Ziehl-Abeggs globale Strategie geht auf

Seit September vergangenen Jahres ist Joachim Ley Vorstandsvorsitzender von Ziehl-Abegg. Beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall diskutiert er gemeinsam mit Recaro-CEO Dr. Mark Hiller und dem Vorstandsvorsitzenden der tesa SE Dr. Norman Goldberg über Strategien für ein starkes Innovations-Ökosystem. Im Interview mit dem PROMAGAZIN begründet er, warum Ziehl-Abegg auch nach dem Machtwechsel in den USA optimistisch ist.

Joachim Ley, Vorstandsvorsitzender von Ziehl-Abegg, ist optimistisch. Foto: Ziehl-Abegg

Herr Ley, der unternehmerische Grundgedanke von Ziehl-Abegg lautet „Denke global, handele lokal“ – Weltmarktführer müssen global denken. Lässt sich in Deutschland aus Ihrer Sicht noch gut lokal agieren im Vergleich zu den internationalen Standorten von Ziehl-Abegg?

Joachim Ley: Wir haben mehr als 100 Vertriebsstandorte weltweit, dadurch können wir nah an unseren Kunden ‚dran sein‘ und mit ihnen neue Projekte entwickeln. In Deutschland laufen die Fäden zusammen – dort werden strategische Entscheidungen getroffen. So kann Ziehl-Abegg noch immer mit Fug und Recht sagen, dass es ein Familienunternehmen ist – und dennoch global erfolgreich agieren. Die DNA wird von Hohenlohe aus vorgegeben und vorgelebt.

Ist unsere Region Heilbronn-Franken mit ihren Weltmarktführern und Hidden Champions besonders stark darin, lokal zu agieren? Warum?

Ley: Unternehmen sind Weltmarktführer, weil sie global erfolgreich sind. Über Jahrzehnte haben Fleiß und Innovationskraft der Menschen unser Unternehmen zu dem werden lassen, was es jetzt ist: ein global erfolgreicher Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren. Vor allem die Menschen in Hohenlohe haben für Ziehl-Abegg die führende Position als Innovationstreiber erarbeitet.

Besonders in Europa scheint es schwieriger geworden zu sein für lokalen Absatz und Investitionen. Noch bevor sie CEO wurden, sagten Sie dem ZDF, die USA sei für Ziehl-Abegg ein Boommarkt, Asien stabil – aber je näher man an Deutschland herankomme, umso schwieriger werde es. Woran liegt das?

Ley: Wenn die Konjunktur lahmt, dann werden weniger Hotels, Kliniken und Produktionshallen gebaut, auch Privatleute investieren weniger in Gebäudeklimatisierung – das drückt aufs Business unserer Kunden.  Diese Situation ist in Europa gegeben. In den USA und Asien boomt das Geschäft besonders durch den Bau großer Rechenzentren – in solchen Anlagen sind Tausende von Ventilatoren verbaut. Die steigende Nutzung von künstlicher Intelligenz fordert immer größere Rechenleistung, sprich mehr und größere Rechenzentren.

Wie schätzen Sie die Lage für die Weltmarktführer in unserer Region generell ein?

Ley: Ich kann nur für Ziehl-Abegg sprechen. Mit dem Bau neuer Werke auf drei Kontinenten sind wir fürs kommende Wachstum gewappnet. Nichts Schlimmeres, als dass Kunden vor der Tür stehen und wir als Hersteller nicht liefern können. Unsere Entwickler arbeiten schon heute an Produkten, die morgen erfolgreich im Markt sein werden – auch deshalb blicke ich positiv in die Zukunft.

Ziehl-Abegg befindet sich in der größten Investitionsphase seiner Geschichte. Vier neue Standorte in Polen, den USA, Vietnam und Indien wurden 2023/24 Jahr eröffnet. Haben Sie ein Rezept für erfolgreiche Weltmarktführerschaft?

Ley: Wer erfolgreich agieren will, muss in jedem Land – ganz bodenständig – seine Hausaufgaben machen: Also die Qualität in der Produktion gewährleisten, auf den fairen Umgang mit den Menschen achten und nah an den Kunden sein, um heute zu wissen, was morgen gefragt ist.

Mit dem neuen Werk in Winston-Salem baut der Ventilatorenhersteller seine Produktion in den USA aus. Foto: Ziehl-Abegg

Der Leitsatz vom globalen Denken gemeinsam mit dem Handeln vor Ort könnte Ihnen seit dem 5. November 2024 einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gebracht haben: Drei Tage, bevor Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, sagten Sie im „heute journal“, mit dem neuen Werk in den USA sei das Unternehmen robust aufgestellt. Wie schätzen Sie die Entwicklungen künftig ein?

Ley: Wir spielen in der Liga der globalen Ventilatorenhersteller. Die meisten unserer Wettbewerber sind ebenso auf den US-Märkten vertreten. Mit dem 100-Mio-Euro-Werk haben wir natürlich schon einen starken Pflock eingehauen – im Vertrauen auf unsere Einschätzung des Wachstums der Märkte in den USA sowie in der Zuversicht, dass die Menschen bei Ziehl-Abegg innovativ, fleißig und zuverlässig sind.

Wie froh sind Sie angesichts des Wahlergebnisses über die strategische unternehmerische Unabhängigkeit von Ziehl-Abegg? Immerhin haben Sie vor der Zeit auf lokale Produktion in der Nähe der Kunden gesetzt und sich hinter einer möglichen amerikanischen  Zollmauer etabliert.

Ley: Wir haben das Werk in den USA unabhängig von der Präsidentschaftswahl geplant. Lange Transportwege sind teuer und wegen des CO2-Fußabdrucks nicht mehr angebracht.

Joachim Ley
„Zocken“ wie online bei den eSports-Turnieren, die Ziehl-Abegg ausrichtet, ist unternehmerisch bei Joachim Ley nicht angesagt – strategischer Weitblick schon. Foto: Ziehl-Abegg/Ufuk Arslan

Würden Sie trotzdem unterschreiben, dass zusätzlich zu den von Ihnen genannten Rezepten für Weltmarktführerschaft Unabhängigkeit wichtig ist? Mit den neuen Standorten rund um den Globus hat sich das Unternehmen von Exporten, Zöllen, Steuerregularien und anderen Kostenfaktoren ja durchaus unabhängiger gemacht.

Ley: Wir haben seit Jahrzehnten einen möglichst freien Handel gefordert. Das  wird aktuell aber immer mehr zum Wunschtraum. Ein Unternehmen muss sich auf ändernde Gegebenheiten möglichst früh einstellen – das haben wir mit dem Bau der neuen Werke getan. Doch ganz so einfach ist es nicht: Die Bürokratie bleibt uns allerdings in vielen Ländern ebenso erhalten wie der demografische Wandel.

Bedeutet das also aktuell strategisch für Weltmarktführer und große Mittelständler: Investieren ja, aber nicht in Deutschland?

Ley: Nein. Wir investieren natürlich auch in Deutschland. Es wäre unklug, unsere Fabriken in Hohenlohe außen vor zu lassen. Denn wir garantieren überall auf der Welt gleichbleibende Qualität bei den Produkten. Daher müssen in Deutschland wie in Indien oder den USA überall die gleichen Produktionsbedingungen herrschen, sowohl beim Schulungsgrad der Beschäftigten als auch beim Maschinenpark.

Wenn Sie beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall einen persönlichen Wunschzettel für die Zukunft abgeben dürften, was stünde darauf?

Ley: Ich wünsche mir Stabilität in allen Ländern dieser Welt – Stabilität in Frieden und Freiheit für die Menschen. Wenn es den Menschen gutgeht, kann sich die Wirtschaft konsequent auf die Kernkompetenzen fokussieren, ohne ständig auf Unwägbarkeiten reagieren zu müssen – sie kann dann entwickeln, herstellen und verkaufen.


Zur Person

Der studierte Diplom-Wirtschaftsingenieur Joachim Ley ist seit September 2024 CEO beim Ventilatoren- und Elektromotorenbauers Ziehl-Abegg. Ley war seit 2021 COO (Vorstand Produktion) des Unternehmens und trug auch die Verantwortung für die Bereiche Produktion, den Einkauf sowie zentrale Logistik und Prozesse. Nach seinem Studium war er in diversen Führungspositionen im Operations-Bereich, darunter viele Jahre Prokurist in einem marktführenden Zulieferunternehmen der Luftfahrtbranche. Ley ist verheiratet und hat zwei Kinder.


Interview von Natalie Kotowski