichkeit werden.
Lässt sich Wärmeenergie aus dem Kocher gewinnen? Diese Frage wollten die Stadtwerke Schwäbisch Hall anhand einer Machbarkeitsstudie klären. Die Ergebnisse liegen nun vor. „Die Studie zeigt, dass uns die Aquathermie in Schwäbisch Hall einen Baustein für die Wärmewende liefern kann, und wann und wie wir das Potenzial konkret nutzen können“, erklärt Fabian Andrews. Er ist Leiter der Abteilung Kraftwerke/Wärmeverteilung bei den Stadtwerken.
Im nächsten Schritt wird nun ein Transformationsplan für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) erarbeitet; die Budgetplanung muss gemacht und das Genehmigungsverfahren durchlaufen werden. „Erst dann können wir wirklich mit der Umsetzung beginnen“, so Andrews. Um die zehn Millionen Euro soll es schätzungsweise kosten, bis das Wasser aus dem Kocher Heizkörper in Schwäbisch Hall wärmt. Mögliche Fördergelder nicht eingerechnet. Läuft alles nach Plan könnte es zur Heizperiode 2027/28 bereits so weit sein.
Eckdaten
- Geschätzte Kosten von 10 Millionen Euro bis zur Inbetriebnahme der Flusswasserwärmepumpe.
- 7200 Stunden pro Jahr kann das Kocherwasser für Aquathermie genutzt werden (Nutzung bis Minimum 5 Grad Celsius).
- Hub von drei Kelvin (Temperaturunterschied zwischen Aus- und Einleitung).
- Leistungskoeffizient (COP) von 2,5.
- 35 Gigawattstunden Wärme können jährlich in Summe erzeugt und damit 470 durchschnittliche Gebäude in Schwäbisch Hall ein Jahr mit Wärme versorgt werden.
- Aquathermie kann 20 Prozent der heute für das Schwäbisch Haller Wärmenetz erzeugten Energie aufbringen.
- 1500 Kubikmeter Wasser werden dem Kocher pro Stunde entnommen.
Potenzial der Aquathermie bisher kaum genutzt
Mit einem Gewässer vor der Haustür bietet das bislang kaum genutzte Potenzial der Aquathermie eine lokal verfügbare, regenerative und langfristige Energiequelle, die sich unkompliziert nutzen lässt. Der Nachteil: Der Nutzungszeitraum ist überwiegend auf Frühling und Herbst begrenzt. Das zeigt eine Studie, in Auftrag gegeben bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) zum theoretischen Potenzial zur Wärmeversorgung aus Flusswasser in Bayern. So wird, wenn der Fluss im Sommer am wärmsten ist, auch zum Heizen wenig Energie benötigt. Zudem steht für diese Zeit die günstigere Solarthermie zur Verfügung. Und im Winter sind nicht nur die Häuser, sondern auch das Flusswasser kalt. Auch darf das Flusswasser, damit es bei den Geräten zu keiner Vereisung kommt, nur bis zu einer Temperatur von fünf Grad Celsius genutzt werden. Die Berechnungen der Machbarkeitsstudie für den Kocher ergeben damit eine Flusswassernutzung von zirka 7200 Stunden pro Jahr. Erzeugt werden könnten damit um die 35 Gigawattstunden Wärme jährlich.
Ganz neu ist die Idee mit der Nutzung der Flusswasserwärme nicht. Bislang blieb das Potenzial jedoch weitgehend ungenutzt. Zwei Beispiele, die bereits in Betrieb sind, und in der Studie der FfE näher beleuchtet werden, sind die Flusswasserwärmepumpen in Rosenheim und Mannheim. „Für uns kann Flusswasserwärme ein Baustein zur Diversifizierung der Wärmeversorgung sein, ergänzend zu Solarthermie, Biogas und fester Biomasse“, erklärt Fabian Andrews. Laut Machbarkeitsstudie könnte der Kocher dann einen Anteil von 20 Prozent an der Energie liefern, die heute für das Schwäbisch Haller Wärmenetz benötigt wird.
Zwischenkreislauf schont das Flusswasser
Gewonnen wird die Wärmeenergie bei der Aquathermie mit einer Flusswasserwärmepumpe. In Schwäbisch Hall würde diese am größten Heizkraftwerksstandort, in der Salinenstraße, untergebracht. Mit starken Pumpen würde das Wasser zunächst aus dem Fluss entnommen, durch eine Filteranlage geleitet und dann durch einen Wärmetauscher geschoben, beschreibt der Abteilungsleiter das Prozedere. Anschließend geht es über einen Zwischenkreislauf auf eine zweistufige Wärmepumpe. Wichtig dabei: „Ganz bewusst wird das Flusswasser nicht in die Wärmepumpe geleitet. Ihm wird vielmehr Energie entzogen, die dann in einen Zwischenkreislauf kommt“, erläutert Andrews. Bei einer direkten Durchleitung des Flusswassers in die Wärmepumpe würde die Hitze alles Leben darin abtöten. Dank des Zwischenkreislaufs kann das Flusswasser nahezu unberührt und lediglich drei Grad kühler wieder zurückgeleitet werden. „Wichtig hierbei ist, dass Entnahme- und Einleitungsstelle weit genug voneinander entfernt sind, damit es zu keinem thermischen Kurzschluss kommt“, erklärt Andrews.
Entzogen wird dem Flusswasser durch die Aquathermie eine Energie von drei Kelvin. Laut Fabian Andrews ergibt sich daraus ein COP (Leistungskoeffizienten) von 2,5. Hinzu kommt der positive Nebeneffekt, dass das ohnehin zu warme Wasser des Kocher leicht abgekühlt wird.
Birgit Kalbacher