Ende Juni eröffnete IPAI sein Besucherzentrum, den „IPAI Living Room“. Eines der Ziele: Akzeptanz für die neue Technologie zu schaffen. Auch für regionale Unternehmen lohnt sich ein Besuch: Viele stehen vor der Herausforderung, zu schnell zu viel von Künstlicher Intelligenz zu wollen.
Für Otto-Normal-Gastgeber ist es blanker Horror: Ein ganzes Wochenende lang bevölkern Scharen von Besuchern das eigene Wohnzimmer, wollen verköstigt werden, begutachten Einrichtungsgegenstände, fassen dieses und jenes an und probieren herum. Für Jan Denia, Sprecher des IPAI in Heilbronn, Baden-Württembergs Innovationspark für Künstliche Intelligenz (KI), war das keine Zumutung, sondern eine Freude.
Ende Juni eröffnete das Besucherzentrum der IPAI Spaces im Zukunftspark Wohlgelegen, und es dürften weit über 2000 Menschen – von der Familie mit neugierigen Kindern über Studenten bis zu Senioren – gewesen sein, die sich im so genannten IPAI Living Room umsahen und experimentierten. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl, zu sehen, wie das, was man sich überlegt hat, durch die Besucher zum Leben erweckt wird“, schwärmt Denia.
Die „gute Stube“: Der neue IPAI Living Room
Auf die Eröffnung des über 6000 Quadratmeter großen IPAI-Gebäudes im Vorfeld des diesjährigen Heilbronner KI-Festivals hatte das Team um Geschäftsführer Moritz Gräter lange hingefiebert. Dabei ist die gute Stube“ der Innovationsplattform lediglich das erste Zimmer des IPAI-Zuhauses. Im kommenden Jahr startet mit dem Bau des IPAI Campus der dritte Entwicklungsschritt. Dann soll der ringförmige Entwurf zur runden Sache für die wachsende IPAI-Community werden. Die besteht derzeit aus 36 Partnerunternehmen, darunter Audi, Fischer, ebm papst, Schunk und Würth.
Parallel zu Gebäuden und Infrastruktur soll auch der Leitgedanke weiter wachsen, mit dem IPAI 2022 antrat. Unternehmen bei den Herausforderungen der KI-Integration und digitalen Transformation zu unterstützen. Die größte dieser Herausforderungen: „Herauszufinden, welche KI-Daten überhaupt zielführend sind und dem Unternehmen Mehrwert bringen, wenn sie ausgewertet werden“, sagt Denia. Es sei ein Glücksfall gewesen, dass das IPAI noch vor dem großen KI-Hype gestartet sei.
Als ChatGPT das Thema in den Fokus des öffentlichen Interesses katapultiert habe, hätten sich einige Firmen in Zugzwang gefühlt. „Diesen Unternehmen mit IPAI bereits damals ein Zuhause bieten zu können, sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, war wichtig. Für uns ist KI kein Hype und keine Zukunftsmusik, sondern heute schon Realität und entscheidender Faktor in der Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Es hilft da nicht, KI nur um der KI-Willen zu machen, sondern langfristig für sich an Lösungen zu arbeiten und diese zu etablieren“, sagt Denia. Der richtige Ansatz sei, zu prüfen, wo ein Unternehmen in Produktion, Logistik, Dienstleistung oder Herstellung mit KI zielgerichtet Mehrwert schaffen könne, um Effizienz und Produktivität zu erhöhen, und sogar Fachkräftemangel aufzufangen.
Mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben
Wird KI dadurch also zum Arbeitsplatz-Killer und Ersatz für menschliches Wissen? Nein, sagt Denia: „Den Mangel haben wir ja schon. Um die Situation zu entschärfen, kann eine Produktivitätssteigerung der bestehenden Fachkräfte sinnvoll sein. Wenn Arbeitnehmer weniger Zeit für Routineaufgaben aufwenden müssen, weil gewisse Schritte von der KI übernommen werden, haben sie mehr freie Zeit für Tätigkeiten, die besser vom Menschen erledigt werden – etwa bei kreativen oder strategischen Aufgaben.“ Verantwortungsvoller KI-Einsatz sei auch beim Datenschutz wichtig. „Etwa, nur Daten zu sammeln und zu nutzen, die wirklich benötigt werden und so zu verwenden, dass die KI sie nicht zweckentfremden kann.“
Verantwortung bedeute, wirtschaftliche Lösungen anzustreben, „Künstliche Intelligenz als Unternehmer also nicht im Schnellverfahren einzusetzen, sondern sinnvoll in die Abläufe zu integrieren“, beschreibt es Denia. Im neuen Zuhause, den IPAI Spaces, soll das noch besser gelingen. Alle seien am Eröffnungstag begeistert gewesen – dafür nimmt man neugierige Besucher im eigenen Wohnzimmer gern in Kauf.
Natalie Kotowski