„Auf kommunaler Ebene sinnvoll“

In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. In diesem Zusammenhang lohnt es sich doch, mal wieder über das Wählen mit 16 zu diskutieren. Wir haben einen Juristen und Dozenten gefragt, welche Rolle die Altersgrenze bei der politischen Meinungsbildung spielt.

Herr Haug, in vier Bundesländern Deutschlands dürfen 16-Jährige aktuell wählen, in zwölf nicht. Was halten Sie von diesem Föderalismus? Sollten sich solche Regelungen nicht einheitlich auf die gesamte Republik beziehen?

Haug: Darin sehe ich kein Problem. Solange die Regelungen verfassungsrechtlich korrekt sind, kann jedes Bundesland selbst über das Wahlalter entscheiden. Natürlich gibt es ein Für und ein Wider, was die beiden unterschiedlichen Altersgrenzen angeht.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile, wenn Jugendliche bereits mit 16 anstatt mit 18 wählen dürfen?

Haug: Zunächst einmal ist beides mit dem Demokratieprinzip vereinbar. Doch es muss natürlich eine untere Altersgrenze geben. Für das Wählen mit 16 spricht das Einübungsargument. Vor allem auf kommunaler Ebene kann diese Grenze sinnvoll sein. Hier sind Personen und Themen noch konkreter und fassbarer als auf staatlicher. Andererseits ist bei den jüngeren Wählern der Anteil der weniger Interessierten höher. Hinzu kommt das Reife-Argument: Viele Jugendliche sind noch dabei, ihren Standpunkt zu entwickeln.

Glauben Sie, den 16-Jährigen ist es wichtig, ihre Stimme bei der Wahl abzugeben? Ist deren politische Meinung schon gefestigt genug?

Haug: Natürlich gibt es welche, denen das wichtig ist. Diese Gruppe kann sich aber auch unabhängig vom Wahlrecht engagieren, da man spätestens mit 16 in die Jugendorganisationen der politischen Parteien eintreten und sich dort einbringen kann. Der größere Teil der weniger Interessierten würde sich aber beim Thema Politik eher an seinen Eltern und Freunden orientieren.

Aus welchen Gründen wurde festgelegt, dass man erst mit 18 Jahren reif genug zum Wählen ist?

Haug: Das Ganze ist in ein Gesamtkonzept eingebettet. Es ist in sich schlüssiger, dass es eine weitgehend einheitliche Altersgrenze als sogenannte „Volljährigkeitsgrenze“ gibt. Diese auf 18 festzulegen, ist sinnvoll, da sie auch für andere gesellschaftliche und rechtliche Bereiche gilt. Das Wahlrecht darf nicht – nur weil es gerade eine Modeerscheinung ist – zum Spielzeug werden: Auf Bundes- und Landesebene ist es die höchste Form der Ausübung der Staatsgewalt des Souveräns. Da darf man schon einen gewissen Reifegrad verlangen und erwarten.

Hätten Sie persönlich gerne schon mit 16 Jahren wählen dürfen?

Haug: Ich hätte sofort wählen wollen, da ich mich sehr früh politisch interessiert habe, obwohl ich aus einem wenig politisierten Elternhaus komme. Für mich macht die Teilnahme an der politische Debatte fast noch mehr aus als das formale Wahlrecht.

Interview: Olga Lechmann

Zur Person

Prof. Dr. Volker M. Haug studierte in Tübingen Rechtswissenschaften, wo er 1992 die erste juristische Staatsprüfung ablegte. Zwei Jahre später promovierte er. Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung trat Haug 1995 in die Landesverwaltung Baden-Württemberg ein. Dort absolvierte er im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums verschiedene Stationen. Seit 2011 leitet er die Abteilung für Rechtswissenschaft im Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht der Universität Stuttgart.