Heilbronn-Franken ist längst kein Geheimversteck für den innovativen Mittelstand mehr – sondern eher ein Geheim-Tipp. Hidden Champions in Heilbronn-Franken gibt es viele.
Wer als Kind manchmal Verstecken gespielt hat, kennt das: Schon wenige Minuten stocksteif in einem Kleiderschrank oder zusammengekauert unter einem Busch genügten, um gefunden zu werden. Ähnlich ist es bei Hidden Champions. Darunter versteht der ehemalige BWL-Professor, Unternehmer und Autor Hermann Simon mittelständische Unternehmen, die in ihrem Segment zur Spitzenklasse auf dem Weltmarkt gehören. Simon war es, der den Begriff Hidden Champions für Global Player schuf, deren Namen Otto Normalbürger normalerweise nicht kennt. Wie beim Versteckspiel sind sie mit ihren oft hochspezialisierten Produkten und Leistungen für die Allgemeinheit kaum sichtbar – so wie jemand hinter einer Schranktür für den Suchenden beim flüchtigen Blick ins Zimmer unsichtbar bleibt.
Branchenkenner und Geschäftspartner hingegen wissen, wo sie Hidden Champions und innovative Unternehmen auf dem Weg an die Spitze finden: Viele sitzen in Heilbronn-Franken. „Kein anderes Land hat so viele Hidden Champions wie wir“, sagt Simon in einem Interview gegenüber dem Informationsdienst des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). 4000 Hidden Champions gebe es weltweit, davon 1600 in Deutschland. Wer auf einer imaginären Landkarte noch näher herangezoomt, blickt unweigerlich auf Heilbronn-Franken. Unsere Region hat eine Vielzahl an vermeintlich im ländlichen Raum versteckten Unternehmen, die aber dank eines fast konkurrenzlosen Know-hows in ihrer jeweiligen Marktnische weltweit erfolgreich agieren.
Heilbronn-Franken birgt in vielen Bereichen großes Potenzial
Einer der Bereiche, für den die Region Heilbronn-Franken zunehmend zum Parade-Standort werden könnte, liegt in innovativen Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz. Auch der Strukturwandel der Wirtschaft hin zu Nachhaltigkeit, insbesondere Dekarbonisierung, bietet Unternehmen in unserer Region aktuell die Chance, selbst ein Hidden Champion zu werden. Dieser Bereich habe enormes Potenzial, viele Hidden Champions steckten schon mitten in der Transformation, betont Simon im IW-Interview. „Die meisten Akteure in diesem Bereich starten in Nischenmärkten wie dem Wasserstoff oder mit neuen Materialien. Das ist genau das richtige Spielfeld für diese Unternehmen.“
Potenzial gebe es auch in den Bereichen Recycling und Remanufacturing. Man muss nicht lange suchen, um in Heilbronn-Franken Beispiele für Innovationskraft in zukunftsträchtigen Segmenten wie KI und Wasserstofftechnik, aber auch in regionalen Klassikern wie dem Automotive-Bereich und im Maschinenbau zu finden.
Hidden Champions in Heilbronn-Franken
Eines davon ist die csi Entwicklungstechnik. 1995 wurde der Entwicklungspartner für die Automotive-Industrie in Neckarsulm gegründet. „Wir haben den Standort damals gewählt, um eine räumliche Nähe zu den ersten Kunden zu ermöglichen“, begründet csi-Geschäftsführer Mathias Leixner. „Diese Kundennähe war und ist auch bei unseren weiteren Standorten immer ausschlaggebend“ – unter anderem in den „Autostädten“ Sindelfingen, München, Weissach, Ingolstadt oder Wolfsburg. In Heilbronn-Franken scheint der Motor für Wachstum am hochtourigsten zu laufen: „Spannenderweise ist unser Neckarsulmer Standort am stärksten gewachsen und ist aktuell auch der personenstärkste“, sagt der Managing Director. Den Grund dafür sieht er zum einen im strategisch gut gelegenen Nord-Osten Baden-Württembergs, „aber auch in der sehr interessanten und prosperierenden Region, sowohl wirtschaftlich als auch touristisch“.
Das regionale Potenzial für weitere Innovationen hat sich csi Entwicklungstechnik bereits zunutze gemacht. Mit seiner eigenen Software-Entwicklungs-Tochter Foxbyte setzt das Unternehmen auf Zukunftstechnologien im Bereich Augmented und Virtual Reality, KI und digitale Zwillinge. „Foxbyte wurde mit dem Gedanken geschaffen, die digitalen Anwendungsgebiete für uns selbst zu nutzen und für unsere Entwicklungsprojekte und Kunden nutzbar zu machen. Wir wollen die Zukunftschancen unsere Kunden erhöhen – wenn uns das gelingt, sind wir zufrieden“, sagt Leixner.
Klares Bekenntnis zur Region Heilbronn-Franken
Ein klares Ja zur Region sagt auch Marc Amann, Strategischer Projektmanager und Personalleiter bei der BJAutomotive GmbH in Kirchardt: „Wir glauben an den Entwicklungsstandort Deutschland beziehungsweise Heilbronn-Franken.“ BJ Automotive ging aus der Verselbstständigung der Automotive-Sparte der Busch-Jaeger Elektro GmbH hervor. Die Automobilaktivitäten bei BJA nahmen ihren Anfang in den 70er Jahren mit ersten Serienlieferungen von Hochleistungs-Zündanlagen an Audi, in der Folge spezialisierte sich das Unternehmen auf Schalter, Taster und weitere Interieurteile für die Auto-Industrie.
Als Hidden Champion versteht Projektmanager Amann BJAutomotive zwar nicht: „Wir sind in der Relation zu den großartigen Unternehmen in der Region ein kleines Unternehmen“, sagt er. „Dennoch denke ich, dass wir mit unseren Produkten zu einem Mehrwert in der Region beitragen können. Wir sind unabhängig von Antriebsformen, haben einen starken Bezug zu den deutschen, aber auch den asiatischen Erstausrüstern.“
Networking als großer Attraktivitätsfaktor
Als 2021 die Entscheidung für den Standort Kirchardt gefallen sei, sei die Stärke und geografische Lage der Region ausschlaggebend gewesen. „Wir sind in Baden-Württemberg ein Automobil-Bundesland und haben hier unsere größten Kunden“, erläutert Amann. Die Region Heilbronn-Franken biete einen starken Industrie- und Zuliefersektor. Das bedeute zwar Wettbewerb und Konkurrenz, aber auch die Möglichkeit auf Zusammenarbeit, Synergie und Netzwerk. „Und genau das wurde uns seitdem bestätigt: Wir sind sehr gut in der Region angekommen und haben bereits großartige Partner gefunden“, lobt er. Insbesondere Südwestmetall Heilbronn-Franken und ihr Geschäftsführer Jörg Ernstberger und Veranstaltungsleiterin Senta Woldeck hätten bei der Integration in der Region enorm geholfen – „dieses Networking ist ein großer Attraktivitätsfaktor“.
Für die junge und aufstrebende Fibro GmbH mit Sitz in Weinsberg war der Firmenstandort ebenfalls gesetzt: Ihr Geschäftsführer, Dr. Heiko Asum, hat die Business Unit, die auf Rundtische spezialisiert ist, unter dem Namen Fibro Rundtische GmbH zum 1. Januar dieses Jahres aus der Läpple AG herausgelöst. Der Heilbronner Mutterkonzern, der zu den Hidden Champions auf dem Gebiet der Umform- und Karosseriebautechnik, des Automationsanlagen- und Werkzeugbaus gehört, produziert laut Asum bereits seit 1968 in Weinsberg. „Das ist infrastrukturtechnisch sehr gut gelegen“, begründet er. Nicht nur der öffentliche Nahverkehr sei gut – Asum erhofft sich nach eigener Aussage qualifizierten Nachwuchs dank der Innovationskraft, die von Hochschulen und dem neuen KI-Campus ausgehe – aus seiner Sicht beste Voraussetzungen für Hidden Champions und international agierende Mittelständler.
Steigende Nachfrage nach Automatisierungslösungen
Und weil Fibro Rundtische ein starkes Marktwachstum im Anlagen- und Maschinenbau in USA, Indien, China und den Tiger-Staaten verzeichne, glaubt Asum an eine positive Entwicklung in Weinsberg nach dem Management-Buy-Out, der für die Auslandsstandorte im September abgeschlossen war. „Zudem sehen wir für unser Produktportfolio ein gutes Potential in der Automatisierung“, sagt der Leiter der Business Unit Rundtische. Die negative Entwicklung bei der Suche nach Arbeitskräften und den stetig steigenden Kosten in der Produktion würden die Nachfrage nach Automatisierungslösungen in Deutschland ankurbeln.
Von Heilbronn-Franken aus blickt er optimistisch auf den Weltmarkt: „Wir sehen einen klaren Trend in integrierten Gesamtlösungen, welche zukünftig das Thema intelligente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine fördern werden. Und wir arbeiten bereits heute mit internationalen Herstellern an zukünftigen Lösungen, um gegenüber arbeitspolitischen Einflussfaktoren resilienter zu werden.“
Schwerpunkt liegt auf Zukunftstechnologien
Einen innovativen und transformativen Weg in die Zukunft geht die iinovis GmbH mit Hauptsitz in Bad Friedrichshall. Das Engineering-Unternehmen bietet an fünf Standorten – einer davon in Spanien – Mobilitäts-Know-how wie etwa Prototypenbau, Simulation, Testing, Elektronik und Gesamtfahrzeugentwicklung für PKW, Nutz- und landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Motorräder. Peter Diehl, Vice President Innovation bei iinovis, weiß um die Vorteile der Region für den innovativen Mittelstand und Hidden Champions: „Wir haben unseren Firmensitz bereits seit über 50 Jahren in der Region Heilbronn. Als einer der ersten Engineering-Dienstleister in Deutschland im Automobilbereich hat iinovis diesen Standort nahezu ideal gewählt“, sagt er. In Bad Friedrichshall wird nach Angaben des Unternehmens dabei besonderer Wert auf Zukunftstechnologien gelegt: „Dort sind die Kompetenzen in den Feldern Leichtbau, Brennstoffzellen-Entwicklung und -Testing sowie Systemsimulationen gebündelt“.
Aktuell gehe das Unternehmen aber auch auf andere Branchen zu, ergänzt die Marketing-Verantwortliche Tanja Ottowitz: „Im Bereich Wasserstoff sehen wir beispielsweise gute Perspektiven. Wir verfügen über einen Prüfstand für Wasserstoff- und Brennstoffzellenkomponenten“, sagt sie. Um in der Champions-League mitzuspielen, dürften also viele Unternehmen vom Großraum Heilbronn bis ins Taubertal beste Voraussetzungen mitbringen. Verstecken muss sich das geballte Know-how der Region allem Anschein nach jedenfalls nicht.
Natalie Kotowski