Im Jahr 1981 lag der Jahresbeitrag für die Berufshaftpflichtversicherung einer freiberuflichen Hebamme bei 30,68 Euro. Im Juli 2018 ist er angestiegen und liegt akutell bei 8100 bis 10 200 Euro. Als Folge davon suchen auch in der Region viele schwangere Frauen verzweifelt nach einer Hebamme, weil diese Abstand vom Beruf nehmen.
Die Elterninitiative „Mother Hood“ sprach im Juli 2017 eine „Reisewarnung“ für schwangere Frauen für einige Regionen Deutschlands aus. Da war Heilbronn-Franken zwar nicht dabei, aber wer auf die Landkarte der Unterversorgung vom Deutschen Hebammenverband schaut, wird auch hier mit ernstzunehmenden Zahlen konfrontiert. Vor allem bei der Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung ist es schwierig.
Auch auf dem Anrufbeantworter von Susanne Otter, Vorsitzende des Hebammenverbandes Kreis Schwäbisch Hall-Crailsheim, ist zu hören, dass sie dieses Jahr keine Neuanmeldungen mehr annimmt. „Das ist bezeichnend für unseren Beruf. Wer sich nicht bis zur zehnten, maximal zwölften Schwangerschaftswoche bei einer Hebamme angemeldet hat, wird Probleme haben, eine Betreuung zu bekommen“, erklärt die Satteldorferin.
Die wenigsten Hebammen bieten die Betreuung bei einer Geburt an. Auch Otter nicht. „Es war finanziell nie lukrativ. Die Nachtdienste waren für mich gesundheitlich sehr belastend und aus familiären Gründen nicht praktikabel, denn die Arbeitszeiten sind nicht planbar“, erklärt die 55-Jährige. Es fehlt an aktiv tätigen Hebammen für die Kreißsäle, für die Geburtsvorbereitung und Rückbildung sowie vor allem in der Wochenbettbetreuung und Säuglingszeit, was Otter besonders dramatisch findet.
Soziale Einrichtungen haben das erkannt. In Heilbronn zum Beispiel bieten „ProFamilia“, das Haus der Familie und der Kinderschutzbund offene Hebammensprechstunden an.
Engpässe im Kreisssaal
„Die hohen Versicherungsbeiträge schrecken natürlich viele Kolleginnen davon ab, in die Geburtshilfe zu gehen. Teilzeitarbeit bei geringerer Geburtenrate trägt sich finanziell nicht und ist mit zusätzlichem Bürokratieaufwand verbunden,“ sagt die Kreisvorsitzende. Kliniken haben deswegen massiv Probleme, ihre Hebammenstellen zu besetzen. Die viel zu niedrigen Personalstellen im Kreißsaal führen zu hohem Stress und unbefriedigender Betreuung der Gebärenden.
In anderen Ländern der Europäischen Union sei eine Eins-zu-Eins-Betreuung ab Wehenbeginn Standard. Deutschland sei davon weit entfernt. Kein Wunder also, dass kaum eine Hebamme lange 100 Prozent arbeite. Im Schnitt blieben die Kolleginnen nur drei bis fünf Jahre in der Geburtshilfe, würden dann versuchen, mit Kursen ein finanzielles Überleben zu sichern, bevor sie sich oft eine andere Verdienstmöglichkeit suchen.
„Wir haben es nicht mit einem Fehlen von Hebammen zu tun, sondern mit der mangelnden Honorierung und den schlechten Rahmenbedingungen“, betont Otter. Durch faire Vergütung und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen könnte sich die Versorgungssituation gut verändern lassen, ist die Kreisvorsitzende überzeugt. Stattdessen werden die Versicherungsbeiträge weiter erhöht.
Stefanie Pfäffle