„Stell dir vor, es gibt Daten, und keiner macht was draus.“ Wie eine aktuelle Studie zeigt, ist das in vielen Industrieunternehmen Realität. Erforderlich wäre eine datenbezogene Unternehmenskultur.

Michael Feldmeth bringt es auf den Punkt: „Zahlreiche Unternehmen in der DACH-Region nutzen das Potenzial ihrer Daten noch viel zu wenig.“ Feldmeth ist Leiter der Practice Unit Digital & Industrie 4.0 bei der Unternehmensberatung Staufen. Die Staufen AG und AppliediT, Spezialist für Echtzeitanalyse industrieller Daten, haben eine Studie zur Digitalisierung in Industrieunternehmen durchgeführt.
Von den 2023 befragten 417 Unternehmen in der DACH-Region geben 58 Prozent an, dass ihnen die Fachkräfte fehlen, um ihr Datenpotenzial überhaupt auswerten zu können. Hinzu kommen unstrukturierte Daten (53 Prozent) sowie fehlende analytische Kompetenzen und Plattformen (43 Prozent). Dadurch wird viel Wertschöpfungspotenzial, das sich bereits im Unternehmen befindet, verschenkt. Hinzu kommt, dass Daten häufig in unterschiedlichen Formaten und an verschiedenen Orten abgelegt werden. Die Folge der unterschiedlichen Datensätze: 60 Prozent der Befragten können nicht wirklich erfassen, wie die Daten zusammenhängen.
Datenpotenzial mehr als nur Momentaufnahme
Doch auch das generierte Wissen aus den Daten wird nach Ansicht von Feldmeth in der Praxis noch nicht ausreichend genutzt und angewendet. So geben 59 Prozent der Unternehmen an, dass es ihnen schwerfällt, die Erkenntnisse aus einer Datenanalyse in operative Maßnahmen umzusetzen. Hinzu kommt: „Die Auswertung von Daten wird immer noch mit einer statischen Momentaufnahme verwechselt“, erklärt Feldmeth. Das heißt: „Unternehmen wissen zwar, wie hoch die Auslastung einer Maschine zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Viel wichtiger wäre es aber, zu erfahren, welche Abhängigkeiten und Variablen entlang des Wertschöpfungsprozesses den spezifischen Output der Maschine beeinflussen. Diese Analysetätigkeiten werden jedoch häufig vernachlässigt.“
Dabei können nahezu alle Bereiche in einem Unternehmen von einer besseren Datenanalyse profitieren – vom Einkauf über die Entwicklung und die Produktion bis hin zur Rückverfolgung oder Wiederaufbereitung der Produkte. „Mit dem Wissen um die Zusammenhänge zwischen einzelnen Komponenten oder Prozessschritten lassen sich nicht nur einzelne Problemfelder punktgenau identifizieren, sondern auch die wichtigsten Stellschrauben bestimmen“, erklärt Ignacio Quiñonero Ferrer, Geschäftsführer von AppliediT. Diese Abhängigkeiten könnten jedoch nur durch eine professionelle Analyse erkannt werden.
Umdenken muss stattfinden
Quiñonero Ferrer weist noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin. Bei allem Bewusstsein für die wirtschaftliche Bedeutung der Daten werde das Thema nach wie vor zu oberflächlich behandelt. „Hier muss auf allen Ebenen ein Umdenken stattfinden“, fordert Quiñonero Ferrer. Ziel müsse es sein, eine datenbezogene Unternehmenskultur zu implementieren. Wie die Studie zeigt, fehlt diese jedoch noch bei mehr als der Hälfte der Unternehmen (53 Prozent).
Mit Blick in die nahe Zukunft hätte dies für die Unternehmen einen positiven Nebeneffekt. Eine datenbezogene Unternehmenskultur kann als Grundlage für die nächste Stufe der Digitalisierung dienen, für die zuverlässige und gute Daten in großen Mengen essenziell wichtig sind: der Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
bk