Die Wirtschaftssenioren Heilbronn als Sparringspartner für Unternehmer

Der Lauffener Walter Börsch war Jahrzehnte lang in der Geschäftsführung von Werkzeugmaschinenbau-Firmen. Als Vorsitzender der Wirtschaftssenioren Heilbronn berät er heute ehrenamtlich Unternehmer. Und kann in vielen Fällen helfen – auch wenn er dafür manchmal den Finger in die Wunde legen muss.

Wirtschaftssenioren Heilbronn
Die Wirtschaftssenioren Heilbronn verstehen sich als Sparringspartner für kleine und mittelständische Unternehmen. Foto: Ingrid Düstersiek-Schuster, www.fotodesign-kuenzelsau.de

Der Backenzahn schmerzt höllisch. Es puckert und pocht im Mund, und man hadert – das Kühlkissen an der Wange – mit sich selbst: „Warum hast Du Deine Kontrolluntersuchungen nicht wahrgenommen? Warum stammt der letzte Stempel in Deinem Bonusheft aus 2019?“ Vorsorgen ist besser als heilen – das sollte für die eigene Gesundheit gelten, aber es muss auch in der Unternehmensführung die Devise sein, findet Walter Börsch, Vorsitzender des Vereins WirtschaftsSenioren Heilbronn mit postalischem Sitz in Bad Friedrichshall.

Seit 2011 beraten insgesamt 30 gestandene „alte Unternehmer-Hasen“ im Ruhestand Führungskräfte für 60 Euro Honorar pro Stunde – wo nach Börschs Erfahrung externe Berater in der freien Wirtschaft im Schnitt das Drei- bis Fünffache veranschlagen. Weil die Senioren – allesamt ehemalige Führungskräfte oder Inhaber – ehrenamtlich beraten, spendet der gemeinnützige Verein das eingenommene Geld zugunsten sozialer Projekte gegen Kinderarmut. 260.000 Euro waren es laut Börsch seit der Gründung, die an Schulen und Einrichtungen gingen, im November werden weitere 30.000 Euro als Spende übergeben. Eine Beratung in Anspruch zu nehmen, kann Ideen geben, und manchmal Unheil abwenden. Das ist es, was Börsch mit Vorsorge meint.

Präventiv, vorbeugend und kontrolliert handeln

Der studierte Maschinenbauer war viele Jahrzehnte in der Geschäftsführung unterschiedlicher Maschinenbau-Unternehmen. Erst in Ludwigsburg, später in der Schweiz und Österreich, stieg er über verschiedene Aufgabenfelder in Produktion, Service und Vertrieb in die Führungsetagen der jeweiligen Unternehmen auf. In seiner Branche hätten die Schlagworte „Predictive“ beziehungsweise „Preventive Maintenance“ geheißen: „Das bedeutet, nicht zu warten, bis die Maschine ausfällt, sondern regelmäßig den Zustand zu begutachten und dann vorbeugend und kontrolliert zu handeln“, erläutert er. „Viele Kunden fahren eine Maschine, bis das Ding steht. Dann rufen sie an und innerhalb von acht Stunden muss alles repariert sein.“ Dann sei der Schaden oft größer als gedacht – wie beim Dentisten, der einen Zahn ziehen muss, wo sonst eine Füllung genügt hätte.

Dass es weh tun kann, Probleme in Vertrieb, Organisationsstrukturen  und Produktion, in Steuerfragen oder bei der Unternehmensnachfolge offen zu legen und professionell behandeln zu lassen, weiß Börsch: „Ich würde mir wünschen, dass viel mehr Unternehmen rechtzeitig sagen: Können Sie sich einmal meinen Vertrieb angucken, meine Auftragslage, kann man etwas verbessern, brauche ich einen Onlineshop? Aber das ist wie im täglichen Leben. Sie wissen, sie müssten das tun, aber sie machen es dann doch nicht.“

Wirtschaftssenioren Heilbronn raten ab vom Prokrastinieren

Doch nicht alle prokrastinieren, wenn es ums Geschäft geht: Etwa 15 bis 20 kleine und mittelständische Unternehmen betreuen die Wirtschaftssenioren Heilbronn laut Börsch jährlich in Fragen zu Gründung, Unternehmens-Optimierung und -Nachfolge beziehungsweise -Verkauf. Etwa 80 Prozent davon kommen nach seiner Schätzung aus Stadt und Landkreis Heilbronn. Und einige seien so begeistert gewesen, dass sie als Testimonial auf der neu gestalteten Homepage des Vereins die Expertise der Berater loben – etwa die Schwarz GmbH in Güglingen, Gutsche Engineering in Untereisesheim oder MBO in Obereisesheim.

Manche Kunden holen sich seit mehr als fünf Jahren regelmäßig den Rat der Senioren, da sich mit wachsender Größe eines Betriebs Herausforderungen ändern: „Mit ihnen bleiben wir im Gespräch, berichten ihnen auch von Lösungen anderer Firmen“, erzählt er. Eventuelle Probleme mit Hilfe der ehrenamtlichen Berater an der Wurzel zu packen, „wäre am Ende erfolgreicher für das Unternehmen, als dass irgendwann die Bank anruft und mit der Sperrung der Kreditlinie droht“, fasst der Vorsitzende zusammen.


Beraterhonorar wird gespendet

Das Beraterhonorar von 60 Euro pro Stunde spenden die ehrenamtlich arbeitenden Wirtschaftssenioren Heilbronn für Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Dafür wird jedes Jahr der „Preis der Wirtschaftssenioren“ ausgeschrieben, der nominell mit 20.000 Euro dotiert ist. Die tatsächliche Spendensumme hängt von der finanziellen Situation des Vereins im jeweiligen Jahr ab. Wer das Geld erhält, entscheiden die Senioren anhand der Förderrichtlinien – dem Vereinszweck der Kinder- und Jugendhilfe. Der Vorstand spricht eine Empfehlung aus, abschließend entscheiden die Mitglieder.


Dabei spüren Börsch und die übrigen 14 derzeit aktiv beratenden Mitstreiter oft den Willen der Kunden, den eigenen Betrieb nach vorn zu bringen: „Diese Macher-Mentalität gibt es noch. Neulich habe ich wieder bei zwei Unternehmen gedacht, wow, diese Menschen sind einfach unerschütterlich im Glauben an ihre Fähigkeiten. Nicht überheblich, sondern mutig in der Umsetzung. Solche Leuchttürme brauchen wir.“ In einem Fall habe sich der Kunde selbstständig gemacht, und beschäftige inzwischen 40 Mitarbeiter. „Ich hatte sein Modell als „low cost“ eingeschätzt, dessen Produktion besser in Rumänien aufgehoben wäre. Aber nein, er sitzt hier, hat sich eine Nische gesucht, geschickt automatisiert und seine Beschäftigten motiviert, sodass er auch neue Mitarbeiter anzieht. Das, aber auch ein Reinhold Würth oder Dieter Schwarz zeigen: Es ist vieles möglich.“

Wirtschaftssenioren Heilbronn beraten und unterstützen

Gerade die zahlreichen inhabergeführten Unternehmen in der Region seien mit „Haut und Haar“, wie Börsch es nennt, als haftende Unternehmer involviert und schon deshalb an Beratung interessiert. Die Wirtschaftssenioren berücksichtigen solche unterschiedlichen Strukturen: „Ich habe neulich mit einem Unternehmer über notwendige Änderungen in der Fehlerkultur diskutiert. Ich habe ihm gesagt, er dürfe seine Mitarbeiter nicht mit Kritik vor den Kopf stoßen, sonst habe er zu jedem Quartal eine Kündigungswelle. Da antwortete er: „Sie haben gut reden, Herr Börsch. Das ist ja nicht ihr Geld. Der Fehler des Kollegen hat mich mal eben 8000 Euro gekostet, und ich bin derjenige, der den Zahlungsplan der Bank einzuhalten hat.“ Bei Eigentümern spüre man einen anderen Druck, manchmal sogar Leidensdruck: „Inhaber müssen oft einsame Entscheidungen treffen. Da wollen wir Sparringspartner sein.“

Einen gewissen Druck verspüren nach Börschs Erfahrung tatsächlich die meisten Unternehmen – insbesondere durch Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie und die Wünsche der jüngeren Generation nach besserer Work-Life-Balance. Die Stimmung in den Unternehmen sei spürbar gedrückt. Unumstritten gebe es deutlich verschlechterte Rahmenbedingungen, aber teilweise werde auch gejammert und zu schnell nach Hilfe vom Staat gerufen. „Ich sage immer: Mensch, Ihr seid doch Unternehmer, übernehmt Verantwortung. Wir haben in ein und derselben Branche Unternehmen, da florieren die Geschäfte beim einen, und beim anderen muss man schauen, wie er an einer Insolvenz vorbeikommt.“ Das habe aber viel mit dem jeweiligen Geschäftsmodell zu tun: Wie wähle ich Zielgruppen aus, wie gehe ich auf Kunden zu, wie motiviert ist meine Mannschaft. „Es sind viele Stellhebel, die ein Unternehmer auch in schwierigen Zeiten noch hat“, sagt der Vorsitzende.

Heilbronner Land: ein fruchtbares Gesamtökosystem

Diese Stellhebel zu bewegen, auch wenn es bedeutet, den Finger frühzeitig in Wunden zu legen, bevor der metaphorische Schmerz noch größer wird – das ist den Wirtschaftssenioren ein Anliegen, dessen Wert sie aus ihrem Berufsleben selbst noch kennen.

Wer rechtzeitig handele, habe allen Grund zu Optimismus: „Die positive Botschaft ist: Bei uns ist gibt es viel Innovationskraft, was Produkte und Geschäftsideen angeht. Und Mitarbeiter, die am Puls der Zeit sind und auf Trends und Tipps früh reagieren und etwas verändern wollen.“ Wirtschaftlich gesehen, sei das Heilbronner Land ein fruchtbares Gesamtökosystem mit großen und kleinen Unternehmen, vielen Zulieferern, gutem Bildungsangebot und exzellenten betrieblichen Ausbildungen, „ein Cluster, das sehr dynamisch bei wirtschaftlichen Entwicklungen ist“. Gute Voraussetzungen für wirtschaftliche Gesundheit also – wenn die Prävention stimmt.

Wirtschaftssenioren Heilbronn

Zur Person

Walter Börsch berät seit 2021 Unternehmen für die Wirtschaftssenioren Heilbronn e.V. Vor zwei Jahren wurde der 65-Jährige erster Vorsitzender des Vereins. Börsch studierte nach einer Mechanikerlehre Werkzeugmaschinenbau in Aachen und war in verschiedenen großen Maschinenbau-Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und zuletzt in Österreich in der Geschäftsführung. Mit seiner Frau lebt er in Lauffen und hat fünf erwachsene Kinder.


  Natalie Kotowski  

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