Familienunternehmen? Das ist doch ein veraltetes Konzept und kann sich nicht mehr durchsetzen. Von wegen. Wir haben nachgefragt, welchen Stellenwert diese in der heutigen Wirtschaft und auch in der Gesellschaft einnehmen.
Die deutsche Wirtschaft ohne Familienunternehmen? Das kann man sich kaum vorstellen. Sie bilden die Mehrzahl und prägen die Unternehmerlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes wird von ihnen erwirtschaftet. Ihre Spannbreite reicht dabei von Kleinunternehmen mit wenigen Mitarbeitern bis hin zu Weltmarktführern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz. Eine bunte Mischung also.
Gemeinsame Identität
So vielfältig Familienunternehmen aufgestellt sind, eint sie ihr langfristiges Wirtschaftsinteresse. Schließlich soll den Kindern und Enkeln möglich sein, das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen zu können. Zu diesem nachhaltigen Ansatz gehören langfristige Investitionen in neue Technologien ebenso wie die Mitarbeiterbindung. Eine weitere Gemeinsamkeit gibt es bei Familienunternehmen zu entdecken: Sie sind häufig außerhalb von Ballungszentren angesiedelt und wandeln einen vermeintlichen Nachteil in einen Wettbewerbsvorteil um. Familienunternehmen nutzen dafür ihre regionale Identität als Erfolgsfaktor. Die Heimat in einem wirtschaftlich starken Land strahlt somit auch auf die Akzeptanz bei Kunden aus.
Gerade ländliche Gebiete außerhalb von Ballungszentren profitieren von den dort ansässigen Familienunternehmen. Denn mit der Schaffung von Ausbildungs- und qualifizierten Arbeitsplätzen wirken Firmen der Landflucht entgegen: Hochqualifizierte Arbeitskräfte wie Ingenieure und Informatiker müssen nicht in Ballungszentren ziehen, um attraktive Arbeitsplätze mit herausfordernden Fragestellungen zu finden. Zugute kommt Familienunternehmen zudem, dass sich ihr Ruf als Arbeitgeber in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Das Bild von autokratisch geführten Familienbetriebe gehört der Vergangenheit an. Heute schätzen die Mitarbeiter die kurzen Entscheidungswege und die Präsenz der Unternehmensleitung.
Positive Auswirkungen
Weil sie mit dem Angebot attraktiver Arbeitsplätze die Ansiedlung von jungen Familien fördern und dadurch eine ausgewogene Bevölkerungsstruktur schaffen, tragen Familienunternehmen an ihren Standorten maßgeblich zur Strukturentwicklung bei. Darüber hinaus bewahren sie die Infrastruktur, da durch ihre Nachfrage Angebote wie Hotels und Restaurants auch in strukturschwachen Gebieten fortbestehen oder sich neu entwickeln können.
Familienunternehmen haben also eine positive Auswirkung auf die Lebensqualität in den Regionen. Sie sind sich häufig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und engagieren sich vielfältig am jeweiligen Firmenstandort. Eine weitere Stärke liegt in der informellen Zusammenarbeit mit Partnern aus Politik und Gesellschaft. Durch die Einbindung in lokale Netzwerke besitzen Familienunternehmen persönliche Kontakte und genießen großes Vertrauen. Dieses untermauern sie beispielsweise beim Sponsoring von Kindertagesstätten oder lokalen Vereinen. Als Rückgrat der deutschen und regionalen Wirtschaft werden Familienunternehmen also auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
Elisabeth Müller
Zur Person
Prof. Dr. Elisabeth Müller ist Dozentin für Entrepreneurship und Familienunternehmen an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.