Ein Großteil im Leben von Friedrich Mertz wird von flüssigen Speisegewürzen bestimmt. Der Geschäftsführer von Lindenmeyer – einem traditionsreichen Familienbetrieb mit historischen Wurzeln in Heilbronn – bereitet derzeit den Umzug des Malz- und Essigspezialisten von Weinsberg nach Öhringen vor.
„Es ist Essig“ lautet eine umgangssprachliche Redewendung, die im Duden sinngemäß mit „Es ist vorbei“ gedeutet wird. Bei Friedrich Mertz von der Firma Lindenmeyer ist es mit dem Essig im wahrsten Sinne des Wortes aber noch längst nicht vorbei. Der Familienbetrieb aus Weinsberg, der sich auf Malzextrakte und -mehl sowie Essige spezialisiert hat, arbeitet derzeit mit Hochdruck am Umzug nach Öhringen. „Die Bauarbeiten im Gewerbegebiet in der Leimengrube laufen auf Hochtouren“, erklärt Mertz.
Der studierte Landwirt pendelt von seinem Wohnort in Forchtenberg-Sindringen derzeit mehrmals in der Woche zwischen Weinsberg und Öhringen hin und her. „Wir sind zuversichtlich, dass wir bis zum Jahresende einziehen können“, sagt er. Für Mertz, der den Traditionsbetrieb inzwischen in der achten Generation weiterführt, ist es nicht der erste Umzug – viele Jahre war der Malz- und Essigspezialist auch in Heilbronn ansässig. Die Unternehmensgeschichte reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück, als in der Neckarstadt die Firma Georg Friedrich Rund des gleichnamigen Gründers ihre Startphase erlebte.
Zunächst betrieb Georg Friedrich Rund mit seinen Mitarbeitern eine Öl- und später dann eine Bleiweißmühle. Nach dem Tode des Firmengründers 1786 führten sein Schwiegersohn Georg Friedrich Mertz und Alexander Orth die Geschäfte weiter. „Mein Vorfahr hat dann beim Götzenturm am Rosenberg eine Bleiweißfabrik aufgebaut, die das Speditionsgeschäft bald in den Hintergrund drängte“, berichtet Mertz. Bei der Herstellung von Bleiweiß – einer wetterfesten Malerfarbe – spielten schon damals Essigdämpfe eine wichtige Rolle.
Hefe, Malz und Essig
Unter dem Namen Lindenmeyer galt das traditionsreiche Familienunternehmen später als Hefespezialist. 1887 übernahm die Familie Mertz schließlich die Firma und fokussierte sich im Laufe der Zeit immer mehr auf den Handel mit Essig- und Malzerzeugnissen. 2015 wurde die alte Hefefabrik in der Heilbronner Nordstadt abgerissen. Schon vorher hatte die Familie Mertz das Fabrikgelände an den Lebensmitteldiscounter Lidl verkauft.
Heute widmen sich Friedrich Mertz und seine Mitarbeiter neben der Produktion von Malzen und Malzextrakten auch wieder verstärkt der in der Küche beliebten würzenden Flüssigkeit. „An unserem neuen Standort werden wir auch hochwertigen Essig in Bioqualität lagern und zur Reife bringen“, bekräftigt Mertz. Reifen sollen das Bio-Malz und der sortenreine Apfel- und Birnenessig nach einem alten Verfahren, das schon seine Vorfahren eingesetzt haben. „Auch die Holzbehälter, die mehrere Tausend Liter Fassungsvermögen haben, sind schon über 100 Jahre alt“, ergänzt der Hobbywanderer und Naturliebhaber.
Für den Umzug von Weinsberg nach Öhringen führt der 48-Jährige mehrere Gründe an. „Natürlich spielen die günstigen Grundstückspreise in der Leimengrube eine wichtige Rolle. Aber der Standort bietet auch eine gute Infrastruktur und da hier eine vielbefahrene Straße vorbeiführt, erhoffen wir uns auch einen Marketingeffekt“, betont Mertz.
Auch wenn die Firma Lindenmeyer nach dem Umzug in ein Gewerbegebiet keinen Verkaufsraum einrichten darf, so sollen die nostalgischen Steinzeugbehälter und -amphoren hinter einer Glasfassade neugierig machen. „Wer im Biosegment in der ersten Liga mitspielen will, muss sich einiges einfallen lassen, um hervorzustechen“, ist Mertz überzeugt.
Andreas Scholz