Damit Pflege mehr wert ist

Reformiert die Politik Gesetze, so bedeutet das für die Betroffenen meist einen Nachteil gegenüber dem, wie es vorher war. Nicht so bei der Pflegeversicherung. Das neue Pflegestärkungsgesetz, das ab dem 1. Januar 2017 in Kraft tritt, hat keinen Haken.

Knapp 18.000 Pflegebedürftige leben in der Region Heilbronn-Franken. Mariena Welz ist eine davon. Die 62-Jährige aus Gaildorf ist von Geburt an stark sehbehindert und hat aufgrund der Menge verschiedener Medikamente, die sie einst über einen langen Zeitraum nehmen musste, eine schwere Nierenschädigung davongetragen. Als Konsequenz muss sie nun dreimal pro Woche zur Dialyse. Gepflegt wird die Frau, die 32 Jahre lang als Phonotypistin bei der Bundesagentur für Arbeit tätig war, von ihrem Bruder Klaus. Im Übrigen ist das durchaus keine Ausnahme, sondern die Regel in der Region. Nach einer Auswertung des Statistischen Landesamts im Jahre 2013 werden in jedem der vier Landkreise deutlich mehr Versicherte der gesetzlichen Krankenkasse AOK zu Hause von Angehörigen gepflegt. Der Wert liegt überall bei knapp 50 Prozent. Davon gehören wiederum die meisten Pflegebedürftigen dem weiblichen Geschlecht an. In jedem Landkreis sind es fast doppelt so viele Frauen wie Männer, die der Pflege – ob zu Hause, durch ambulante Dienste oder vollstationär im Heim – bedürfen.

Um für den Fall der Fälle abgesichert zu sein, werden neben den Beiträgen für die Krankenversicherung seit 1995 auch Pflegeversicherungsbeiträge fällig. Tritt eine Pflegebedürftigkeit ein, hat man Anspruch auf Sach- oder Geldleistungen. Bisher war es so, dass es drei Pflegestufen gab, von denen die Höhe der Leistungen abhing. Ab dem 1. Januar 2017 tritt nun ein neues Gesetz in Kraft, das sogenannte Pflegestärkungsgesetz II. Dieses bringt einige Änderungen mit sich – und viele Vorteile. So wird es künftig anstelle von drei Pflegestufen fünf Pflegegrade geben. Außerdem wird ein neues Begutachtungsverfahren zugrunde gelegt, bei dem nach dem Grad der Selbstständigkeit des Betroffenen bemessen wird. Als Zuweisungsgrundlage für den jeweiligen Pflegegrad fungieren sechs Module. Eine entscheidende Neuerung ist außerdem, dass Demenzkranke gleichberechtigt werden.

„Man hat aus den Erfahrungen mit dem alten Pflegebedürftigkeitsbegriff gelernt und die tatsächliche Situation der Betroffenen stärker mit einbezogen. Für sie war es schwer zu durchschauen, warum sie welcher Pflegestufe zugewiesen wurden“, sagt Jürgen Heckmann, stellvertretender Geschäftsführer der AOK Heilbronn-Franken. „Mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz wird eine Verbesserung für die Patienten erreicht.“ Die Kehrseite der Medaille sind die Herausforderungen für die Krankenkassen, aber auch für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie für die Pflegedienste. Die Bevölkerung muss informiert, Personal geschult und aufgestockt sowie das System umgestellt werden.

Was bedeutet nun die Gesetzesänderung für die sogenannten Altfälle? „Die Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade erfolgt für alle automatisch, eine Neubegutachtung ist nicht erforderlich“, betont Heckmann. Die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen müssten daher nicht tätig werden. Grundsatz sei überdies, dass niemand durch die Neuregelungen schlechter gestellt oder einen geringeren Leistungsanspruch haben wird.

Für Mariena Welz, die sich in Pflegestufe 1 befindet, bedeutet das eine automatische Überleitung in Pflegegrad 2 – und damit, dass sie finanziell bessergestellt wird.

Olga Lechmann

Auf einen Blick

  • Fünf Pflegegrade statt bisher drei Pflegestufen

  • Neues Begutachtungsverfahren mit Grad der Selbstständigkeit des Menschen als Maßstab

  • Menschen mit Demenz werden gleichberechtigt

  • Sechs Module als Zuweisungsgrundlage für den jeweiligen Pflegegrad

  • Grundsatz: ambulant vor stationär