„Es braucht einen Kulturwandel auf Kundenseite“ – Martin Buchwitz im Interview auf dem Verpackungsmaschinentag

Martin Buchwitz, Mitgeschäftsführer des Vereins Packaging Valley, fordert im Interview mit dem PROMAGAZIN ein Umdenken – auch bei den Kunden der Verpackungsmaschinenbau-Branche.

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Martin Buchwitz, Mitgeschäftsführer des Vereins Packaging Valley, fordert ein Umdenken – auch bei den Kunden der Verpackungsmaschinenbau-Branche. Foto: Adobe Stock/Surasak

PROMAGAZIN: Lässt sich die Kernmessage des Verpackungsmaschinentags beim Mitgliedsunternehmen SMC Deutschland in Egelsbach mit „Keep it simple“ zusammen fassen?

Buchwitz: Ja, das stimmt. Der Grund dafür ist, dass die Verpackungsmaschinen wegen steigender Anforderungen über die Jahre immer komplexer geworden sind. Diese Komplexität muss man wieder vereinfachen. Das geschieht sehr stark durch die Software. Es hat aber auch eine betriebswirtschaftliche Komponente: Wenn ich die Komplexität nicht in den Griff bekomme, dann wird es teuer. Dann benötige ich viel Manpower, Engineering- und Konstruktionsdienstleistungen. Das bezahlt der Endkunde.

Wie wichtig ist bei diesem Prozess die Kundenorientierung? Einerseits gibt es Stimmen, den Endkunden besser zuzuhören, andere sagen, man müsse die Kundenwünsche begrenzen und weniger Sondermaschinen konstruieren. Wie kann man da die Balance finden?

Buchwitz: Es kommt immer darauf an, wer sich zu dieser Frage äußert. Ein junges Unternehmen wie Zebra Engineering kann natürlich viel mehr neu gestalten, hat eine grüne Wiese, wo es Lösungen ausprobieren und Standards setzen kann. Wenn ein Unternehmen 75 Jahre alt ist, dann haben diese Unternehmen eine Produkthistorie. Sie müssen die bestehenden Maschinen betreuen, die dann teilweise modernisiert werden müssen. Es  sind ganz andere Herausforderungen, vor denen solche Unternehmen stehen. Deswegen gehen sie das Thema Modularisierung aus einer anderen Perspektive an.

Also haben beide Perspektiven ihre Berechtigung?

Buchwitz: Am Ende läuft das ganze zusammen: Es braucht einerseits diese Nähe, um herauszufinden, wo die Herausforderungen des jeweiligen Kunden liegen. Wenn ich diese Herausforderungen durch Standardisierung erfüllen kann, haben beide Seiten etwas davon – Maschinenbauer und Endkunden. Jede Variantenvielfalt kostet den Kunden am Ende auch Geld, beispielweise im Service. Insofern ist es eine Win-Win-Situation. Es braucht aber diesen Kulturwandel.

Ein Kulturwandel braucht mindestens drei Jahre innerhalb eines Unternehmens

Genau das stelle ich mir schwierig vor, weil es vermutlich langjährige Kunden gibt, die gewisse Lösungsansätze gewohnt sind. Wünsche und Anforderungen etwa, auf die der Maschinenbauer eingeht und deren Umsetzung er möglich macht. Da gilt es wahrscheinlich auch auf Kundenseite, sich umzustellen?

Buchwitz: Ja, definitiv. Man sagt, so ein Kulturwandel braucht mindestens drei Jahre innerhalb eines Unternehmens. Was allen hilft, ist dass es eine gewissen Marktdruck, einen gewissen finanziellen Druck gibt – Stichwort Time-to-Market. Wenn der Kunde feststellt, dass mehr Standardisierungen und mehr Modularisierung dazu führen, dass er schneller mit seinem Endprodukt am Markt ist, dann ist das die normative Kraft des Faktischen. Dann stellt er den Nutzen fest, auch in der Gesamtkostenbetrachtung  – und das überzeugt dann. Denn alles, was den Leidensdruck auf Kundenseite abmildert, überzeugt ihn am Ende.

Maschinenbauer sollten die Bedürfnisse der Kunden also über die technischen Erfordernisse an die Maschine hinaus kennen – und abwägen, ob sie den Wunsch nach einer einzelnen Sondermaschine erfüllen und sich damit Aufträge sichern – oder den eher langfristigeren, betriebswirtschaftlichen Kundenwunsch nach Schnelligkeit am Markt und Effizienz.

Buchwitz: Wenn der Kunde nur sehen würde, dass der Nutzen beim Maschinenbauer liegt, die Definition von Modularität nur aus der Herstellersicht kommt, würde das nicht überzeugen.

Worin liegen weitere Herausforderungen beim Kunden, die die Verpackungsmaschinenbauer mitdenken müssen?

Buchwitz: Nicht selten stehen sie zusätzlich vor der Herausforderung, dass Produkte mehrerer Unternehmen, die unterschiedliche technische Plattformen haben, zu einer Linie vereint werden müssen. Viele Kunden haben nämlich bislang nicht nur Maschinen vom Hersteller X, sondern auch von den Hersteller Y und Z. Und mehr noch: Der eine Hersteller setzt auf Automatisierung A, der Zweite auf Automatisierung B und der Dritte auf C. Und diese Gesamtlinie muss die Ergebnisse in Qualität und Stückzahl erfüllen und gut zu warten sein. Die unterschiedlichen Technologien setzen den Endkunden unter Standardisierungsdruck.

Das Problem hat auch Herr Dahlhoff von SMC Deutschland als Referent beim Verpackungsmaschinentag angesprochen. Hilfreich wäre für derart komplexe Anforderungen ein System, das in sich einfach ist. Wie kamen Sie auf das Unternehmen SMC als Gastgeber?

Buchwitz: Das war relativ einfach. Die Mitglieder des Packaging Valley sind immer mal wieder bei anderen Unternehmen zu Besuch – und vor eineinhalb Jahren waren wir hier in Egelsbach bei SMC. Wir haben gemeinsam beraten, was wir für unser Netzwerk tun können. Und weil Jörg Dahlhoff als Stategischer Manager bei SMC und ich den letzten Verpackungsmaschinentag in positiver Erinnerung hatten – damals waren wir allerdings nicht Organisatoren – haben wir beschlossen: Wir lassen das Format wieder aufleben und schauen, wie es ankommt.

Und wie lautet Ihr Fazit – kommt die Idee gut an, den Verpackungsmaschinentag wieder zu beleben?

Buchwitz: Offensichtlich ja. Wir können uns gut vorstellen, das Format auch über die kommenden Jahre weiterzuführen. In welchem Turnus, wird man sehen – das hängt auch von großen Veranstaltungen wie Messen ab.


Martin Buchwitz ist seit 2019 Mitgeschäftsführer des Packaging Valley.


Interview: Natalie Kotowski