Milchbauern haben ein Problem: Der Preis für ihr Erzeugnis ist seit einigen Jahren im Keller. Das stellt für viele eine unüberwindbare Herausforderung dar. Ein Statusbericht.
Samstagmittag, 9 Uhr, Zeit zum Einkaufen. Der Weg lockt in die großen Filialen in den Gewerbegebieten der Region. Der Einkaufszettel ist geschrieben. Gartenarbeit steht an diesem Nachmittag noch an – schließlich lacht der Frühling schon in voller Pracht. Der Einkaufswagen ist schnell geholt, ab ins Getümmel. Die ersten Angebote stehen schon vor der Obst- und Gemüseabteilung. Auch das, was für die Gartenarbeit gebraucht wird, findet sich hier. Unter anderem ein allseits beliebter Dünger – Rinderdung. Damit das Gemüse im Sommer schmeckt und biologisch heranwächst, wandert ein 5-Kilo-Eimer in den Wagen. Und weiter geht es, die Lebensmittel werden eingekauft, die im Alltag nicht fehlen dürfen: Brot, Kartoffeln, Milch und Butter sind nur ein Teil davon. An der Kasse die Verwunderung: Der Liter Milch kostet gerade einmal 89 Cent. Der Rinderdung stolze sechs Euro – ein Kilo kostet demnach 1,20 Euro und damit fast 30 Cent oder anders gesagt fast 35 Prozent mehr. Ist Mist in unserer Gesellschaft mehr Wert als ein Grundnahrungsmittel?
„Die aktuelle Preismisere, unter der viele Milchbetriebe und Schweinehalter in Baden-Württemberg leiden, ist eine große Bedrohung für unsere bäuerliche Landwirtschaftsstruktur“, sagt der baden-württembergische Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Alexander Bonde.
Bereits in der Vergangenheit haben Landwirte auf diesen Missstand hingewiesen – und ihre Erzeugnisse als Symbol für ihre Situation lieber in der Kanalisation herunter gespült, anstatt sie unter Wert an den Mann zu bringen. Ein Hilferuf, der bislang auf taube Ohren stößt – auch bei den Verbrauchern. „Verbraucher entscheiden über ihr Einkaufsverhalten mit über die Zukunft unserer landwirtschaftlichen Betriebe. Indem sie zu regionalen Produkten greifen und diese entsprechend bezahlen, unterstützen sie unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Die Bewirtschaftung und den Erhalt unserer Kulturlandschaften können unsere Bauern nur leisten, wenn sie für ihre Produkte einen fairen Preis erhalten. Milch zu Dumping-Preisen hält keine Täler offen“, appelliert Bonde an die Vernunft der Menschen in Baden-Württemberg.
Doch was ist der Grund für die Misere? „Beim Milchpreis ist die Lage weiterhin extrem angespannt. Ursache der aktuellen Marktkrise ist ein Überangebot von Milch am Markt“, erklärt der Minister. Auch viele Molkereien seien mittlerweile am Limit. Deswegen zahlten jetzt schon die ersten Betriebe den Landwirten freiwillig zwei Cent pro Liter Milch, wenn sie nicht mehr abliefern als bisher. Es gleicht einem Teufelskreis, einer schier unlösbaren Situation. Denn auf diese Weise geraten immer mehr Milchbauern in finanzielle Notlagen – ein Ausweg daraus scheint jedoch nicht in Sicht. Wie kann das sein? Gehört Milch doch zu den Lebensmitteln, die unseren Alltag begleiten – schon von Anbeginn unseres Daseins an. Es bleibt abzuwarten, ob sich die großen Konzerne, die die Preise drücken, dieser sozialen und gesellschaftlichen Herausforderung stellen. Dafür müssen aber wir – als Verbraucher – Einsicht zeigen und bereit sein, mehr zu bezahlen.
Lydia-Kathrin Hilpert und Anja Gladisch