Ein Jahr nach „Hohenlohe4Talents“: Drei Sieger-Start-ups berichten, wie es für sie weiterging

Kürzlich kürten hfcon und HohenlohePlus erneut die Sieger des diesjährigen Start-up-Pitches „Hohenlohe4Talents“. Doch was kommt nach dem Wettbewerb? Drei Vorjahressieger erzählen, wie das Jahr nach der Auszeichnung für sie verlief.

Hohenlohe4Talents
Simon Blank (links) und sein Bruder David haben 2024 mit ihrem KI-Sommelier „Vinolin“ die Jury überzeugt. Foto: Pierre Kneifl

In vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit. Schon zu einer Zeit, als die Römer ihre Reichsgrenzen quer durch Hohenlohe mit dem Obergermanisch-Rätischen Limes absicherten, schrieb der Historiker Tacitus dem Rebensaft Wirksamkeit zu: Waren germanische Ratsherren berauscht, trafen sie unverblümt ehrliche Entscheidungen.

Seit Jahrhunderten gehört Wein zu Hohenlohe, deutlich länger als es Weltmarktführer im Kochertal und Wissenschaftsbetrieb an der Reinhold-Würth-Hochschule gibt. Wein ist Kulturgut und ein starker Wirtschaftsfaktor der Region. Und für die Brüder Simon und David Blank sogar der Stoff für Erfolg: Die beiden programmierten den KI-Sommelier „Vinolin“ für Weingüter und -handel, der Einkäufern maßgeschneiderte Empfehlungen gibt und das Sortiment automatisch aktuell hält. Mit ihrem Start-up schafften es die Geschwister aus Bad Mergentheim im vergangenen September auf das Siegertreppchen beim jährlichen Pitch-Wettbewerb „Hohenlohe4Talents“.

„Hohenlohe4Talents“ bringt Start-ups Erfolgschancen

Ob die Brüder mit einem Glas Wein auf das Gründerstipendium angestoßen haben, ist zwar nicht überliefert. Bewiesen ist aber, dass der Pitch die Geschäfte für „Vinolin“ erfolgreich angestoßen hat: Die Finalisten erhalten jeweils finanzielle Unterstützung über sechs bis zwölf Monate hinweg, professionelles Coaching, Workshops und ein Projektbudget von bis zu 5000 Euro. Ein Jahr nach der Auszeichnung hat sich für Simon und David Blank dank dieser Starthilfe viel getan: „Vinolin“ reift wie Trauben an einem sonnigen Hohenloher Wengert.

„Vor einem Jahr begleiteten wir noch ein einzelnes Pilotprojekt bei einer Winzergenossenschaft – heute zählen wir knapp 20 zahlende Kunden“, resümiert Gründer Simon Blank  das Resultat aus mehr als 10.000 realen Verkaufsgesprächen und 30.000 Weinempfehlungen in zwölf Monaten. Vor Kurzem konnten die Gründer nach eigenen Angaben eine Pre-Seed-Finanzierungsrunde über 200.000 Euro mit der L-Bank und der Campus Founders Venture GmbH abschließen. Und sie stellten sich jüngst auf dem Heilbronner Weindorf mit ihrer KI-Weinberatung der Konkurrenz: „Vinolin“ trat dort gegen einen Sommelier aus Fleisch und Blut an.

Wenn im Wein die Wahrheit liegt, dann liegen in „Hohenlohe4Talents“ die Erfolgschancen für Start-ups, davon ist Simon Blank überzeugt: „Für uns war der größte Hebel das mit dem Sieg verbundene Stipendium: Es hat uns in einer sehr frühen Phase Zeit zum Bauen verschafft, die wichtigsten Ausgaben abgefedert und uns geholfen, schneller zur Marktreife zu kommen“, sagt er. In Hohenlohe sei die Kombination aus Mittelstands-DNA und pragmatischem Gründergeist lebendig. „Hohenlohe4Talents setzt hier den richtigen Impuls und hilft, die regionale Gründercommunity spürbar zu aktivieren“, lobt Blank.

Die Förderer investieren in die jungen Unternehmen

Auch in diesem Jahr stoßen HohenlohePlus als Träger und die hfcon GmbH als Organisator mit „Hohenlohe4Talents“ wieder Erfolge für vier Start-ups an: Vor wenigen Tagen wählte die Jury die Stipendiaten aus, die finanzielle und fachliche Unterstützung seitens der Städte Bad Mergentheim, Crailsheim, Künzelsau, Öhringen und Schwäbisch Hall, von der Raiffeisenbank Hohenloher Land, der Sparkasse Hohenlohekreis, der Volksbank Hohenlohe sowie ebm-papst und der Ansmann AG erhalten. Für die Sieger 2025 – Mutually, clyr AI, Tropicalhaus Açaí und TravRec – ein Sprungbrett: Seit dem Start des Pitch-Wettbewerbs investierten die Förderer insgesamt rund 145.000 Euro in junge Unternehmen. Von den 13 bislang geförderten Start-ups sind laut HohenlohePlus elf derzeit am Markt aktiv – eine Erfolgsquote von 85 Prozent.

Zu diesen Elf gehört seit vergangenem Jahr auch das Start-up SculpX Imaging, das Jörg Clement gemeinsam mit einem ehemaligen Kunden gegründet hat. Sein Unternehmen hat zwar nichts mit Hohenloher Weinbautradition zu tun, dafür aber mit einer in der Region nicht minder starken Branche: dem Maschinenbau. Das Start-up aus Neuenstadt am Kocher hat sich auf innovative 3D-Bildverarbeitung spezialisiert. Es bietet Standard- und maßgeschneiderte Lösungen zur Qualitätskontrolle von kleinen Produkten, Bauteilen und Baugruppen, unter anderem für Unternehmen in qualitätsbewussten Fertigungs- und Montagebereichen wie der Medizintechnik, Photonik, Automatisierung und Feinmechanik.

Die Sichtbarkeit stärken und zu einem wachsenden Netzwerk gehören

Wer bei Start-up-Gründern an „junge Wilde“ in ihren 20ern denkt, liegt bei Pitch-Gewinner Clement allerdings falsch: „Mein Weg in die Selbstständigkeit war ein bewusster Schritt nach mehreren Jahrzehnten Berufserfahrung in der industriellen Bildverarbeitung. Ich habe in mittelständischen Familienunternehmen gearbeitet, genauso wie in internationalen Konzernstrukturen, und dabei viele Perspektiven kennengelernt, von der Entwicklung bis zur Anwendung in der Produktion“, erzählt Clement.

Am Ende stand die eigene GmbH, weil er sich in Konzernstrukturen mit ihrem Fokus auf Quartalszahlen statt auf Mehrwert für den Kunden zunehmend unwohl fühlte. Ein Befreiungsschlag für den Neuenstädter, den er aus heutiger Sicht früher hätte wagen sollen: „In mehreren Unternehmen hatte ich maßgeblich am Aufbau mitgewirkt und technologische Entwicklungen vorangetrieben. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie entscheidend es ist, technologische Lösungen nicht nur theoretisch zu denken, sondern sie so zu gestalten, dass sie im realen Produktionsumfeld zuverlässig funktionieren und echten Mehrwert schaffen“, sagt er. Mit SculpX Imaging könne er diesem Anspruch an die eigene Arbeit nun gerecht werden.

Der Sieg bei Hohenlohe4Talents kam für Clement zur rechten Zeit: „Das war für uns eine gute Gelegenheit, unser Unternehmen in einem regionalen Innovationsumfeld zu präsentieren. Wir haben Zugang zu einem Coworking Space, den wir gern genutzt haben, und finanzielle Unterstützung erhalten. Beides hat uns geholfen, bestimmte Entwicklungsschritte effizienter umzusetzen“, sagt er. Die Teilnahme sei ein wertvoller Impuls, um die Sichtbarkeit in der Region zu erhöhen und Teil eines wachsenden Netzwerks zu sein.

„Die Innovationskraft in Deutschland ist zweifellos vorhanden“

In diesem Punkt tropft allerdings Wermut auf Clements‘ Siegesfreude: Auch wenn er nach eigener Aussage mit SculpX Imaging schon erfolgreich mehrere Pilotprojekte und erste Anwendungen in ganz Deutschland anstoßen konnte – „ist ausgerechnet in Hohenlohe das Interesse verhalten“. Die erhoffte Fülle an interessanten Kontakten nach dem Pitchwettbewerb sei ausgeblieben, in der Region stehe er nur mit wenigen potenziellen Partnern in Kontakt.

Das verwundert den Unternehmer, „denn die Innovationskraft in Deutschland ist zweifellos vorhanden, technologisch, personell und strukturell. Baden-Württemberg und speziell Hohenlohe sind dafür ein gutes Beispiel. Die Region ist geprägt von mittelständischen Weltmarktführern, die mit hoher Fertigungstiefe und Qualitätsbewusstsein agieren. Diese Unternehmen investieren kontinuierlich und sind in ihren Nischen oft global führend. Das ist beeindruckend. Und ein Fundament, auf dem sich viel aufbauen lässt“, ist er überzeugt.

Umso bedauerlicher findet Clement deshalb die Zurückhaltung gegenüber frischen Ideen: „Eine unpopuläre Wahrheit ist jedoch, dass in Deutschland viel über Innovation gesprochen wird, aber nur wenige den Mut haben, wirklich als Erste voranzugehen“, kritisiert er. Daraus entstehe eine Endlosschleife des Zögerns, die echte technologische Sprünge ausbremse. „Während wir hier noch evaluieren, setzen andere längst um. Marktführerschaft entsteht aber nicht durch Nachahmen, sondern durch mutiges Vorangehen“, ist der Gründer überzeugt. Deshalb wünsche er sich für Hohenlohe eine stärkere Offenheit gegenüber Start-ups und neuen Denkweisen. „Junge Technologieunternehmen brin- gen frische Impulse, die bestehende Prozesse sinnvoll ergänzen können.“ Eine engere Zusammenarbeit zwischen etablierten Firmen und Start-ups könne die Innovationskraft der Region noch deutlich stärken.

Regionale Bekanntheit durch den Pitch

Über mangelnde Offenheit gegenüber neuen Ideen kann sich die Vorjahressiegerin Julia Kurth aus Crailsheim nicht beklagen: Ihr Start-up „Das tun wir – sinnvoll handeln“ stößt über die Region Hohenlohe hinaus auf Interesse: Kurth bietet sogenannte Archen aus Holz als Lebensräume für Wildbienen und anderen bedrohte Tierarten an, dazu Workshops und Infotafeln, mit denen Kunden eigene „Miniwildnisse“ schaffen können. „Der Pitch hat geholfen, in der Region bekannter zu werden“, sagt Gründerin Kurth. Mit dem Stipendium als Referenz sei es einfacher gewesen, Kontakte zu Kunden und Partnern aufzubauen.

Ob die gute Nachfrage am Thema Naturschutz liegt, an vergleichsweise geringem Investitionsrisiko oder der schnellen Umsetzbarkeit, lässt sich nur vermuten. Doch seit das Projekt für mehr Biodiversität das Gründerstipendium erhielt, brummt die ArtenschutzKampagne: „Mit etwas Glück werden im kommenden Jahr einige Kommunen im Landkreis Miniwildnis-Flächen ausweisen“, berichtet Kurth. Die Deutsche Bahn sei bereits Kunde, ihr Start-up werde auf der Landesgartenschau in Ellwangen vertreten sein, und auch die Klima Arena Sinsheim und die Stadt Mannheim haben laut Kurth schon Miniwildnis-Flächen.

„Hohenlohe4Talents“ war nur der Anfang

„Das Thema Biodiversität rückt langsam ins Bewusstsein von Unternehmen, Kommunen und Privatleuten. Man muss sich nur mal in seiner unmittelbaren Umgebung umschauen – der Artenschwund ist überall sichtbar.“ Es gehe bei „Das tun wir – sinnvoll handeln“ nicht darum, das nächstbeste Insektenhotel anzubieten, sondern Menschen und Unternehmen mit sinnvollen Angeboten zum Handeln zu bewegen.

Dafür war „Hohenlohe4Talents“ vor einem Jahr nur ein Anfang – Kurths Ziel ist es, noch weitere Produkte anzubieten, zu wachsen und weitere Fördermittel zu akquirieren: „Ich bin gerade intensiv in der Entwicklung und führe zahlreiche Gespräche zur Produktvalidierung“, berichtet sie. Für die Crailsheimerin hat sich „Hohenlohe4Talents“ gelohnt. „Außerdem ist die Teilnahme an einem Pitch immer eine Gelegenheit, seine Geschäftsidee zu testen und aus der Komfortzone herauszugehen – unabhängig davon, ob man gewinnt oder nicht“, findet Kurth. Wer gute Ideen hat, viele Kundengespräche führt und sich nicht scheut, wie SculpX-Gründer Clement es ausdrückt, „auch Feedback zu kassieren, das weh tut“ – der hat für den Erfolg seines Geschäftsmodells schon viel angestoßen.                         

Natalie Kotowski 

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