Für viele Mütter ist es nicht einfach, wenn die Kinder selbstständig und erwachsen werden. Wie muss es dann für eine Frau sein, wenn der eigene Sohn mit gerade einmal Ende 20 die Führung eines Unternehmens mit mehreren Tausend Mitarbeitern übernehmen soll? Wir haben bei Ursula Berner nachgefragt. Denn sie hat genau das erlebt.
Eine Mutter nimmt in jeder Familie eine zentrale Rolle ein. In der Tierwelt etwa würde ein Junges ohne sie nur wenige Tage überleben. Doch die Bedeutung der Mutter geht weit über das reine Überleben hinaus – bei Mensch und Tier. Sie ist Bezugsperson und Ruhepol, Stütze und Förderin, die gute Seele. Sie ist verständnisvoll, stellt sich schützend vor ihre Lieben und ist da, wenn man sie braucht. Es ist ganz einfach: Eine Mutter kann durch niemanden ersetzt werden – in kaum einer Familie. Auch dann nicht, wenn die Familie Berner heißt und sich hinter dem bekannten Namen das gleichnamige Handelsunternehmen, das rund 9.000 Mitarbeiter beschäftigt, verbirgt.
Ursula Berner ist eine Frau, die das Familienunternehmen prägte und bis heute prägt – als Mutter von Christian Berner, heutiger Vorstand der Berner-Gruppe, einerseits und als Ehefrau von Albert Berner, der die Firma vor 60 Jahren gegründet hat, andererseits.
Seit über 50 Jahren ist sie an der Seite ihres Gatten; hat die Entwicklung des Unternehmens über viele Jahrzehnte hinweg aktiv begleitet und mitgestaltet; kennt ihren Ehemann Albert wie kaum ein anderer Mensch; weiß um seine Stärken und Schwächen. Und ebenso gut kennt sie ihren Sohn; kann ihn einschätzen; weiß, wie er etwa in Stresssituationen reagiert, was für ein Typ er ist.
Im Oktober 2012 hat Ursula Berner hautnah miterlebt, wie – nach 15 Jahren – mit Sohn Christian wieder ein Familienmitglied die Führung des Traditionsunternehmens angetreten ist. „Es war vor allem der Wunsch meines Mannes, dass Christian die Geschäftsführung übernimmt“, sagt Ursula Berner und ergänzt: „Er wollte das geregelt haben und es selbst noch miterleben.“ Ein Wunsch, der nachvollziehbar ist: Albert und Christian Berner trennen stolze 50 Lebensjahre. Albert Berner wollte die erfolgreiche Fortführung des von ihm geschaffenen Unternehmens in Sicherheit wissen. Das Problem, wenn man es denn so nennen kann: Sohn Christian war zu dieser Zeit gerade einmal 28 Jahre alt, zwar mit dem Studium der Betriebswirtschaftslehre fertig, aber noch mitten in der Doktorarbeit. „Ich hatte viele schlaflose Nächte deswegen“, erzählt Ursula Berner und lacht dennoch herzlich. „Es war mir nicht wirklich recht, dass Christian in so jungen Jahren schon so viel Verantwortung übernehmen sollte. Ich hatte Bedenken, dass wir von ihm zu viel verlangen und ihn möglicherweise überfordern würden. Als Mutter hätte ich ihm stattdessen einfach noch etwas mehr Zeit gewünscht.“
Albert Berner war die Triebfeder, diesen Gedanken dennoch mit Leben zu füllen: „Mein Mann war sich absolut sicher, dass Christian das schaffen würde. Es war so ein Bauchgefühl von ihm.“ Ein Bauchgefühl, das sich heute – rund fünf Jahre später – als richtig erwiesen hat: Die Berner-Gruppe wächst kontinuierlich, das Unternehmen entwickelt sich positiv. „Mein Mann hatte recht – Christian macht das großartig.“
Dieses Wissen beruhigt die 73-Jährige heute sehr, auch wenn sie immer daran geglaubt hatte, dass ihr Sohn einmal einen solchen Weg beschreiten würde: „Christian war schon immer ein Macher, ein Leader-Typ. Er ist – ähnlich wie sein Vater – sehr willensstark. Was er sich vornimmt, möchte er auch erfolgreich umsetzen.“
Was aber wäre gewesen, wenn sich der Sohnemann gegen eine Karriere im eigenen Unternehmen entschieden hätte? „Mein Mann und ich haben oft darüber gesprochen. Wir waren uns einig: Auch diese Entscheidung hätten wir selbstverständlich akzeptiert.“ Beiden, Vater und Mutter, sei wichtig, dass die Kinder glücklich sind mit dem, was sie tun. Egal, was es ist. Das Wohl der Kinder habe für die Eltern immer im Vordergrund gestanden. „Unsere Tochter hat sich für einen anderen Weg, außerhalb des Familienunternehmens, entschieden. Sie hat ihr eigenes Unternehmen und ist erfolgreich.“
Dennoch: Dass ihr Sohn diesen und keinen anderen Weg eingeschlagen hat, macht Ursula Berner stolz – das merkt man. „Christian ist sehr ehrgeizig und bestrebt, auch Großes durchzuziehen. Er ist ein Visionär, wie sein Vater.“ Es sind solche Eigenschaften, die sie sowohl im Ehemann als auch im Sohn erkennt – obwohl sie sich in manchen Dingen auch deutlich voneinander unterscheiden: „Mein Mann ist direkter. Er sagt frei heraus, was er denkt. Manchmal ist er vielleicht ein bisschen zu direkt“, charakterisiert sie ihren Albert – einen typischen Hohenloher – und fügt schmunzelnd hinzu: „Da ist der Christian schon anders. Er ist diplomatischer, erklärender.“
Christian Berner hat das Unternehmen verändert und wird es weiter tun – nicht nur aufgrund seiner persönlichen Charakterzüge. Es war eine bewusste Entscheidung: „Christian hatte von vornherein gesagt: ‚Wenn ich das mache, dann auf meine Weise.‘ Ich bin sehr stolz auf meinen Mann, dass er loslassen und zurücktreten kann.“
Das ist bei Firmeneigentümern nicht immer einfach – insbesondere dann nicht, wenn sie das Unternehmen selbst gegründet und aufgebaut haben. „Das Unternehmen ist in guten Händen. Das weiß mein Mann. Er verinnerlicht es. Er darf stolz sein auf diese großartige Firma.“ Ursula Berner ist es jedenfalls – auf ihren Gatten, ihren Sohn, auf das Familienunternehmen. Und worauf noch? „Dass ich es geschafft habe, mich nach Beendigung der Aufsichtsratstätigkeit nicht mehr ins operative Geschäft einzumischen und dass zwischen meinen beiden Männern nur noch im Unternehmen, nicht mehr daheim, über die Arbeit gesprochen wird“, verrät sie mit einem Augenzwinkern.
Lydia-Kathrin Hilpert