KI in der Arbeitswelt

Künstliche Intelligenz; Mensch; Maschine; KI
„Der Mensch muss KI verstehen können“, so Stops. Foto: Adobe Stock/ipopba

KI stellt die Arbeitswelt auf den Kopf – und Beschäftigte haben zunehmend Angst vor Jobverlust. Michael Stops vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erklärt, wieso Weiterbildung und Umschulung an Bedeutung gewinnen.

Werden KIs wie ChatGPT zu einer Krise der Erwerbsgesellschaft führen?

Michael Stops: Eine Krise erwarte ich nicht, aber schon, dass die Werkzeuge und Systeme, die auf künstlicher Intelligenz basieren, das Potenzial haben, die Tätigkeitsprofile vieler Jobs zu verändern. Einerseits wird der Mensch völlig neue Tätigkeiten ausführen müssen: Hier ist daran zu denken, dass KI-Systeme in ihrer Funktionsweise und Zielsetzung verstanden werden. Zudem müssen sie eingerichtet und gewartet werden. Andererseits ist zu erwarten, dass bestimmte Tätigkeiten von der KI unterstützt und manchmal sogar übernommen werden können.

An welche Tätigkeiten denken Sie dabei im Speziellen?

Stops: Das wird insbesondere dort erwartet, wo die Arbeit auf der Sammlung und Zusammenstellung einer Vielzahl von Informationen beruht, beispielsweise von Bildern oder expliziten Texten. So können KI-Systeme Diagnoseverschläge auf der Basis bildverarbeitender Verfahren in der Radiologie generieren; bei der Produktion von Schaltkreisen werden potenziell fehlerhafte Produkte auf der Basis von KI-Verfahren im Rahmen der sogenannten „Automatischen Optischen Inspektion“ identifiziert oder Chatprogramme können schon recht gute Vorschläge für Übersetzungen generieren. Dennoch bleibt für den Menschen die Aufgabe, die Ergebnisse und Vorschläge, die die KI erzeugt, zu bewerten und damit muss er sie verstehen können.

Wie wichtig wird es für Arbeitnehmende sein, an Quereinstiegsmöglichkeiten und Umschulungen zu denken?

Stops: Die Debatte über die Automatisierung von menschlichen Tätigkeiten durch Maschinen wird ja schon länger geführt, nicht nur in jüngerer Vergangenheit. Die Schlussfolgerung daraus ist auch schon seit Längerem, dass dem lebenslangen Lernen eine hohe Bedeutung zukommt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass in vielen Bereichen, so in den technisch orientierten Jobs, die Kenntnisse immer wieder angepasst werden müssen. Und damit ist auch verbunden, dass immer mal wieder Tätigkeiten wegfallen und abgewogen werden muss, ob eine Orientierung hin zu neuen Tätigkeiten oder gar anderen Jobs notwendig ist. Die jüngsten Innovationen im Bereich der KI schüren nun die Erwartungen, dass sich solche Prozesse noch eher beschleunigen und dies betont umso mehr die Bedeutung der Weiterbildung und Umschulung.

Beschäftigte müssen fit werden für die neue Arbeitswelt. Sind bei Weiterbildungsmaßnahmen auch die Unternehmen in der Pflicht?

Stops: Ja, wobei sowohl betriebsinterne als auch -externe Weiterbildungen von Bedeutung sind. Wünschenswert ist dabei, dass sowohl die Betriebe als auch die Beschäftigten ein gemeinsames Interesse an Weiterbildungsangeboten entwickeln. Die Beteiligung an betriebsinterner oder -externer Weiterbildung ist zwar in den letzten Jahren durchaus gestiegen, aber sie könnte noch höher sein. Manchmal fehlen Angebote, manchmal auch die Bereitschaft der Beschäftigten, die Angebote wahrzunehmen.

Wieso ist das so?

Stops: Hier werden vielfältige Gründe angegeben. So wird Weiterbildung abgelehnt, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit stattfinden soll. Zudem lässt sich das Engagement in vielen Fällen nicht mit anderweitigen familiären Betreuungsaufgaben vereinbaren. Auch lange Fahrtzeiten zu den Orten der Weiterbildung werden als Hinderungsgrund genannt. Umgekehrt entscheiden sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere für eine Weiterbildung, wenn sie die Kosten nicht selbst tragen müssen, die Weiterbildung auf die Arbeitszeit angerechnet werden kann oder wenn es für die Beschäftigten direkt absehbar ist, dass sich die Teilnahme finanziell lohnt.

Meinen Sie, dass der technologische Fortschritt eines Tages eine „Gesellschaft ohne Arbeit“ schaffen kann?

Stops: Da stellt sich zunächst mal die Frage, ob eine Gesellschaft ohne Arbeit für die Menschen erstrebenswert ist. Sicherlich liegt eine Chance im technologischen Fortschritt darin, dass der Mensch produktiver werden kann.

Können Sie hier ein Beispiel nennen?

Stops: Zum Beispiel kann die Arbeit schneller vorangehen, weil Informationen schneller verarbeitet werden können. Darüberhinaus können auch viel mehr Informationen berücksichtigt werden im Vergleich zu der Menge, die der Mensch bisher ohne oder nur mit einfacherer technischer Unterstützung verarbeiten konnte. Und so kann der technologische Fortschritt auch zur Entlastung für Beschäftigte führen. Wie der Mensch mit dem Zeitgewinn umgeht, ist eine andere Frage. Ich halte es für denkbar, dass er sich Handlungsentscheidungen und das Handeln selbst in den Bereichen, in denen er besonders motiviert ist, nicht ohne Weiteres nehmen lässt.

Betriebe suchen derzeit händeringend nach Fachkräften. Welche Vorteile ergeben sich aus dem technischen Fortschritt für Beschäftigte und Unternehmen?

Stops: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten dank des technischen Fortschritts im besten Fall eine Entlastung spüren, sei es in physischer, psychischer oder zeitlicher Hinsicht. Die gewonnenen Ressourcen können für eine bessere Fundierung von Entscheidungen und für effektiveres Handeln verwendet werden. Der Gedanke liegt nahe, dass insbesondere dort, wo dringend Fachkräfte gesucht werden, der Bedarfsdruck durch technologische Entwicklungen gemindert werden könnte. Das wird jedoch kein Selbstläufer.

Wieso nicht?

Stops: KI-Technologien sind bei Weitem nicht so fortgeschritten, dass es nur wichtig wäre, zu wissen, wo die Fachkräfteengpässe sind, und dafür werden dann Maschinen entwickelt, die die Arbeit machen. Dennoch ist es für die Betriebe sicherlich sinnvoll zu prüfen, in welchen Bereichen eine maschinelle Unterstützung möglich ist; idealerweise eher so, dass die Betriebe nicht primär auf die Ersetzung menschlicher Tätigkeiten abzielen, sondern auf eine Erhöhung des Innovationsgrads, der Qualität oder der Quantität der bereitgestellten Güter und Dienstleitungen.

Interview: Teresa Zwirner

Michael Stops; IAB; Nürnberg; Arbeitsmarkt; KI

Zur Person

Dr. Michael Stops ist Senior Researcher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Er forscht im Projekt ai:conomics in Kooperation mit der Universität Maastricht zu den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt.