Klimaschonend bauen und sanieren: Unternehmen in Heilbronn-Franken zeigen wie es geht

Klimaschonend bauen und sanieren ist die Zukunft. Doch wie schneidet Heilbronn-Franken dabei ab? Zwei Beispiele aus der Region zeigen, wie es geht.

Klimaschonend bauen und sanieren: Energieeffizienz, Ressourcenschonung und die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen gehören zu den Anforderungen der Bundesregierung für nachhaltiges Bauen. Foto: AdobeStock/NKCoolper

Deutschland hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2045 soll der gesamte Gebäudebestand in der Bundesrepublik klimaneutral sein. Besonders wichtig sind laut Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Anforderungen wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen, Reduzierung des Flächenverbrauchs und Erhalt der Biodiversität.

Um Erfolgsmodelle zu finden, muss man gar nicht lang suchen. Unter den Unternehmern in der Region Heilbronn-Franken positionieren sich schon jetzt einige als Vorreiter die klimaschonend bauen und sanieren.

Emissionsfreier Neubau

Ein Beispiel: Der Familienbetrieb AFS Airfilter Systeme aus Übrigshausen. 2023 bezog der Hersteller von Absaug- und Luftreinigungsanlagen seinen Neubau. Dieser ist nach eigenen Angaben laut Klimabilanz 2024 – Scope zwei – emissionsfrei. AFS verwende den Ökostrom der Stadtwerke, der mit null Prozent CO2 bilanziert werde, sowie die Nahwärme des interkommunalen Gewerbegebiets, die ebenfalls schadstofffrei sei, berichtet Geschäftsführer Kai Kuppinger, „den Rest schaffen wir durch unsere große Photovoltaik-Anlage. 80 Prozent unseres selbst generierten Stroms speisen wir ein und heizen oder kühlen mit unserer Wärmepumpe.“ Aber auch beim Bau selbst legte das Unternehmen nach eigenen Angaben viel Wert auf Nachhaltigkeit. „Wir sind durch unsere Luftverbesserungsanlagen im betrieblichen Umweltschutz tätig. Was wir unseren Kunden verkaufen, sollten wir also auch leben“, ist Kuppinger überzeugt.

Kai Kuppinger, Geschäftsführer von AFS Airfilter Systeme, setzt auf ein sprichwörtlich gutes Arbeitsklima. Foto: AFS Airfilter Systeme

Das zeigt sich nach Kuppingers Worten unter anderem in der Holzmodulbauweise der neuen Zentrale. Das komplette Baumaterial sei aus nachwachsenden Rohstoffen und voll recyclingfähig. Die Holzbauweise biete nicht nur eine ansprechende Optik, sondern schaffe auch ein angenehmes Raumklima. Apropos Raumklima: Dämmung und Lüftung seien wichtige Themen für das Unternehmen. „Mittlerweile sind nicht mehr Winter und Heizen das vordringliche Problem, sondern die immer wärmer werdenden Sommer“, sagt Kuppinger. Die Wärme aus den Gebäuden herauszuhalten und ein vernünftiges Lüftungs-, Energie- und Klimatisierungskonzept seien dabei der Schlüssel. „Gute Luft und ein im wahrsten Sinne gutes Arbeitsklima erleichtern unseren Mitarbeitenden die Arbeit“, meint Kuppinger.

Erdkollektoren zum Heizen und Kühlen

Ein weiterer Vorreiter im Bereich nachhaltigen Bauens kommt selbst aus der Branche – das Bauunternehmen Schneider aus Öhringen. Das 2017 entstandene Stammhaus entspricht dem KfW 55-Standard, besitzt also im Vergleich zu durchschnittlichen Standorten einen geringen Energieverbrauch. „Für den Kühlungs- und Wärmeprozess verwenden wir Erdkollektoren, die unterhalb des Parkplatzes eingebaut sind. Je nach Wetter heizen oder kühlen sie“, berichtet Geschäftsführer Eberhard Köhler. Regenwasser helfe dabei den Erdkollektoren, sich zu regenerieren. Gleichzeitig werde der Abfluss des Niederschlags durch dieses System verlangsamt und entlaste somit die Kanalisation im Ort.

Das Geschäftsführer-Tandem des Bauunternehmens Schneider Eberhard Köhler und Christine Reutter entwickeln eine Ressourcen-Kreislaufwirtschaft. Foto: Schneider

Auch im Baubereich würden die Bestrebungen über die CO2-Bilanz hinausgehen, erklärt Köhler. „Wir entwickeln eine Kreislaufwirtschaft auch in Hinblick auf Boden und Wasser. 80 Prozent des ausgehobenen Bodens können erneut verwendet werden.“ Aufgrund der Klimaveränderung dürften Trockenperioden häufiger vorkommen, Wasser sei in diesem Fall knapp. „Eine Lösung ist, das Regenwasser zu speichern, um dieses beispielsweise später als Prozesswasser nutzen zu können“, erläutert der Schneider-Geschäftsführer.

Das Unternehmen verpflichte sich außerdem, ab 2025 ausschließlich CO2-neutralen Strom zu beziehen. „Schneider rüstet seine Immobilien beispielsweise mit Solarflächen aus – und wir planen eine Bodenverbesserungsanlage für die Region Heilbronn“, sagt der Geschäftsführer. Außerdem werde an der Reduktion der direkten und indirekten Emissionen weiter gearbeitet. Mit dem Begriff „klimaneutral“ geht er vorsichtig um: „Wir möchten kein Greenwashing betreiben.“

2017 errichtete das Bauunternehmen Schneider ein neues Firmengebäude. Foto: Schneider

Nachhaltigkeit braucht gesunden Menschenverstand

Ein so großes Unterfangen birgt offenbar auch Herausforderungen: Abgesehen von den relativ hohen Kosten für einen nachhaltigen Neubau schreckten viele Unternehmen zusätzlich vor der Flut an geforderten Bescheinigungen seitens der Behörden zurück. Das schüre Misstrauen, ist sich Köhler sicher: „Nachhaltigkeit braucht gesunden Menschenverstand. Wir müssen zu einer Vertrauenskultur mit den Ämtern zurückfinden“, fordert er. Gleichzeitig sei es für die Region notwendig, umzudenken und sich auf mehr Starkregenereignisse einzustellen. „Menschen und Sachwerte sind bedroht, denn die Wiederaufbaukosten sind teurer zu versichern.“ Helfen könnte beispielsweise, Starkregenübungen in den Alltag zu integrieren.

Geschäftsführer Kuppinger von AFS wiederum glaubt, dass die aktuelle Situation auf dem Strommarkt dem nachhaltigen Ausbau im Wege stehen könne: In seinem Fall erzeuge die eigene Photovoltaik-Anlage zwar einen Großteil der Energie. Trotzdem müsse der Anlagenhersteller Strom von außen zukaufen – sogar mit Strom- und Wärmespeicher. „Wir sind zwar bilanziell autark, aber nicht absolut. Die Kosten für den Strombezug übersteigen bei Weitem die Einspeisevergütung – das ist ein Problem“, sagt er. Zudem machten es der hohe Bürokratieaufwand und Genehmigungen teilweise schwer, die Anlage überhaupt in Betrieb zu nehmen. Aber können Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit überhaupt miteinander funktionieren?

Das 2023 fertiggestellte Hauptquartier der AFS Airfilter Systeme in Übrigshausen folgt einer nachhaltigen Holzbauweise. Foto: AFS Airfilter Systeme

Ökonomie und Ökologie – beides geht zusammen

Die Frage sollte aus der Sicht von Dr. Fisch lauten: „Wie setzt man das Geld am besten ein?“. In den meisten Fällen reiche es aus, gezielt einzelne Bauteile zu sanieren, die ohnehin erneuert werden müssten, und gleichzeitig die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, „etwa durch elektrische Wärmepumpen​ oder grüne Fernwärme“, erläutert Dr. Fisch. Unternehmen sollten sich also nicht nur auf Energieeffizienzstandards konzentrieren, wie das seit Jahren gepredigte Prinzip „Efficiency First“, sondern nach dem Ansatz „Klimaschutz first“ handeln und sich fragen: Welche Maßnahmen bringen die größte CO2-Einsparung bei möglichst geringem Ressourceneinsatz über den Lebenszyklus einer Immobilie?

Gleichzeitig müsse man den Flächenverbrauch reduzieren. Jeder Neubau verbrauche Ressourcen und versiegele Flächen, was negative Auswirkungen auf die Biodiversität habe. „Deshalb ist es nachhaltiger, Bestandsgebäude weiterzuentwickeln und durch intelligente Umnutzung zusätzlich neue Flächen zu vermeiden“, führt Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch aus. Sanieren ist also besser als komplett neu zu bauen? Eine einfache Antwort darauf gebe es nicht, sagt der Professor, das hinge sehr stark vom baulichen Zustand des Gebäudes ab. Der schnelle Umstieg auf erneuerbare Wärmequellen und maßvolle Sanierung reduzierten langfristig die Kosten. Prof. Dr. Fischs Appell an die Unternehmen: „Stellen Sie jetzt die Weichen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und dabei einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“

Klimaschonend bauen und sanieren
Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch weiß Rat für Unternehmen, wie sie klimaschonend bauen und sanieren können. Foto: Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor

Das Bauunternehmen Schneider und AFS sind ebenfalls an ökologischen Lösungen interessiert: Der Absaug- und Luftreinigungsanlagenhersteller erprobt gerade, wie man mit Smart Devices auf effizienteste Weise Energie einsparen kann.

Das Öhringer Bauunternehmen wiederum ist überzeugt: Die Region mit ihrer Innovationskraft ist dazu prädestiniert, Lösungen zu finden. Dabei könne vor allem der Kontakt zu branchenübergreifenden Think Tanks helfen. „Abfälle sind nur Stoffe, für die wir noch keine Ideen haben“, bekräftigt Schneider-Geschäftsführer Eberhard Köhler.                                 

Fabienne Acker

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