Bei Photovoltaik gehören Unternehmen in Heilbronn-Franken zu den Treibern der Energiewende. Viele haben erkannt, dass Sonne tanken auf dem Dach nachhaltig und wirtschaftlich ist. Und bemerken nebenbei: Sonnenkraft ist „hip“ und stärkt das Image.
Vorbei sind die Zeiten, in denen Sonnenanbeter auf Liegestühlen jeden UV-Strahl auffingen. Die Geschichte vom schön gebräunten Körper hat sich als gesundheitsschädigende Mär entpuppt, hohe Lichtschutzfilter sind inzwischen ein Muss. Attraktiv ist die Kraft der Sonne zwar immer noch. Doch heute ist nicht mehr tiefbraune Haut „in“, sondern Gebäude und Flächen mit dunkel glitzernden Hüllen: Photovoltaik als Energiequelle ist so beliebt wie nie – und Heilbronn-Franken gehört bei Neuinstallationen zur Spitzenregion des Landes.
Mehr als 58.000 Solaranlagen wurden in Baden-Württemberg bis Juni 2024 verbaut. Die Zahlen, die das Landesamt für Umwelt monatlich auf seinem Dashbord zeigt, weisen in Richtung eines neuen Rekords: Schon im vergangenen Jahr lag der Zubau bei 1860 Megawatt – ein Plus von knapp 130 Prozent, wie das Solar Cluster Baden-Württemberg aus Daten der Bundesnetzagentur und Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) errechnet hat. 2024 könnte die 2000-Megawatt-Marke erreicht werden. Dass der Südwesten bei Solarenergie alles andere als blass aussieht, daran hat Heilbronn-Franken einen großen Anteil: Im Landesvergleich lag die Region bei neu installierten Gebäudeanlagen 2023 auf Platz 2, bei Solarparks auf Platz 5 in der Auswertung, gibt das Photovoltaik-Netzwerk Heilbronn-Franken bekannt.
Heilbronn-Franken 2023 bei Dachmodulen Spitzenreiter
Was Module auf Dächern angeht, belegten im vergangenen Jahr sogar ausschließlich Landkreise in Heilbronn-Franken die Top 3: Auf Platz drei lag der Landkreis Schwäbisch Hall (121,5 Watt pro Person), Platz zwei schaffte der Main-Tauber-Kreis mit 123,3 Watt pro Kopf, Spitzenreiter war der Landkreis Hohenlohe mit einem Zubau von 124,3 Watt pro Kopf. „Stand heute haben wir genau zehn Megawatt Peak ausgebaut“, berichtet Joachim Schröder, Leiter des Klima-Zentrums Hohenlohekreis.
Von Rankings hält er nach eigenen Worten zwar nicht viel – zu unterschiedlich seien die Strukturen und Gegebenheiten im Land. Stolz ist er dennoch: „Bei den Gebäudeanlagen – von Privatbesitzern und Hohenloher Wirtschaftsunternehmern – haben wir schon 20,2 Prozent der Gebäudeflächen für Photovoltaik ausgeschöpft.“ In Heilbronn-Franken liegen die Hohenloher damit knapp hinter Schwäbisch-Hall und dem Main-Tauber-Kreis mit 22,6 und 22,5 Prozent.
Ob der vergleichsweise gute Wert zustande kommt, weil in der Region sehr viele fortschrittliche Unternehmen mit großen Dachflächen angesiedelt sind, die bereits Anlagen installiert haben, kann Irina Kroo, Projektleiterin beim Photovoltaiknetzwerk Heilbronn-Franken, zwar nicht sagen: „Leider haben wir keine spezifischen Daten, die sich ausschließlich auf Photovoltaik auf Dächer von Unternehmen beziehen.“ Doch es gibt Hinweise darauf, dass der Wirtschaftsstandort Heilbronn-Franken bei Photovoltaik zu den Treibern der Energiewende gehören könnte. „Bei den Unternehmen haben wir einige Leuchtturmprojekte“, sagt Schröder. Etwa Bausch+ Ströbel im Landkreis Schwäbisch Hall. Dort habe man die Pflichtverordnung des Landes, Parkraum ab 35 Stellplätzen mit Solarmodulen zu überdachen, schon früh umgesetzt. „Energieeffizienz und Ressourcenschonung sind schon seit vielen Jahren wichtige Ziele bei Bausch+Ströbel“, bestätigt Bernhard Frisch, Vorstand des Spezialmaschinenherstellers und Weltmarktführers aus Ilshofen.
Photovoltaik auf Parkplatzüberdachung und Montagehalle
Für die stetig wachsende Belegschaft von Bausch+Ströbel seien vor einigen Jahren 650 neue Parkplätze notwendig geworden. 350 davon erhielten auf 5550 Quadratmetern Überdachungen, die mit Photovoltaik ausgestattet seien. Schon zuvor war laut Frisch beim Bau einer neuen Montagehalle ein Lüftungskonzept eingebaut worden, das 70 Prozent der Wärme zurückgewinnt. „Auf dem Dach entstand außerdem eine weitere Photovoltaikanlage mit 1350 Quadratmetern Modulfläche“, erläutert Frisch.
Auch die Bechtle AG betreibt ihr eigenes Sonnenkraftwerk: Die Photovoltaikanlage am Konzernsitz in Neckarsulm ist die größte Installation in der Bechtle Gruppe. „Sie wurde in mehreren Ausbaustufen zwischen 2007 und 2021 installiert und bedeckt inzwischen alle verfügbaren Dachflächen auf Bürogebäuden, der Logistikzentrale und das Parkhaus“, berichtet Arthur Schneider, Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Bechtle AG. Etwa 5400 Solarmodule mit einer Fläche von fast 9000 Quadratmetern liefern nach seinen Worten dort mit 1400 kWp (Kilowatt-Peak) regenerativen Strom, der für die Bürogebäude sowie für E- und Hybridfahrzeuge an 166 Ladepunkten genutzt werden kann. Gesteuert werde die Verteilung der „grünen“ Energie über ein intelligentes Lastmanagementsystem.
Auch wenn schon viele Unternehmen zu der sonnigen Solar-Bilanz der Region beigetragen haben: Rund 20 Prozent genutztes Potenzial auf den Dächern bedeutet, dass noch viel mehr möglich ist. Denn der Umkehrschluss heißt: Knapp 80 Prozent schon versiegelter beziehungsweise überbauter Fläche bleiben noch ungenutzt. Die Kapazitäten der ohnehin vorhandenen Gebäude- und Hallendächer auszuschöpfen, priorisiert denn auch Klima-Zentrums-Leiter Schröder: „Man sollte prüfen, was schon überbaut ist – und zuerst die vorhandenen Potenziale nutzen, bevor man an Flächen geht, die vielleicht für andere Zwecke wertvoll sind.“
Schröder möchte Unternehmer ermuntern, die eigenen Möglichkeiten für Energiequellen auszuloten – beispielsweise, wenn ohnehin eine Sanierung ansteht. Aktuell würden Anlagen etwas preisgünstiger und hätten wieder kürzere Lieferzeiten. „Für Unternehmen lohnt sich die Überlegung auf alle Fälle. Firmen gucken selbstverständlich nach der Wirtschaftlichkeit. Aber je mehr erneuerbare Energien wir haben, desto autarker und dezentraler werden wir natürlich und sind damit auch resilienter in der Zukunft – gerade wenn wir an die Energieschocksituationen denken, die wir ja mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gerade erst erlebt haben.“
Energiekosten um mehr als die Hälfte gesenkt
Angesichts steigender Energiekosten und unvorhergesehener Krisen nicht in Schockstarre zu verfallen und einen Betrieb auch im Notfall laufen lassen zu können – diese Argumente spielten etwa beim Unternehmen Veigel Automotive in Öhringen eine Hauptrolle. Experte Schröder hatte das Unternehmen beraten und den Mitarbeitern in Workshops sowohl Sparpotenziale als auch Ideen zur eigenen Stromgewinnung geliefert. Unter der Regie von Markus Koffler, Einkaufsleiter bei Veigel, rüstete das Unternehmen, europaweit führender Hersteller von Fahrschul-Assistenzsystemen und von behindertengerechten Fahrhilfen 2021 um. Solarmodule pflastern einen Großteil der 3000 Quadratmeter Dachfläche und liefern 299 kWp Strom.
Drei Jahre später zieht Koffler eine begeisterte Bilanz: „Die Anlage hat sich schon bezahlt gemacht. Wir haben unsere Energiekosten massiv senken können – um 50 bis 60 Prozent.“ Der Überschuss werde ins Netz eingespeist. Dank der Einspeisevergütung finanziere sich die Anlage. „Unternehmen sollten Photovoltaik einsetzen – es rechnet sich. Gerade in Zeiten, in denen Strom teuer ist“, rät er. Dem kann Projektleiterin Kroo nur zustimmen: „Für ein Unternehmen lohnt sich eine Solaranlage besonders dann, wenn der Eigenverbrauchsanteil hoch ist“, sagt sie. Wichtig sei, langfristig zu denken. Die Kosten für eine Photovoltaikanlage amortisieren sich nach etwa zehn bis zwölf Jahren, „danach erwirtschaftet die Anlage Gewinne“.
Bei Veigel wird das Thema Erneuerbare Energien unterdessen weitergedacht: Die 27 Kilowatt Abwärme, die ihr Laser in der Fertigungshalle erzeuge, liefen in einen Wärmetauscher und beheizten den Betrieb, berichtet Koffler: „Von der Sonne geht die Energie in die Maschine, von der Maschine geht sie in die Heizung – und das auch im Winter und in der Zwischensaison.“ Aktuell sehen sich die Verantwortlichen nach einem Batteriespeicher um: „Nach Feierabend um 15 Uhr geht unser Stromverbrauch dramatisch nach unten. In der Zeit könnten wir den Stromspeicher füllen, der uns dann am nächsten Tag gerade in der Anlaufphase morgens, wenn die Sonne noch nicht so stark scheint, genügend Energie liefert, um für zwei Stunden aus dem Batteriespeicher leben zu können. Bis dann wieder die Sonnenenergie greift“, schwärmt der Einkaufsleiter. Dieser Schritt und ein Windrad für weitere 10 KW Eigenstrom auf dem Grundstück sollen dem Unternehmen künftig noch mehr Autarkie bescheren.
Eigene Solaranlage stärkt das Unternehmensimage
Nicht nur Unabhängigkeit, sondern noch etwas anderes bringt die eigene Solaranlage den Unternehmen: Attraktivität. „Sie trägt zur Nachhaltigkeitsstrategie bei und stärkt das Image“, ist Kroo vom Photovoltaik-Netzwerk überzeugt. Um diese Strahlkraft weiß auch Klima-Zentrums-Leiter Joachim Schröder: „Wir stehen im Kampf um die klugen Köpfe. Die jüngere Generation schaut auch darauf, wie nachhaltig ein Arbeitgeber denkt. Ich glaube, es wäre ‚hip‘, in einem Unternehmen zu sein, wo man sein Fahrzeug mit Sonnenenergie betanken kann.“
Sonnenanbeter gibt es also offenbar noch immer. Nur sehen sie die Vorteile offenbar längst nicht mehr in einem vermeintlichen Schönheitsideal. Sondern ganz pragmatisch.
Natalie Kotowski