Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung bei der Würth-Gruppe, ist Mit-Gastgeber beim „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“ in Schwäbisch Hall. Im Interview mit dem PROMAGAZIN spricht er über Reinhold Würths visionäres Unternehmertum, das die Würth-Gruppe an die Weltspitze geführt hat. Neugier, Beharrlichkeit und der Wille, das Beste zu geben sind dafür die nötigen Tugenden.

Herr Friedmann, welche Erfahrungen nutzt die Würth-Gruppe aus 80 Jahren Unternehmensgeschichte, um auch in unruhigen Zeiten wie 2024 und 2025 erfolgreich zu bleiben?
Robert Friedmann: Das vergangene Jahr war dynamisch und voller Herausforderungen. Nach vorläufigem Jahresabschluss erzielte die Würth-Gruppe einen Umsatz von 20,2 Milliarden Euro, das entspricht einem Minus von 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch für 2025 erwarten wir keine wirklich substanzielle Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Situation. Insofern gilt es, den Herausforderungen mit Mut, Weitsicht und gemeinsamen Handeln zu begegnen. Wir haben in unserem 80-jährigen Bestehen gezeigt, dass wir Herausforderungen erfolgreich meistern können. Entscheidend dafür sind das Vertrauen und die Stabilität, die unsere über 88.000 Mitarbeitende weltweit in unserem Familienunternehmen spüren.
Stichwort „Weitsicht“: Welche Eigenschaften sind entscheidend, um ein Unternehmen auch in schwierigen Zeiten voranzubringen?
Friedmann: Es braucht den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen und gleichzeitig die Fähigkeit, Menschen mitzunehmen und für Ideen zu begeistern – so lebt es uns Professor Würth jeden Tag vor. Die Mischung aus visionärem Denken und operativer Exzellenz – also „anpacken und machen“ statt abzuwarten – spielt eine entscheidende Rolle in der Würth-Gruppe.
Der Name Würth hat unsere Region geprägt, Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth wird oft als Visionär bezeichnet. Welche Tugenden des Pioniers Reinhold Würth sind es aus Ihrer Sicht, die anderen Unternehmern auch heute noch Zuversicht vermitteln?
Friedmann: Vom Zwei-Mann-Betrieb zum Weltkonzern, dazu gehört neben Mut auch Ausdauer. Professor Würth hat uns als einer der erfahrensten deutschen Unternehmer gezeigt, dass unternehmerischer Erfolg von Beharrlichkeit, Neugier, dem Willen, immer das Beste zu geben, und einem klaren Wertekompass abhängt. Zu diesen Werten gehören neben Dankbarkeit und Berechenbarkeit auch Demut und Bescheidenheit.

Ist Heilbronn-Franken in Ihren Augen eine Vordenker-Region?
Friedmann: Die Region zeichnet sich durch eine hohe Dichte an innovativen Unternehmen und eine starke Bildungslandschaft aus. Das Zusammenspiel von Tradition und Fortschritt macht Heilbronn-Franken zu einem idealen Ort für Hidden Champions, nicht zuletzt durch die wachsende Strahlkraft des Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI) in Heilbronn. Würth nutzt dort das Potenzial der wachsenden KI-Community, um sich mit anderen Unternehmen zum Thema KI auszutauschen und gemeinsam an ausgewählten Projekten innovative Lösungen zu entwickeln.
Haben die Menschen in unserer Region mehr Mut zum Risiko als anderswo im Land?
Friedmann: Die Region Heilbronn-Franken hat eine lange Tradition des Unternehmertums, was sicherlich mit einem gewissen Mut zum Risiko einhergeht. Hier arbeiten viele tüchtige Menschen, die über viele Jahre eine Kultur des Machens geprägt haben. Das zeichnet die Region und die vielen international tätigen Unternehmen aus.
Immerhin sehen sich Unternehmer derzeit vielen Herausforderungen gegenüber: Innovationsdruck, Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräftemangel, unsichere geopolitische Verhältnisse. Würde es heute überhaupt noch genau so wie damals funktionieren, ein Familienunternehmen an die Weltspitze zu führen?
Friedmann: Die Prinzipien von Vertriebsexzellenz sind zeitlos: Kundennähe, Einsatzbereitschaft sowie Qualität in Produkt und Service sind essenziell für Unternehmen wie Würth. Was sich gegenüber heute verändert hat, sind die Geschwindigkeit und Komplexität der Märkte. Erfolgreiche Familienunternehmen schaffen es, ihr Geschäftsmodell und ihre Unternehmenskultur mit einer hohen Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit zu kombinieren.

Was war Ihre größte berufliche Lektion der vergangenen drei Jahre?
Friedmann: Dass es gerade in dynamischen Zeiten entscheidend ist, Ruhe zu bewahren, Prioritäten zu setzen, diese optimistisch und mit Handlungsdrang zu verfolgen sowie letztlich auf die Stärke unseres Familienunternehmens zu vertrauen.
Schrauben gibt es seit der römischen Antike. Wie wichtig ist es für Unternehmen heute, wo vielfach disruptives und transformatives Denken gefragt ist, bei allem Vorausschauen auch auf Altbewährtes zu setzen?
Friedmann: Tradition und Innovation schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Bewährte Prinzipien können als Anker dienen, während man neue Wege beschreitet. Der Schlüssel liegt darin, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Ein Beispiel ist unsere ASSY-Schraube, die seit über 30 Jahren auf dem Markt ist und stetig weiterentwickelt wird. Innovation bei Würth heißt: Die Perfektionierung des Banalen, zum Vorteil unserer Kunden.
Veränderungen stehen auch in Ihrem Haus an: Das Jahr 2025 ist ein besonderes Jahr für die Würth-Gruppe. Zum Jahreswechsel gab es einen Generationenwechsel im Führungskreis. Wie blicken Sie auf die Veränderungen?
Friedmann: Benjamin Würth, Sebastian Würth und Maria Würth haben zum 1. Januar 2025 unterschiedliche Funktionen innerhalb des Unternehmens übernommen. Das ist ein starkes Zeichen der Familie Würth, dass die Würth-Gruppe auch fortan ein Familienunternehmen im besten Sinne des Wortes bleibt. Ich wünsche ihnen viel Erfolg in ihren neuen Rollen und freue mich auf die Zusammenarbeit. Und 2025 wird in der Tat ein besonderes Jahr für die Würth-Gruppe: Wir feiern den 90. Geburtstag von Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth und das 80-jährige Bestehen der Würth-Gruppe.

Zur Person
Robert Friedmann ist Sprecher der Konzernführung in der Würth-Gruppe. In Pforzheim und den USA studierte er BWL und begann direkt im Anschluss seine Karriere bei der Würth-Gruppe als Assistent der Konzernleitung. 2017 wurde er Mitglied des Aufsichtsrates des Autozulieferers ZF und gehört seit 2018 dem Aufsichtsrat des Herstellers von Verpackungs- und Abfülltechnik Krones AG an. 2004 wurde Robert Friedmann Mitglied der Konzernführung der Würth-Gruppe, seit 2005 ist er Sprecher der Konzernführung.
Interview von Natalie Kotowski