Ausbildungsmarkt als starker Bewerbermarkt

Ausbildungsmarkt
Regionale Unternehmen benötigen Nachwuchs an Fachkräften, um ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Aber viele Ausbildungsstellen konnten nicht besetzt werden. Foto: Adobe Stock/New Saetiew

Arbeitsagentur, Südwestmetall und DGB ziehen eine gemeinsame Bilanz zum Ausbildungsmarkt in der Region. Er bietet große Herausforderungen, aber auch Chancen.

Die Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim verzeichnete von Oktober 2022 bis September 2023 einen Anstieg von Ausbildungsstellen. Insgesamt wurden 5890 Lehrstellen gemeldet, was einem Zuwachs von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Etwa 19 Prozent der Stellen konnten nicht besetzt werden. Das bedeutet, dass 1080 Ausbildungsbetriebe Schwierigkeiten hatten, den richtigen Nachwuchs zu finden.

Die Agentur für Arbeit unterstützte nach eigenen Angaben im vergangenen Ausbildungsjahr 2871 Bewerberinnen und Bewerber bei ihrer Berufsorientierung und Vermittlung. Dies entspricht einer Steigerung von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Etwas mehr als die Hälfte dieser Jugendlichen hat sich für eine betriebliche Ausbildung entschieden, 14 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

„Der Ausbildungsmarkt ist ein starker Bewerbermarkt und Arbeitgeber sehen sich zunehmend vor Herausforderungen gestellt, innovative Wege zu finden, um junge Menschen für ihre Ausbildungsplätze zu begeistern“, sagt Elisabeth Giesen, Leiterin der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim. Das Wissen darum, wie die jungen Menschen ticken, sei wichtig. „Wir erreichen die Jugendlichen vor allem über deren Kommunikationswege und viele Betriebe haben schon gute Erfahrungen damit gemacht, das Bewerbungsverfahren niederschwellig und unkompliziert zu halten.“

Demografischer Wandel

Der demografische Wandel und weitere Trends wie eine alternde Bevölkerung und Urbanisierung führen laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu einem größeren Bevölkerungsrückgang in ländlichen Regionen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit potenzieller Auszubildender. Laut IAB wird es für den demografischen Aspekt bis 2050 keine Entwarnung geben.

„Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, das Fachkräftepotenzial nicht auszuschöpfen“ betont Elisabeth Giesen. Betriebe sollten ihren Fokus auch verstärkt darauf ausrichten, Jugendlichen mit schwierigen Startbedingungen eine Chance zu geben, um den Fachkräftebedarf von morgen zu sichern. Zahlreiche Angebote wie die Einstiegsqualifizierung, die Assistierte Ausbildung und Berufsvorbereitende Maßnahmen unterstützen laut der Agentur für Arbeit Jugendliche und junge Erwachsenen sowie Betriebe auf dem Weg zum erfolgreichen Berufsabschluss. Durch die Teilzeit-Ausbildung werde auch für junge Menschen, die beispielsweise familiäre Verpflichtungen haben, der Weg zum Berufsabschluss möglich.

„Auch im Interesse der Unternehmen ist es unabdingbar, möglichst viele junge Erwachsene ohne Berufsabschluss für eine Berufsausbildung zu gewinnen. Eine Ausbildung bleibt nicht zuletzt mit Blick auf die Transformation der Arbeitswelt die grundlegende Basis für ein erfolgreiches Berufsleben“, sagt die Agenturleiterin.

Viele Ausbildungsplätze unbesetzt

Jörg Ernstberger, Geschäftsführer Südwestmetall Heilbronn/Franken, kommentiert: „Leider können wir mit Blick auf unsere Mitgliedsunternehmen keine Entwarnung geben! 13 Prozent der Ausbildungsplätze in Baden-Württemberg blieben im Ausbildungsjahr 2022/2023 unbesetzt. So verzeichnen wir flächendeckend – unabhängig von der Branche, der Größe und des Bekanntheitsgrades von Unternehmen – große Schwierigkeiten, genügend Bewerberinnen und Bewerber für die angebotenen Ausbildungsplätze zu finden. Im Agenturbezirk Heilbronn kommen 62 Bewerber auf 100 gemeldete Ausbildungsplätze, in Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim sind es sogar lediglich 50 Bewerber auf 100 Plätze.“

Die unbesetzten Ausbildungsstellen seien weiterhin auf zu geringe Bewerberzahlen zurückzuführen. Denn das Ausbildungsplatzangebot bleibe bei den im Verband Südwestmetall organisierten Unternehmen auf hohem Niveau. Auch der Ausblick auf die kommenden Jahre verheiße ein Mehr an angebotenen Ausbildungsplätzen. „Für unsere Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit brauchen wir eine starke Fachkräftebasis! Diese droht zu erodieren und der Fachkräftemangel entwickelt sich immer mehr zur Wachstumsbremse. Dadurch schränken sich unsere Handlungsoptionen mit Blick auf Zukunftstechnologien ein“, sagt Ernstberger.

Zu viele Menschen ohne Schulabschluss

Auch Silke Ortwein, Regionsgeschäftsführerin DGB Region Heilbronn-Franken, sieht den Ausbildungsmarkt ist im Krisenmodus. „Auch in diesem Herbst bleibt weiter eine viel zu hohe Zahl an Ausbildungsplätzen unbesetzt. Gleichzeitig haben in Deutschland mit rund 2,64 Millionen jungen Menschen zwischen 20 und 34 viel zu viele keinen Berufsabschluss – das ist nicht nur für jeden einzelnen dramatisch, sondern insgesamt auch ein schlimmer historischer Höchststand. Jugendliche, die maximal einen Hauptschulabschluss haben, schaffen immer seltener den Sprung in eine Ausbildung“, sagt Ortwein.

Dabei seien viele Probleme hausgemacht. Ein Blick in den Ausbildungsreport der DGB-Jugend zeige: Mangelnde digitale Ausstattung in Betrieb und Berufsschule, Überstunden, ausbildungsfremde Aufgaben – die von Auszubildenden beklagte Mängelliste ist lang. Das hat Folgen: So brach laut ARD jeder dritte Azubi im Bereich Heizung/Lüftung/Sanitär – also einem der Schlüsselbereiche der notwendigen energetischen Transformation, seine Ausbildung ab. „Gerade in Zeiten, in welchen Inflation und Unsicherheiten infolge der Kriege und des Klimawandels die Konjunktur bremsen, wäre es wichtig, erst recht an der Konkurrenzfähigkeit der Betriebe und deshalb auch am Thema Ausbildung zu arbeiten“, sagt Ortwein. Aus ihrer Sicht geht es dabei neben der Anzahl der Ausbildungsplätze auch um deren Qualität, denn so Ortwein weiter: „Wir brauchen jeden einzelnen Kopf – gerade jetzt.“

red.