Vorreiter bei Diversität und Gleichstellungsarbeit

Die Hochschule Heilbronn ist ein Vorreiter beim Thema Diversität und Gleichstellungsarbeit. Wie das zuständige Referat das macht und welche Schwerpunkte sowohl die Lehrenden als auch die Studierenden setzen, erläutern sie dem PROMAGAZIN.

Foto der Hochschule Heilbronn. Die Hochschule ist Vorreiter bei Diversität und Gleichstellungsarbeit.
Die Hochschule Heilbronn ist auch für ihre Diversity-Arbeit bekannt. Foto: Hochschule Heilbronn.

Diversity-Programme in Unternehmen sollen genau das erreichen, was schon im Wort „divers“ allein steckt: die Vielfalt menschlicher Lebenswelten darstellen – vor allem auch in der Arbeitswelt.

„Reden wir von Diversitätsarbeit, möchten wir sicherstellen, dass Mitarbeitende mit vielen verschiedenen Besonderheiten und aus allen möglichen Gruppen zusammenkommen. Dass sie gesehen werden und jegliche Hürden oder Ausschlusskriterien abgebaut werden“, sagt Maren Haag, Leitung des Referats Gleichstellung und Diversity an der Hochschule Heilbronn. In ihrer Funktion stellt sie mit ihrem Team Projekte auf die Beine, die die Hochschulstruktur verändern sollen. Nach ihren Worten begleitet sie Studierende sowie Mitarbeitende mit Beratungsangeboten in ihrem akademischen Alltag. Wie in allen Hochschulen in Deutschland, sei auch in Heilbronn das Diversity Management aus der Gleichstellungsarbeit hervorgegangen. Themen wie Parität, aber auch Antidiskriminierung, Vereinbarkeit von Familie und Studium oder das religiöse Leben an der Hochschule stehen dabei im Fokus: „Wir haben uns 2015 dazu entschieden, unseren Fokus nicht nur auf die Gender-Frage zu richten, sondern unser Referat um den Aspekt Diversität zu erweitern. Damit sind wir, soweit ich weiß, immer noch die einzige Hochschule in Baden-Württemberg, die beides vereint – Vorreiter also“, erläutert Haag.

Ein großer Erfolg der Hochschule sind die Teilnahme und Auszeichnung für das Professorinnenprogramm 2030 als „Gleichstellungsstarke Hochschule“. Damit könne man Fördermittel für bis zu drei Professorinnen erhalten. Zudem gebe es die Möglichkeit, durch das Budget gleichstellende Maßnahmen umzusetzen oder Frauen in der Promotion zu fördern. Gleichzeitig seien öffentliche Vorträge ein gutes Mittel, um auch in die Region hineinzuwirken. „Wir hatten beispielsweise schon Talks zu aktuellen Themen wie Antisemitismus oder auch antimuslimischer Rassismus. Außerdem beschäftigen wir uns mit Ethik und KI oder toxischer Männlichkeit.“ Zum Diversity Day Ende Mai gibt es zusätzlich an allen Standorten der Hochschule Heilbronn Aktionstage. „Das ist ein Highlight für uns und macht Diversity sicht- und spürbar,“ sagt Haag.

Diversity als Kern des demokratischen Gesellschaftsverständnisses

Die Frage, welche Vorteile Diversity für Unternehmen und Institutionen bringt, ist Haag ein wenig leid. „Klar, können wir davon sprechen, dass Vielfalt in Teams die Produktivität, die Kreativität und die Innovationskraft erhöht und das allgemeine Arbeitsklima verbessert“, sagt die Vielfaltsexpertin. „Aber wir könnten auch einfach sagen: Es ist gerecht. Der Kern unseres demokratischen Gesellschaftsverständnisses ist es ja, Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Geschlechts zu benachteiligen. Alles andere ist auf Basis unseres Grundgesetzes nicht akzeptabel.“ Gerade im Hinblick auf die politischen Entwicklungen wie Sprachregelungen in verschiedenen Bundesländern, die über Jahre erzielte Fortschritte zunichte machen könnten, sei das besonders wichtig zu verstehen.

Gleichzeitig müssten Unternehmen aufpassen, die sich nicht für eine diverse betriebliche Kultur einsetzen. „In ein paar Jahren wird es sonst vermutlich schwer, noch passende Fachkräfte zu finden“, weiß Haag. Die jüngeren Generationen, also Menschen unter 50 Jahren, seien jetzt schon viel diverser, hätten die verschiedensten Hintergründe oder outeten sich als Teil der LGBTQ+-Community. Gleichzeitig seien etwa 50 Prozent der Absolventen, die hervorragende höhere Bildungsabschlüsse erzielten, Frauen. Wolle man den Wettbewerb um die besten Köpfe für seinen Betrieb gewinnen, müsse man sich eingestehen, dass diese eben nicht nur aus einer gesellschaftlichen Gruppe stammen. „Ob man die kommenden Generationen noch mit einer Firmenkultur überzeugen kann, die auf weiße Mittelschichtsmänner abzielt, ist sehr zu bezweifeln“, gibt die Diversity-Referatsleiterin zu bedenken.

Dass dieses Leitbild bestehen bleibt, stellen auch die drei Studentinnen aus dem vierten Semester „Internationale Betriebswirtschaftslehre – Interkulturelle Studien“ infrage. Sowohl Leonie Rieth als auch Maren Schnatterer und Angelina Braun ist es ungemein wichtig, später für ein Unternehmen zu arbeiten, das Diversity tatsächlich lebt und nicht nur auf dem Papier unterstützt. „Kulturelle Vielfalt sollte nicht nur toleriert, sondern als Bereicherung verstanden werden,“ sagt Schnatterer. Ihr sei es zudem wichtig, dass gleiche Chancen für alle Arbeitnehmenden bestehen. „Zudem finde ich, dass Unternehmen Mechanismen implementieren sollten, die sicherstellen, dass Bewerber wirklich nur nach ihren Kompetenzen beurteilt werden,“ ergänzt sie. Sie möchte sich nicht nur fachlich, sondern auch als Mensch mit all ihren Facetten wertgeschätzt fühlen.

Kulturelle Vielfalt nicht nur auf dem Papier

Braun sieht es ähnlich: „Diverse Teams sind stärker, das habe ich selbst erlebt. Außerdem zeigen Unternehmen, die auf Vielfalt achten, dass sie modern und zukunftsorientiert sind – in einem solchen Umfeld möchte ich mich weiterentwickeln.“ Um sicherzustellen, dass Firmen wirklich für Diversity einstehen, informiert sich Kommilitonin Rieth vorab: „Ich achte auf die öffentlichen Statements des Betriebes zum Thema und versuche, durch Probearbeiten oder eine Recherche auf Glassdoor herauszufinden, wie es wirklich um die Bemühungen steht.“

Dass Diversität im Team wirklich den entscheidenden Unterschied macht, haben die drei jungen Frauen vor allem bei Gruppenarbeiten im Studium gelernt. „Dort trafen wir Kommilitonen mit den verschiedensten Denkweisen, Erfahrungen, Hintergründen und Lebenswegen. Das Zusammenarbeiten ist deshalb so wertvoll, weil diese vielfältigen Sichtweisen zu kreativen tollen Lösungen führen“, erläutert Schnatterer. Auch durch das Engagement in Vereinen oder aufgrund von Auslandsaufenthalten wissen die Drei Vielfalt zu schätzen. „Bei diversen Teams hat man von Beginn an das Gefühl, dass alle Meinungen gleichwertig sind. Dadurch entsteht ein respektvoller und wertschätzender Umgang, der die Zusammenarbeit stärkt“, sagt Rieth. Gleichzeitig sind sie sich einig, dass es noch große Lücken gibt, die es zu füllen gilt – dafür seien sie jedoch bereit.

Dem Thema Vielfalt in der Lehre widmet sich Prof. Dr. Beatrix Dietz. Bereits seit 15 Jahren forscht sie auf dem Gebiet Diversity, Equity and Inclusion (DEI), seit 2019 an der Hochschule Heilbronn. Als Fachbereichsleiterin Marketing nähert sich Dietz nach eigenen Worten vor allem durch diese Linse dem Thema Diversität. Dabei werde DEI von Gesellschaft, Institutionen, Politik sowie den Unternehmen beeinflusst, die jeweils auch ineinander greifen können. „Mir ist es wichtig, den Führungskräften von morgen zu vermitteln, dass Marketing eine soziale und ethische Komponente hat und die Marketer auch eine gesellschaftliche Verantwortung haben, denn sie können Einstellungen verändern“, sagt Dietz. Um neue Kunden zu erschließen und die Gesellschaft zu verändern, bräuchte es vielfältige Teams. Der Grund, warum sich Unternehmen teilweise noch so schwer damit täten, Initiativen zu etablieren, liege möglicherweise in strukturellen Barrieren, wie zum Beispiel veralteten Organisationsstrukturen, die bestimmte Gruppen von Menschen benachteiligten – etwa bei Recruiting oder Beförderung. „Gleichzeitig fehlt es an weiblichen Führungskräften, die als Vorbilder für junge Frauen dienen könnten“, sagt die Professorin. Aber auch Arbeitszeitmodelle, die Mütter nicht berücksichtigten, seien mitverantwortlich.

Gegengewicht zu rückschrittlichen Tendenzen

Dietz bemerkt nach eigener Aussage in ihren Vorlesungen, die mehrheitlich von Frauen besucht werden, dass junge Männer die Diversity anders sehen als ihre weiblichen Kolleginnen. „Ein Student hat einmal gemeint, da die Generation Z so vielfältig aufgewachsen wäre, gäbe es gar keinen Grund mehr für DEI-Initiativen“, erzählt Dietz. Junge Frauen seien häufig die Dimensionen zum Thema Chancengleichheit nicht vollumfänglich bewusst. Ein Aha-Moment seien dann häufig die aktuellen Zahlen. „Der Frauenanteil liegt in den 200 umsatzstärksten Unternehmen gerade mal bei 20 Prozent.“ Auch die derzeitigen Entwicklungen in den USA betrachtet sie mit großer Sorge. Dietz wollte zuerst keinen Kurs zum Thema DEI in diesem Semester halten – habe sich aber umentschieden: „Da ich befürchte, dass es auch in der Region zu einem Rückschritt kommen könnte, wollte ich ein Gegengewicht anbieten.“ Das Problem sei die wirtschaftliche Entwicklung, dadurch werden viele Maßnahmen nicht priorisiert. „Die Zahlen müssen eben am Ende des Tages stimmen.“

Ob denn auch Unternehmen auf Maren Haag als Diversitätsexpertin zukommen? „Die Hochschule Heilbronn ist in verschiedene Netzwerken der Region Heilbronn-Franken aktiv. Unter anderem auch im Netzwerk der Unterzeichnern der Charta der Vielfalt“, sagt sie. Darüber erhalte das Team auch häufig Einladungen, Vorträge zu halten. Gleichzeitig organisiere man mit anderen Institutionen Veranstaltungen wie die „Frauenwirtschaftstage.“ Zudem begleiten beim Programm „WoMent“ Mentoren aus der Wirtschaft die Studentinnen der Hochschule für ein Jahr. „Diese gegenseitige Unterstützung und der kontinuierliche Austausch sind für uns sehr wertvoll“, sagt Haag.

Fabienne Acker