War‘s das nach CETA?

Mit der Wahl Donald Trumps zum 45. amerikanischen Präsidenten ist das Freihandelsabkommen TTIP wohl gestorben – oder zumindest ins Koma versetzt worden. Was aber ist mit CETA, dem Abkommen zwischen Europa und Kanada? Was wird es bringen?

Der Freihandel gerät politisch gerade von zwei Seiten unter Druck. Schon lange gab es eine globalisierungskritische Ablehnung, die sich vor allem mit der ungerechten Verteilung von Wohlstandsgewinnen zwischen und in den Staaten sowie den ökologischen Auswirkungen befasste. Freihandel mache unfrei, war die zentrale These, weil er die wirtschaftlich führenden Staaten stets bevorteile und schwächere Staaten keinen Schutzraum fänden, um ihre Industrien aufzubauen. Mit Blick auf die Zukunft würden die Chancen zwischen und in den Staaten ungerecht verteilt und die Kosten zudem der Umwelt und damit nachfolgenden Generationen aufgebürdet.

Nun aber kommt noch eine Kritik hinzu, die aus dem Blick in die Vergangenheit ihre Berechtigung behauptet. Weil Freihandel zur Deindustrialisierung ganzer Regionen geführt habe, etablierte Wertschöpfungsketten regional verlagerte und alle Wirtschaftsakteure ungeschützt dem internationalen Wettbewerb aussetzte, sei er schädlich für die nationale Wirtschaft. Das ist die populistische Ablehnung von Freihandel. Donald Trump hat mit diesem Argument die Wahlen in den USA gewonnen. Demnach sind es die nachholenden Staaten, die aus dem Freihandel ihre Vorteile ziehen, weil sie über ein niedrigeres Lohnniveau verfügen und den wirtschaftlich entwickelten Staaten die Arbeitsplätze entwenden.

Die Wahrheit liegt, wie so häufig, zwischendrin. Beide Argumente überzeichnen zudem einen Teil der Wirkungen von Freihandelsregimen, aber beileibe nicht deren ganze Breite. Denn für die Bewertung kommt noch hinzu, dass die Regeln des freien Handels heruntergebrochen werden müssen auf einzelne Branchen, die aus bestimmten Regelungen ihre Vorteile ziehen. Das wird – und CETA, das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen, wird da keine Ausnahme sein – erst mit den Jahren deutlich werden. Denn während der Verhandlungen sind vor allem politische Beruhigungen seitens der Regierungen zu hören. Was sie vor Gerichten aber wert sind, sieht man erst später. Die Krankenkassen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die kommunalen Unternehmen werden das verfolgen.

Zur Betrachtung von Freihandelsabkommen gehört aber auch, dass internationale Standards eben von denjenigen festgelegt werden, die sie festlegen. Wenn sich also die USA jetzt weigern, das Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) zu ratifizieren und das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) überhaupt fertig zu verhandeln, dann bedeutet das ja nicht, dass es andere nicht tun werden. China hat schon sogleich signalisiert, dass es hierfür bereit stehe. Und CETA wird mit einem Schlag bedeutsamer: nicht mehr der kleine Bruder von TTIP, sondern auf Jahre hinaus möglicherweise das letzte große Abkommen.

Was wird CETA bringen? Während der Verhandlungen, die ja bis zum Ende prekär blieben, forderte insbesondere der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein engagiertes Eintreten der Bundesregierung. Denn das Abkommen sei von großer Bedeutung für die deutsche Exportwirtschaft. Negative Effekte seien der ähnlichen Lohn- und Kapitalstruktur Kanadas wegen sehr unwahrscheinlich. So werden auch von den meisten Fachbeobachtern positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit erwartet.

Risiken werden von diesen wie auch der Öffentlichkeit insgesamt weniger im wirtschaftlichen Bereich, etwa der Abwanderung von Arbeitsplätzen, gesehen, sondern vor allem hinsichtlich der Absenkung von Sozial- und Umweltstandards sowie des Investitionsgerichts und der juristischen Folgen dieses Abkommens.

Das Bundesverfassungsgericht hatte nach einer kurzfristig angesetzten Anhörung die vorläufige Anwendung von CETA zugelassen, die Bedenken dagegen jedoch in Bedingungen aufgegriffen. Die vorläufige Anwendung darf eine eingehende juristische Prüfung nicht ausschließen und nur das umfassen, was im Kompetenzbereich der EU liegt.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von CETA werden für unterschiedliche Branchen, von der Landwirtschaft bis zur Pharmaindustrie, verschieden, insgesamt jedoch als positiv bewertet. Überall werden allerdings Konzentrationsprozesse zu beobachten sein, die kleinere Unternehmen vom Markt verdrängen. Intensiver Preiswettbewerb, stärkere Forschungsinvestitionen und der Strukturwandel des Arbeitsmarktes gehen dabei Hand in Hand.

Auch wenn die Auswirkungen derzeit aus deutscher Sicht deutlich als positiv zu beschreiben sind, wird doch erst die Auslegungspraxis in den nächsten Jahren ein vollständiges Bild zeigen. Wichtiger aber wird zu beobachten sein, ob CETA für lange Zeit das letzte große Handelsabkommen bleiben wird. In der Folge werden bilaterale und kleinere Handelsabkommen noch zahlreicher abgeschlossen und damit die Wirkungen dieses Geflechts an völkerrechtlichen Verträgen noch schwieriger abzuschätzen sein. Für Unternehmen stellt dies eine große Herausforderung und gleichzeitig einen erheblichen Kostenfaktor dar.

Thomas Jäger

Zur Person
Professor Dr. Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Zudem ist er Herausgeber von Zeitschriften und Bücherreihen über außenpolitische Themen und politische Beziehungen.