Die Europäische Kommission hat entschieden: Heilbronn ist „European Green Capital 2027“. Nach der Niederlage im vergangenen Jahr herrscht deshalb sprichwörtliches Aufatmen am Neckar.

Wer sich bewirbt, muss manchmal einen langen Atem haben. Genau diese Hartnäckigkeit legte die Stadt Heilbronn an den Tag. Mit Erfolg: Die Großstadt am Neckar ist „European Green Capital 2027“, zu deutsch „Grüne Hauptstadt Europas“.
Der Weg zum Titel glich allerdings eher einem Assessment-Center-Marathon: Schon im April vergangenen Jahres hatten Oberbürgermeister Harry Mergel und weitere Verantwortliche der Stadt eine 140 Seiten dicke Bewerbungsmappe bei der EU-Kommission eingereicht, mit der Heilbronn damals auf Anhieb ins Finale des europäischen Wettbewerbs eingezogen war.
Doch am Ende ging der Titel an die litauische Hauptstadt Vilnius. Dabei hatten die Arbeitsproben, die Heilbronn seiner ersten Bewerbung beigelegt hatte, durchaus gepasst: Eine Chance auf den Titel haben alljährlich alle Städte in Europa mit mehr als 100.000 Einwohnern, die Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit wirtschaftlichem Wachstum verbinden und damit die Lebensqualität ihrer Einwohnerinnen und Einwohner erhöhen.
Heilbronn zum „European Green Capital 2027“ ernannt
Im zweiten Anlauf musste es deshalb einfach klappen für die 130.000-Einwohner-Stadt, der jahrzehntelang der Spitzname „schwäbisches Liverpool“ anhaftete und deren Kraftwerkstürme alle architektonischen Kleinode der Stadt gefühlt um ungefähr 100 Meter überragen.
Mit der Bundesgartenschau 2019 war der Imagegewinn für Heilbronn schließlich schon einmal geglückt: 2,3 Millionen Besucher überzeugten sich damals von der Lebensqualität am Neckar. Oberbürgermeister Mergel hatte deswegen schon bei der ersten Bewerbung nach eigenen Worten gehofft, mit einem potenziellen Sieg „an das Buga-Feeling anknüpfen“ zu können. „Damals ist unser Modellquartier Neckarbogen entstanden, mittlerweile von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mehrfach ausgezeichnet“, sagte der Oberbürgermeister seinerzeit.
„Der Titel ist ein Preis für die ganze Stadt“
Umso gebannter hielt Harry Mergel vermutlich den besagten langen Atem an, als Anfang Oktober der Sieger für den Titel 2027 in Vilnius bekannt gegeben wurde: Nach Hamburg 2011 und Essen im Jahr 2017 ist Heilbronn die dritte Stadt in Deutschland, die die Europäische Kommission seit 2010 gewürdigt hat.
Die Neckarstadt setzte sich damit gegen Klagenfurt und das ungarische Debrecen durch, wobei das Augenmerk der Jury sich auf die Vernetzung der sieben Umweltbereiche Biodiversität, Klimaschutz und -anpassung, Abfall- und Kreislaufwirtschaft, Lärm, Luft- und Wasserqualität richtete. Heilbronn schaffte dabei nach eigenen Angaben Spitzenwerte. Insbesondere das Engagement der Bürger, von gemeinschaftlichen Gartenprojekten bis hin zu innovativen Mobilitätslösungen, habe die Juroren überzeugt.
Die Siegesfreude ist mehr als nur ein Aufatmen: „Der Titel ist ein Preis für die ganze Stadt – für die Verwaltung, die Politik, die Wirtschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger von Heilbronn. Das macht mich sehr stolz“, sagt Oberbürgermeister Mergel. Er bestätige ihm, „dass unser Weg stimmt und dass es sich lohnt, weiter mit Leidenschaft daran zu arbeiten, Heilbronn klimaneutral und innovativ zu gestalten.“ Den langen Atem der Stadt auf dem Weg zur „grünen Lunge Europas“ belohnte die Kommission mit 600.000 Euro, die Medien krönten den Titelgewinn mit Aufmerksamkeit.
Gastgeber für viele Events und Fachkonferenzen
Mit noch mehr öffentlichem Interesse – vielleicht sogar BUGA-Feeling – rechnet der Oberbürgermeister allemal: „Im Titeljahr werden europaweit alle Augen auf die Gewinnerstadt gerichtet sein. Ein Jahr lang werden wir Gastgeber sein für internationale Fachkonferenzen, kulturelle und viele andere Veranstaltungen“, kündigt Mergel an.
Großveranstaltungen, wie zur Eröffnung und zur Preisverleihung an die nächste „Grüne Hauptstadt“, dürften viele Besucher anziehen. Die Bürger Heilbronns und der gesamten Region würden von dem umfangreichen Programm profitieren, prognostiziert Mergel. Und nicht zuletzt wird „Heilbronn als ‚Grüne Hauptstadt Europas‘ zur Bühne für den Austausch über die Frage, wie Städte nachhaltiger, lebenswerter und zukunftsfähiger werden können“, sagt er.
Natalie Kotowski


