Wie sicher lebt es sich in Heilbronn-Franken? Diese Frage beschäftigt viele Menschen – insbesondere nach den Vorkommnissen etwa in München oder in Ansbach. Hans Becker, Polizeivizepräsident des Heilbronner Polizeipräsidiums, gibt im Interview Antworten darauf.
Herr Becker, die jüngsten Anschläge haben die Menschen verunsichert. Wie beurteilen Sie die aktuelle Gefährdungslage?
Becker: Die aktuelle Gefährdungslage spielt sich vor einer abstrakten Bedrohungslage ab, die uns seit dem 11. September 2001 bekannt ist und die sich durch die jüngsten Ereignisse nicht grundsätzlich verändert hat. Nach den Gewaltakten der letzten Wochen ist aus der abstrakt hohen Gefährdungslage nun für den Bürger eine greifbare geworden. Dass sich dies natürlich negativ auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung auswirkt, ist verständlich.
Welche Maßnahmen werden präventiv unternommen, um Gewalt und Anschlägen vorzubeugen?
Becker:Die Sicherheitsbehörden waren auch vor den Ereignissen besonders wachsam und sind jedem Hinweis dieser Art nachgegangen. Sie haben kontinuierlich eine Lageeinschätzung vorgenommen und diese stets aktualisiert. Großveranstaltungen zum Beispiel sind im Allgemeinen im polizeilichen Fokus und werden lageangepasst begleitet. Auch hier sind die Sicherheitsbehörden jetzt noch einmal zusätzlich sensibilisiert worden. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, aber wir versuchen natürlich immer, ein Höchstmaß an Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt dabei die Internetrecherche? Wie wird dort gearbeitet und haben Sie hier bereits Erfolge?
Becker: Internetrecherche ist ein weiter Begriff. Wir haben den Bereich Cybercrime (Bekämpfung der Internetkriminalität) schon vor einiger Zeit verstärkt. Eine bloße Internetrecherche nach der „Nadel im Heuhaufen“ machen die Kollegen jedoch nicht. Die Ermittler gehen vielmehr konkreten Hinweisen nach und sichern Beweismittel. Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen haben wir bei dieser Arbeit noch nicht erlangt.
Stellt man sich personell auf die Situation ein und was bedeutet dies für Heilbronn und die Städte der Region?
Becker: Das Polizeipräsidium Heilbronn hat mit Blick auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger einen Schwerpunkt in der polizeilichen Überwachung von Großveranstaltungen gesetzt. Zudem sind wir dabei, in die Arbeit mit sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook oder Twitter einzusteigen. Es gab bisher im Land einige Pilotdienststellen, die bei ihrer Arbeit überwiegend gute Erfahrungen gemacht haben. Durch die offensive Arbeit im Netz ist es uns möglich, deutlich mehr Bürgern wichtige Informationen in kürzester Zeit zukommen zu lassen. Natürlich müssen wir dabei auch mit einem gewissen Anteil von Falschmeldungen rechnen, aber diese entstehen ja unabhängig davon, ob die Polizei in sozialen Netzwerken aktiv ist oder nicht. Vielmehr können wir künftig deutlich schneller mit gesicherten Informationen gegensteuern und so dazu beitragen, dass Gerüchte und Spekulationen erst gar nicht entstehen.
Wie wird mit anderen Bundesländern, dem Bund und dem Ausland zusammengearbeitet?
Becker: Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden des Bundes, zum Beispiel dem Bundespolizeirevier Heilbronn, ist bei uns schon immer sehr eng. Die Kooperation mit anderen Dienststellen und den Behörden im Ausland erfolgt insbesondere durch das Innenministerium beziehungsweise das Landes- sowie das Bundeskriminalamt.
Welche Maßnahmen sind sinnvoll und erforderlich, wenn es um größere Veranstaltungen geht?
Becker: Hier ist Professionalität gefragt. Wir sind es gewohnt, mit Gefährdungen und Bedrohungen umzugehen und werden versuchen, diese zu minimieren, um eine relativ hohe Sicherheit zu gewährleisten. Hierbei fließen polizeilich relevante Erkenntnisse aus den vergangenen Ereignissen in unsere Planungen mit ein. Bei Veranstaltungen pflegen wir einen stetigen Austausch mit den jeweiligen Veranstaltern und den Ortspolizeibehörden. Wenn man als Beispiel das Heilbronner Volksfest heranzieht (es gab dort eine Bombendrohung und Räumung, Anm. d. Red.), so hatten wir dort mehr Polizeikräfte im Einsatz als bisher. Zudem haben wir eine mobile Wache eingerichtet. Der Veranstalter hat mehr Sicherheitspersonal eingesetzt und man hat zum ersten Mal eine Hausordnung erstellt, die es auch dem Sicherheitspersonal ermöglicht, zum Beispiel in mitgeführte Rucksäcke oder größere Taschen der Besucher zu schauen.
Welche Unterstützung erhoffen Sie sich von der Politik?
Becker: Eine personelle Weichenstellung wurde bereits im Koalitionsvertrag gestellt. Die Polizei soll um 1.500 Stellen verstärkt werden. Darüber hinaus brauchen wir Investitionen in die Ausstattung der Polizei. Solche Signale aus dem Land, zum Beispiel für einen besseren ballistischen Schutz der Kollegen, sind ja schon da. Insbesondere braucht die Polizei meines Erachtens vor allem den Rückhalt der Politik und der Gesellschaft für ihre Arbeit.
Interview: Uwe Deecke
Zur Person:
Hans Becker ist seit 2014 Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Heilbronn. Der 58-Jährige war bis 2012 Leiter der Polizeidirektion Mosbach und danach stellvertretender Gesamtprojektverantwortlicher (Strukturreform Polizei) beim Innenministerium (LPP) Baden-Württemberg.