Projekt zur Nachhaltigkeit bei Ernährung und Konsum der Bürgerinitiative pro Region

Nachhaltig regional einzukaufen und essen – darauf kann jeder Einzelne achten. Die Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken e.V. will mit einem EU-geförderten Projekt Kommunen und Bürger in Sachen Ernährung sensibilisieren. Das PROMagazin hat mit Blick auf das Nachhaltigkeitssymposium zum Projekt „Nachhaltigkeit – eine Strategie für Heilbronn-Franken“ mit Friedlinde Gurr-Hirsch, der Vorsitzenden der Bürgerinitiative, gesprochen.

Bürgerinitiative pro Region
Ob regionale Kartoffeln oder aus Ägypten importiert: Die CO2-Fracht macht den Unterschied – dafür will die Bürgerinitiative pro Region die Menschen mit ihrem Nachhaltigkeits-Projekt sensibilisieren. Foto: AdobeStock/karepa

Frau Gurr-Hirsch, die Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken e.V. erhält Fördergeld aus dem LEADER-Programm der EU, das die Wirtschaft im ländlichen Raum abzielt und bewusst bürgernah angelegt ist. Pro Region hat diese Förderung nun für ihr Projekt „Nachhaltigkeit – eine Strategie für Heilbronn-Franken“ erhalten. Was ist geplant?

Friedlinde Gurr-Hirsch: Wir wenden uns damit direkt an die 950.000 Menschen in der Region, um zu zeigen: Wenn jeder sein Lebens leben ein bisschen neu ausrichtet, kann er auf der Welt was bewirken. Diese Erkenntnis gab es bereits beim ersten Umweltgipfel 1992 in Rio. Und da hieß es schon: Wenn an vielen kleinen Orten lokal gehandelt gehandelt wird, hat es global Auswirkungen. Wir haben jetzt den Ehrgeiz, die Menschen zu erreichen – natürlich in Zusammenarbeit mit den Kommunen, die das Heft in der Hand halten und wissen, was in den einzelnen Gemeinden oder Städten los ist. Das LEADER-Programm funktioniert gewissermaßen „Bottom up“, von „unten nach oben“. Wir sind die flächenstärkste Region in Baden-Württemberg und haben hier eine ganz besondere Gesellschaftsstruktur im ländlichen Raum. Die Menschen haben durchaus noch eine andere, nachhaltigere Denke.

Sie fokussieren in ihrem Projekt auf Nachhaltigkeit beim Ernährung und Konsum. Wie kam es zu diesem Schwerpunkt?

Gurr-Hirsch: Jeder entscheidet täglich, wieviel CO2 er produziert: bei der Mobilität, beim Einkaufen von Kleidern, bei Verpackungen. Aber am deutlichsten kann der Einzelne Einfluss nehmen beim Essen. In Deutschland werden jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Da kann jeder Verbraucher ansetzen bei der Art, wie er einkauft: ob er Kartoffeln aus Ägypten wählt, die schon eine unheimliche CO2-Fracht mitbringen – oder ob er sie beim Bauern um die Ecke kauft, womöglich selbst anbaut. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen beim Ernähren ansetzen, beim Einkauf, beim Kochen, beim Lagern. Und wir wollen die gesamte Lebensspanne des Menschen in den Blick nehmen.

Wie lässt sich das in einem Projekt umsetzen?

Gurr-Hirsch: Fast 50 Prozent der Deutschen nehmen heutzutage ihr Mittagessen außer Haus ein. Wenn ich etwas erreichen will, muss ich bei der Gemeinschaftsverpflegung – etwa in einem Krankenhaus wie den SLK-Kliniken in Heilbronn anfangen, wo Tausende von Essen täglich produziert werden. Wenn es da gelingt, dass ein bestimmter Prozentsatz regional eingekauft und verwertet wird – was in Heilbronn durchaus der Fall ist – ist das ein großer Beitrag. Oder bei Audi und anderen großen Unternehmen, wo es ja auch um Tausende von Essen geht. Wenn ich da mit dem Koch und dem Einkauf zusammenarbeite, wenn ich es erreiche, dass eine Gemeinde in Zukunft die Essen für die Kitas, Schulen und Altersheime dort bestellt, wo regional eingekauft und regional gekocht wird – dann kann ich direkt Einfluss nehmen auf die die Ernährung und die CO2-Fracht verringern. Aber was noch viel wichtiger ist: ich kann das Denken der Menschen ein wenig verändern.

Mit dem Projekt wollen Sie aber auch Kompetenzen im Umgang mit Lebensmitteln stärken. Welchen Weg wollen Sie gehen?

Gurr-Hirsch: Bei einem 50-Jährigen, der sein ganzes Leben lang Fertiggerichte gekauft hat, können wir vermutlich nicht viel bewirken. Aber wenn schon in der Kita mit Ernährungserziehung begonnen wird, kann ich von klein auf sensibilisieren. Vielleicht reden die Kinder mit den Eltern darüber oder stellen beim Einkaufen Fragen. Unser Maximalziel wäre, möglicherweise in der Bildungspolitik ein Schulfach zu etablieren, das Alltagskompetenz heißen könnte. Das haben wir bei unserem Symposium in Waldenburg vorgestellt.

Das heißt, sowohl Bürger als auch Entscheider vor Ort in dieses Projekt eingebunden sind?

Gurr-Hirsch: Ganz genau. Zum Beispiel Volkshochschulen, die die möglicherweise auch bei Erwachsenen einen letzten Versuch machen können, aber auch Verbände, die direkter damit zu tun haben, also zum Beispiel der Bauernverband in Hohenlohe, die Landfrauen, die auf dem Gebiet ja auch eine hohe Kompetenz haben. Der Hotel- und Städteverband, Ernährungshandwerker wie Metzger oder Bäcker, die in der Handwerkskammer sind. Im Prinzip kann sich jeder einbringen, indem er fragt: Wie werden Kita-Kinder verpflegt? Was packt die Gemeinde in Präsentkörbe, wenn sie dem 90-Jährigen gratuliert? Wie unterstützt die die Kommune – kauft sie beim örtlichen Bäcker und Metzger, wenn sie Empfänge gibt? Hat die Schule einen Schulgarten? Was für ein Programm hat die die Volkshochschule? Kann man in ländlichen Räumen einmal pro Woche oder im Monat ein Essen für Senioren anbieten?

Das Projekt läuft seit vergangenem Jahr und soll voraussichtlich 2027 abgeschlossen sein. Was konnten Sie schon erreichen?

Gurr-Hirsch: Die genannten Akteure haben alle schon mitgearbeitet. Dass das natürlich nicht in den 111 Gemeinden in Heilbronn-Franken gleichermaßen passiert, ist klar. Aber wir sehen viel Engagement in den Pilot-Kommunen Künzelsau, Crailsheim-Großrinderfeld, Bad Rappenau, Heilbronn und auch Wertheim, das aber aktuell wegen des Erhalts ihres Krankenhauses noch nicht im gleichen Umfang mitwirken kann. In Bad Rappenau hatten wir schon jetzt den ersten Regionalmarkt, genauso in Großrinderfeld. Damit zeigt eine Gemeinde, dass sie regionale Anbieter hat. Das stärkt das Wir-Gefühl. Wir werden nächstes Jahr in Bad Rappenau den Regionaltag veranstalten – ein Thema soll Rehabilitation und Ernährung sein.

Glauben Sie, dass die LEADER-Förderung und das Engagement der Pilotkommunen Nachahmer finden wird?

Gurr-Hirsch: Diese Leader-Programme sind für ländliche Gebiete gedacht, die wirtschaftlich ein bisschen im Schatten stehen. Maß dafür ist das durchschnittliche Bruttosozialprodukt. Unsere Beteiligung beim Leader-Programm gilt also nicht für die ganz Heilbronn-Franken, sondern nur für bestimmte Gebiete. Waldenburg etwa, wo unser Symposium tagt, fällt dort hinein. Doch die allgemein gewonnenen Erkenntnisse aus diesen ländlichen Gebieten können wir natürlich auf die ganze Region übertragen. Und vielleicht hört es sich ein bisschen nach Hybris an, aber wir haben die Vision, mit unseren sechs Pilot-Kommunen auf andere Gebiete in Baden-Württemberg auszustrahlen, vielleicht sogar noch weiter. Vielleicht wird man woanders sagen: Okay, die haben das da hingekriegt – wir versuchen, so etwas nachzumachen.

Und was ist nun nach dem Nachhaltigkeits-Symposium der allernächste Schritt für die Bürgerinitiative pro Region?

Gurr-Hirsch: Die enge Begleitung der Kommunen. In Zeiten einer Regierungskrise und einer unsicheren Entwicklung in der Welt insgesamt, gerät das Thema Nachhaltigkeit in Gefahr, vergessen zu werden. Deswegen werden wir das nächste Jahr nutzen, ganz konkret in jedem Ort Projekte zu begleiten und bekannt zu machen.

Bürgerinitiative pro Region

Zur Person

Friedlinde Gurr-Hirsch ist Vorsitzende der Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken e.V. 20 Jahre lang war sie CDU-Landtagsabgeordnete, von 2004 bis 2011 und von 2016 bis 2021 zudem politische Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum.


Interview: Natalie Kotowski

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