Laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ende Feburar dürfen Dieselfahrzeuge prinzipiell aus der Innenstadt ausgeschlossen werden. Wichtig ist vor allem, die Stickoxidbelastung zu senken. Doch hier sind nicht nur die Kommunen in der Pflicht. Auch Autoindustrie und Politik müssen handeln.
Der 27. Februar 2018 wird wohl in die deutsche Automobil-Geschichte eingehen. An diesem Tag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Diesel-Fahrverbot in Städten grundsätzlich für zulässig erklärt. Gezwungen zum Handeln sind vor allem die Städte Stuttgart und Düsseldorf, die ihre Luftreinhaltepläne wohl recht schnell nachbessern werden. Bundesweit werden in rund 70 Gemeinden die zulässigen Grenzwerte für die Belastung der Luft mit giftigen Stickoxiden überschritten.
Neben Stuttgart und Düsseldorf sind von dieser Überschreitung auch Metropolen wie Frankfurt am Main, Berlin, Köln oder München betroffen. Das Urteil sieht zudem Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. Rund 15 Millionen Dieselfahrzeuge gibt es auf deutschen Straßen – und vor allem bei deren Besitzern geht bereits die Angst um. Darf ich bald nicht mehr in bestimmte Städte einreisen? Ist mein Auto überhaupt noch etwas wert? Soll ich schnell verkaufen oder kann ich mein Auto gar nachrüsten lassen – oder steige ich direkt auf ein Elektroauto um?
Bevölkerung in Sorge
Vor allem bei den Handwerksbetrieben hat das Gesetz eine Menge Unmut hervorgerufen, denn die meisten Betriebe setzen hauptsächlich Dieselfahrzeuge ein. Größtenteils für die kleineren Betrieben wäre ein Fahrverbot existenzbedrohend. Die Sorgen sind groß, obwohl Ausnahmeregelungen für Handwerksbetriebe bereits auf der Agenda stehen. Aber: Etwaige Ausgleichspflichten werde es nicht geben, Wertverluste für Fahrzeuge seien hinzunehmen.
Natürlich hat auch die Bundesregierung mitgekommen, dass die Bevölkerung in Sorge ist und bis jetzt versucht sie wohl auch, generelle Diesel-Fahrverborte abzuwenden. Der Leipziger Richterspruch bedeute nicht, dass von heute auf morgen Diesel-Fahrverbote in Kraft treten, sagte die zum Zeitpunkt des Urteils geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Das Gericht hat keine Fahrverbote verhängt“, stellte sie klar. Es gebe „viele Instrumente“, um die Schadstoffbelastung in der Luft zu senken.
Der Druck auf die Automobilindustrie indes wächst ebenfalls immens. Sie muss in Zukunft dafür sorgen, dass möglichst stickoxidarme Automobile auf den Markt gelangen. Die Elektromobil-Industrie dagegen dürfte sich die Hände reiben. 2019 und 2020 soll, so Experten, eine erste Offensive seitens der Elektroautomobil-Hersteller gestartet werden. Ein weiteres Problem entsteht für die Händler: Es gibt hohe Rücklaufwerte speziell für geleaste Diesel. Bei den Gebrauchtwagenhändlern sinken die Verkaufspreise um etwa zehn Prozent für Dieselfahrzeuge. Denn: Wer kauft sich in der aktuellen Lage schon einen Diesel?
Blaue Plakette
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann will einen neuen Anlauf für eine blaue Plakette starten. Das Land werde auf die Bundesregierung zugehen und die Einführung der Plakette anmahnen, so Kretschmann. Denn diese sei unabdingbar, um einen Flickenteppich bei Fahrverboten zu vermeiden und eine effektive Kontrolle der Verbote zu ermöglichen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass eine dunkelblaue Plakette für die neuesten Dieselfahrzeuge mit geringen Stickoxidausstößen eingeführt wird. Eine hellblaue Kennzeichnung soll für etwas ältere Dieselfahrzeuge dienen, die vergleichsweise sauber sind.
Die Stadt Heilbronn ist vom Urteil nicht überrascht. „Das ist ein Erfolg für die Deutsche Umwelthilfe und setzt das Land unter Druck, möglichst rasch die Luftreinhaltepläne fortzuschreiben“, so Oberbürgermeister Harry Mergel gegenüber der „Heilbronner Stimme“. Dies betreffe auch Heilbronn, um Fahrverbote zu verhindern. „Für uns steht der Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung an erster Stelle. Gleichzeitig gilt es, die Innenstadt, den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten“, so Mergel weiter. Die Messanlage für Luftschadstoffe in der Weinsberger Straße in Heilbronn zeigt indes an, dass die Werte in den vergangenen Jahren zurückgegangen sind, aber immer noch über dem Grenzwert liegen. Im Negativranking der Städte, die die Werte überschreiten, lag Heilbronn auf dem siebten Platz – nur zwei Plätze hinter Düsseldorf.
Timo Lämmerhirt