Folgt die Junior- der Seniorgeneration in einem Familienunternehmen nach, ist dies eine Chance. Eine Chance für Veränderung.
Unternehmergeist über Generationen und damit Innovation ist sicherlich eines der Lebenselixiere von (Familien-)Unternehmen, denn Innovation trägt maßgeblich zur Sicherung des langfristigen Überlebens bei. Innovation resultiert aber nicht nur in neuen Produkten und Dienstleistungen, sondern auch in neuen Prozessen, Organisationsstrukturen und Geschäftsmodellen. Innovation ist also am Ende vor allem die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen, die als unternehmerische Chancen wahrgenommen werden können. Da Familienunternehmen eine ganz klare Langfristorientierung haben – unter anderem, um das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben – spielen diese Anpassungen an neue Technologien und veränderte Kundenbedürfnisse eine entscheidende Rolle, denn Innovationskraft bedeutet hier letztlich auch Überlebens- und Zukunftsfähigkeit.
Die Forschung ist sich bei diesem Thema noch uneins: Einerseits werden Familienunternehmen als konservativ, vergangenheitsorientiert und änderungsresistent beschreiben, andererseits als überdurchschnittlich innovativ und wandlungsfähig. Betrachtet man den Lebenszyklus von Familienunternehmen, so kommen etliche Studien zu dem Schluss, dass die Innovationsneigung von Familienunternehmen im Laufe der Zeit – und von Generation zu Generation – abnimmt. Tatsächlich ist die Nachfolgephase aber insbesondere eine Chance für Veränderung. Innovation ist nämlich Teamsport. Wird die nächste Generation während der Nachfolgephase in betriebliche Abläufe und Entscheidungsprozesse eingebunden, so entstehen spezielle innovationsfördernde Situationen: zum einen durch den Nachfolger als Informationsträger und Netzwerkakteur und zum anderen durch die Zusammenarbeit zwischen Senior und Juniorgeneration.
Nachfolger, die in das Familienunternehmen eintreten, haben durch ihre Ausbildung, Berufserfahrung und ihre persönlichen Interessen andere Wissenshintergründe und andere soziale Netzwerke als die Vertreter der Seniorgeneration. Die Nachfolger haben damit Zugang zu neuen und anderen Informationen, die per se Innovation fördern können Darüber hinaus sind sie noch nicht „betriebsblind“, sondern sehen sich eher als „Chefquerulant“, indem sie beispielsweise rigide Denkmuster der Seniorgeneration hinterfragen.
Die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Junior- und Seniorgeneration verläuft naturgemäß nicht immer konfliktfrei und harmonisch – auch und insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich die Rollen Senior/Vater und Junior/Sohn beziehungsweise Tochter in der Praxis nur schwer genau trennen lassen. Wirft man einen Blick in die Konfliktforschung, wird schnell klar, dass sachliche Konflikte rund um Aufgaben und Prozesse durchaus positiv wirken – Beziehungskonflikte hingegen nicht. In Bezug auf Innovation sind eine offene Diskussionskultur und der rein sachliche Konflikt aber als sehr positiv zu bewerten, da durch intensiven Austausch Entscheidungen wirklich abgewogen werden. Auch, weil wie bereits erwähnt rigide Denkmuster hinterfragt werden, welche Innovation oftmals verhindern. Ein weiterer Faktor, der sich positiv auf Innovation während der Nachfolge auswirken kann, ist ein eher pragmatischer. Während der Phase der gemeinsamen Zusammenarbeit stehen üblicherweise schlicht und einfach mehr Ressourcen zur Verfügung, um neben dem Tagesgeschäft noch Innovationsaktivitäten zu verfolgen.
Auch die Autoritätsstrukturen zwischen den Generationen spielen eine nicht unwesentliche Rolle bei der Innovation. Diese Autoritätsstruktur ist während der Nachfolgephase ohne Frage deutlichen Veränderungen unterworfen. Während eine Zentralisierung von Entscheidungsgewalt und eine hohe Autorität der Seniorgeneration zwar schnelle und klare Entscheidungen erlauben, limitieren diese Faktoren den Informationsaustausch und partizipative Entscheidungsprozesse – und dadurch letztlich auch die Entstehung von Innovation. Damit das Wissen, die Ideen und die Informationen, die der Nachfolger ins Familienunternehmen bringt, auch wahrgenommen, auf Augenhöhe zwischen den Generationen diskutiert und möglicherweise auch umgesetzt werden können, muss der nachrückenden Generation also ein gewisses Maß an Entscheidungsgewalt und Handlungsspielraum eingeräumt werden. Dies erfordert jedoch ein schrittweises „Loslassen“ der Seniorgeneration und gleichzeitig die Bereitschaft der Juniorgeneration, die damit einhergehende Verantwortung auch anzunehmen.
Die Verknüpfung der Nachfolgephase mit Innovation ist ein möglicher Erklärungsansatz, um in differenzierter Weise die Innovationsfähigkeit von Familienunternehmen im Zeitablauf zu betrachten und letztlich besser zu verstehen, unter welchen Rahmenbedingungen diese über Generationen gesichert respektive erhalten werden kann. Denn eines steht außer Frage: Ein bedeutender Anteil der Familienunternehmen wird schon seit mehreren Generationen erfolgreich weiterentwickelt. Deren Geheimnis könnte unter anderem sein, dass die nachfolgenden Generationen eine sinnvolle Symbiose mit der Seniorgeneration eingehen und trotzdem Veränderungen initiieren, um somit weiterhin zukunftsfähig zu bleiben.
Dr. Ursula Koners
Zur Person
Dr. Ursula Koners ist Managerin des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen | FIF an der Zeppelin Universität und Programmdirektorin eines speziellen Master-Studiengangs für Nachfolger von Familienunternehmen (executive Master for Family Entrepreneurship). Davor war sie in verschiedenen Funktionen bei renommierten Familienunternehmen tätig.