Dirigent Claudio Vandelli und die Schicksalssymphonie

Ausgerechnet die „Schicksalssymphonie“ war es, die Dirigent Claudio Vandelli im Alter von nur drei Jahren zur Musik brachte. Und bis heute klingt manches auf dem Karriereweg des Ersten Chefdirigenten der Würth Philharmoniker so, als hätte eine höhere Macht ihn nach Künzelsau geführt.

Dirigent Claudio Vandelli
Im Reinhold Würth Saal ist Claudio Vandelli in seinem Element. Foto: Würth/Ufuk Arslan

Es fängt dramatisch an. Die berühmten ersten vier Takte von Ludwig van Beethovens 5. Symphonie haben ihr den Beinamen „Schicksalsymphonie“ eingebracht. Und es klingt nach einem Wink des Schicksals, dass ausgerechnet dieses weltbekannte Werk das Leben von Claudio Vandelli dahin geführt hat, wo er heute steht: Seit fünf Jahren ist Vandelli Erster Chefdirigent der Würth Philharmoniker. „Es war tatsächlich schon immer mein Traum, Dirigent zu werden“, erinnert er sich – vom ersten Moment an, als er im Alter von drei Jahren ein Orchester spielen hörte.

„Mein Vater legte zuhause eine Platte auf. Ich war fasziniert und wollte wissen, was das war, wer der Mann auf dem Cover war und was er tat“. Der Mann auf dem Plattencover: Herbert von Karajan. Das Stück: Beethovens 5. Symphonie. „Von da an war mein Entschluss klar: das wollte ich auch machen.“ Er habe „etwas sehr Starkes, Natürliches“ in sich gespürt –den Wunsch, selbst am Dirigentenpult zu stehen.

Internationale Laufbahn

Fortan meinte es das Schicksal gut mit Claudio Vandelli: Mittlerweile blickt der 58-Jährige auf eine langjährige internationale Karriere zurück. Stationen seiner Laufbahn führten ihn in die Berliner Philharmonie, die Royal Albert Hall, den Wiener Musikverein und das Wiener Konzerthaus, das Teatro Colon in Buenos Aires, das Mariinsky Theater in St. Petersburg, die Zaryadye Hall und das Tschaikowsky Conservatory in Moskau, die Prager Smetana Hall und viele andere. Vandelli dirigierte die Hamburger Symphoniker, das Gürzenich Orchester Köln, das Royal Philharmonic Orchestra, die Moscow Soloists und das Royal Danish Orchestra. Und nun die Würth Philharmoniker.

Sein Kindheitstraum beflügelte Vandelli und führte ihn auf seiner Laufbahn wie ein Fixstern. Wenn es stimmt, dass das Schicksal alles unterstützt, was man mit leidenschaftlicher Hingabe verfolgt, wäre seine Geschichte der Beweis dafür. Denn wie von einer höheren Macht dirigiert, traten Personen in das Leben des jungen Musikers, die ihm halfen: „Angefangen von meinem Vater, der mir erlaubt hat, das zu studieren, was meine Leidenschaft war. Obwohl es wirklich nicht seinem Plan für mein Leben entsprach“, gibt Vandelli zu. Seine Ausbildung in Italien sei dann „eigentlich ziemlich klassisch“ abgelaufen: Musikschule, Konservatorium, Studium. „Ich hatte von Anfang an das Glück, sehr gute Lehrer und Professoren für Klavier, Klarinette und Dirigieren in Mailand zu haben, die mich sehr geschätzt und mir viel beigebracht haben.“

Bekannte Kollegen

Als Claudio Vandelli zu dirigieren begann, habe er nach eigenen Worten bald festgestellt, dass es ihm sehr leichtfiel, talentierte, ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker zu erkennen und so gute Orchester zusammenzustellen. „Dieser Instinkt hat es mir ermöglicht, mehrere internationale Jugendorchester zu gründen, obwohl ich selbst erst 22 Jahre alt war“. Das brachte den jungen Mann zum Festival von Verbier in der Schweiz – und eröffnete ihm die Chance, „mit praktisch allen großen Dirigenten dieser Zeit zu arbeiten: Masur, Sawallisch, Gergijew, Mehta, Levine, Dutoit, Temirkanow und anderen. Von ihnen zu lernen, hat mir unheimlich viel gebracht“, sagt er. Und noch eine glückliche Fügung half ihm nach eigener Aussage weiter: Er fand in Carlo Maria Giulini einen Mentor, der sein Talent erkannte und förderte, „ein ganz besonderes Vorbild, das für mich bis heute quasi als unerreichbar gilt“, schwärmt er.

Schon mit drei Jahren wollte Claudio Vandelli Dirigent werden. Heute ist er Erster
Chefdirigent der Würth Philharmoniker. Foto: Susanne Grunsky

Vandelli blieb dem Festival von Verbier mehr als zehn Jahre lang als Director of the Music Department verbunden. Seit 2019 hat er auch die Verantwortung für das Pan-Caucasian Youth Orchestra, das junge Musiker aus der Kaukasusregion in einem 80-köpfigen Symphonieorchester vereint und beim Tsinandali Festival in Georgien jährlich residiert. Beim Festival 2024 dirigierte Claudio Vandelli mit großem Erfolg Werke wie etwa Beethovens 7. Symphonie und dessen 3. Klavierkonzert mit Bruce Liu als Solist. Große Namen wie Anna Netrebko, Fazıl Say, Juan Diego Flórez, Cecilia Bartoli, Bryn Terfel und viele mehr schätzen Vandellis besondere Qualität, sie auf einfühlsame Art und Weise zu begleiten und konzertieren gern und wiederholt mit ihm – immer wieder auch im holzgetäfelten Akustikparadies in Künzelsau, dem Reinhold Würth Saal.

Für die fünf Jahre, in denen Vandelli die Würth Philharmoniker inzwischen in In- und Ausland von einem erfolgreichen Auftritt zum nächsten begleitet hat, findet der Mailänder nur eine Umschreibung: „Es ist wirklich ein Traum für jeden Dirigenten“. Die Situation, in der er sich in Künzelsau befinde, könne nicht idealer sein, „sowohl was die schönen Konzertsäle betrifft, als auch das Niveau des Orchesters, die großartigen Solistinnen und Solisten sowie die wunderbare Zusammenarbeit mit Sylvia Weber“, schwärmt er.

Erster Chefdirigent Claudio Vandelli

Dass ihn sein „Chefposten“ am Dirigentenpult in Künzelsau erfüllen würde, konnte Vandelli erahnen: In Heilbronn-Franken sei er zum ersten Mal als Klarinettist im Ausland aufgetreten, erinnert er sich. Wie es dazu kam, lässt schon wieder an die Macht des Zufalls denken: Sein Vater habe für eine internationale Werkzeug-Firma gearbeitet – „unglaublich, wie sich der Bogen zu Würth spannt“, bemerkt er amüsiert. „Der Vorgesetzte und Freund meines Vaters in Deutschland, Werner Grupp, hat mich eingeladen, im Rathaus in Besigheim zu spielen“, erinnert sich Vandelli. Überhaupt: die größten Gelegenheiten in seiner Karriere hätten sich außerhalb seiner Heimat Italien ergeben – besonders in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland. „Ich habe immer die Warmherzigkeit und Sympathie des deutschen Publikums geliebt“, sagt der Mailänder. Das Publikum seinerseits liebt ihn – für seine Inszenierung monumentaler Werke wie Giuseppe Verdis Messa da Requiem, Carl Orffs Carmina Burana oder Gustav Mahlers Auferstehungssymphonie.

Immer wieder dürfen nicht nur Musikliebhaber im Reinhold Würth Saal zuhören, sondern Millionen Menschen an den Bildschirmen: Das ZDF strahlte in Kinos weltweit das „Sommernachtskonzert“ vom Münchner Königsplatz mit den Solisten Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, Thomas Hampson, Ildar Abdrazakov und Elena Zhidkova aus und der französische Sender Mezzo TV sendete das Galakonzert des Sochi Winterfestivals unter Vandellis Taktstock.

Sogar in seiner freien Zeit lässt die Musik Claudio Vandelli nicht los: Wenn er nicht am Orchesterpult steht, interessiert sich der Dirigent für hochklassige Sound- und HiFi-Systeme und ist in dem Bereich Kenner und Spezialist. Auch als Tonmeister und Produzent beweist er Professionalität. Ob er glaubt, dass das Schicksal nachgeholfen hat auf seinem musikalischen Weg? Vermutlich eher das unbeirrbare Festhalten an seinem Fixstern: „Mein Traum war es immer, zu dirigieren. Dieser Traum war so stark, dass ich mich tatsächlich schon als junger Student in vielen Ländern am Pult gesehen habe. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, dass ich heute hier bin“, sagt Vandelli.

Natalie Kotowski

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