Netzwerke gibt es überall. Die Natur macht es mit Schwarm- und Symbiosestrukturen vor: Wer sich mit Partnern zusammentut, profitiert. In Heilbronn-Franken bringen eine große Vielfalt an Cluster-Initiativen, Fördergesellschaften und Vereine Wachstum für Wirtschaft, Technologie und viele weitere Felder.

Franken geprägt von fruchtbaren Netzwerken. Foto: AdobeStock/Lena
Auch Bäume nutzen eine Art Internet: Das Wood Wide Web. In Wäldern seien Bäume über ein Netz aus feinen unterirdischen Pilzfäden miteinander verbunden, über das sie kommunizieren und sich gegenseitig sogar vor Gefahren wie Schädlingsbefall warnen können, lautete vor einigen Jahren die These. Wissenschaftlich korrekt belegen ließ sich die Annahme Medienberichten zufolge bislang noch nicht. Doch die Vorstellung, dass unter den 1600 Hektar Waldboden allein im Stadtkreis Heilbronn unsichtbare Netzwerke laufen, von denen alle profitieren, ist ein Sinnbild, das zur Region passt. Denn Netzwerke sind in Heilbronn-Franken fast so naturgegeben wie Pilzfadengeflechte rund um Baumwurzeln – und helfen auch ähnlich stark beim Wachstum. „Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken lebt von ihren multiplen und gewachsenen Netzwerken“, pflichtet Bernhard Feßler bei, Geschäftführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF), „sie sind der Schlüssel für Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“.
Netzwerke in Wissenschaft und Wirtschaft
Weil Unternehmen, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in der Region seit Generationen eng zusammenarbeiteten, sei Heilbronn-Franken mit seiner agilen und resilienten Wirtschaft zugleich Innovationsmotor und -treiber, ist Feßler überzeugt. Der starke eigentümergeführte Mittelstand bildet dabei aus seiner Sicht die stärkste Wurzel. Besonders in den Kernbranchen Automobilwirtschaft, Maschinenbau und Elektrotechnik enstünden durch diese Vernetzung immer neue Impulse: „Uns gehen die Ideen nie aus. Wenn das Bürokratiemonster nicht so lähmend und zermürbend an dieser Quelle saugen würde, könnten wir die ganze Kraft in Forschung, Anwendung und Produktion stecken“, sagt er.
Seit rund hundert Tagen ist Feßler nun selbst Chef eines wichtigen Knotenpunkts in der Netzwerkstruktur der Region: der WHF. 1999 gegründet, um die regionale Wirtschaftsförderung zu institutionalisieren, hat sie nach seinen Worten gerade in den vergangenen Jahren mit Initiativen zu Standortmarketing, Fachkräftesicherung und -anwerbung sowie bei der Unterstützung von Transformationsprozessen signifikant zur Entwicklung Heilbronn-Frankens beigetragen. Zu ihren Erfolgen zählen laut Feßler der Aufbau eines europaweiten Hochschulnetzwerks und die Kontaktstelle Frau und Beruf (KFB) Heilbronn-Franken.
Große Bandbreite
Mit der Plattform „#PlatzfürOriginale“, die Unternehmen bei der Mitarbeitersuche unterstützt, und dem Welcome Center (WCC) entstanden zwei weitere WHF-Netzwerkinitiativen. Um Mitarbeitermangel aufzufangen und gezielt Menschen für die Region zu begeistern, entstand 2018 zudem der Verein Hohenlohe+, in dem sich die Städte Bad Mergentheim, Crailsheim, Künzelsau, Öhringen und Schwäbisch Hall gegen Fachkräftemangel zusammentaten. Wie viele Entscheider und Institutionen in der Region kooperieren, erstaunte Ian Schölzel, Landrat des Hohenlohekreises, schon bei Amtsantritt vor knapp einem Jahr: „Die vorhandenen Netzwerke zu den verschiedensten Themen sind meiner Kenntnis nach einzigartig“, sagte er seinerzeit im Interview mit dem PROMAGAZIN. In der Tat finden Experten, Entscheider, Unternehmen, Institutionen und aktive Bürger in der Region gefühlt so effektiv zusammen wie sonst nur selten – und so geben die genannten Netzwerke auch nur einen kleinen Ausschnitt der „nährenden Geflechte“ wider, die zwischen Neckar und Tauber existieren.
Die Bandbreite an abgedeckten Themen ist groß: Von hfcon als Netzwerkinitiator, der Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützt, über Connect.IT, der Programmier- und Software-Experten in Kontakt bringt, bis zum Verein Führungsfrauen Raum Heilbronn. Heilbronn-Franken ist aber auch ein Beispiel dafür, dass erfolgreiches Netzwerken sprichwörtlich nicht nur „unter Bäumen“ funktioniert. Sondern auch, wenn es um die Natur selbst und damit verbundene Themen wie Nachhaltigkeit geht: Das Photovoltaiknetzwerk Heilbronn-Franken – ebenfalls Teil einer landesweiten Initiative – berät bei der Umstellung auf Solarenergie. Aber auch bei der WHF ist Nachhaltigkeit wichtig: „Ein hervorragendes Beispiel ist die Regionale Kompetenzstelle Ressourceneffizienz KEFF+ Heilbronn-Franken, die Teil eines landesweiten Netzwerks ist“, erläutert WHF-Geschäftsführer Feßler. Die Mitglieder, erfahrene Ingenieure, unterstützen nach seinen Worten produzierende Unternehmen dabei, Material, Energie und Kosten einzusparen.
Wirtschaftsförderung
Manchmal bedeutet enge Zusammenarbeit in Heilbronn und Umgebung sogar räumliche Nähe zwischen den Förderern: Wenn WHF-Geschäftsführer Feßler sein Büro in der Heilbronner Koepffstraße betritt, kann es sein, dass er auf dem Flur Patrick Dufour begegnet, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH. Dufour ist ebenfalls ein Netzwerker mit Visionen für die Region, insbesondere das Einzugsgebiet rund um Heilbronn. Die WFG unterstützt Unternehmen mit ihrem Branchen- und Ansiedlungsservice, beim Wissens- und Technologietransfer, etwa dank der engen Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Standort Lampoldshausen, wo Unternehmen aus dem Wirtschaftsraum Heilbronn und darüber hinaus im Rahmen des Leuchtturm-Projekts „Hydrogenium“ Wasserstoffanwendungen in Zukunft testen werden können.
Insbesondere die Branchen Metall, Kunststoff und Automotive unterstützt die WFG mit verschiedenen Dialog-Initiativen. Bei vielen Vorhaben stehen WFG und WHF dabei miteinander in fruchtbarem Austausch und kooperieren. Vermutlich die engste Symbiose ist das Netzwerk Transformotive, das Unternehmen der Automobil- und Zuliefererbranche bei der Transformation unterstützt, sei es in Fragen zur Digitalisierung, zu nachhaltigen Technologien oder zu neuen Geschäftsmodellen.
Clusterregion Heilbronn-Franken
Der von der WFG getragene TransformotiveDialog ist dabei eine von zwei Meta-Clustern in Heilbronn-Franken. Cluster sind, so schreibt es Autor Peter Kirchner in seinem Buch „Die Clusterregion Heilbronn-Franken“, das die IHK Heilbronn-Franken 2011 herausgegeben hat, „räumlich konzentrierte Ansammlungen von Unternehmen mit einem gemeinsamen Nenner“ – etwa bei Technologien, Märkten, Kunden oder Ressourcen, die Synergien entwickeln. Um beim Bild des „Wood Wide Web“ zu bleiben, sind Cluster die zusammenhängenden Waldgebiete; die darin agierenden Unternehmen ähneln einzelnen Bäumen, die untereinander in Verbindung stehen.
Zwölf Cluster zählte Kirchner seinerzeit für Heilbronn-Franken, vom Montage- und Befestigungscluster rund um Würth in Künzelsau über Ventilatoren- und Mess- und Regeltechnikcluster, das so genannte „Audi- Cluster“ bei Neckarsulm, Wertheim als Laborglas-Hochburg und dem Verpackungsmaschinenbau in Schwäbisch Hall, um nur einige zu nennen. Damit verfüge die Region Heilbronn-Franken über die höchste Cluster-Dichte in Baden-Württemberg, heißt es in der Publikation. Die Verpackungsbranche bildet darin das zweite Meta-Cluster der Region, das sich inzwischen sogar von der Mitte bis in den Süden Deutschlands erstreckt: Der Verein Packaging Valley Germany e.V. vernetzt über 100 Unternehmen der Verpackungsindustrie.
Netzwerk- Veranstaltungen
Angesichts der Bedeutung regionaler Cluster für das Wachstum freut sich Geschäftsführer Patrick Dufour über den jüngsten Erfolg der WFG: Erstmals kamen vor wenigen Tagen in den Räumen der Handwerkskammer Heilbronn-Franken Vertreter von Clusterorganisationen aus ganz Europa zusammen. Die European Cluster Collaboration Platform ECCP hat das EU-geförderte Format entwickelt, und „schon vor Monaten hatten wir uns beworben, um eine solche Veranstaltung nach Heilbronn zu holen. Jetzt war es endlich soweit“, freut sich Dufour. Zwei Tage lang knüpften die Teilnehmer während Vorträgen, Exkursionen, Workshops und anderen Angeboten Kontakte, um die Chancen und Herausforderungen für den Raum Heilbronn und die Region mit Blick über Landes- und Ländergrenzen hinweg auszuloten.
Wie Pilzfäden, die Bäume mit Nährstoffen versorgen, nähren Cluster und Netzwerke Heilbronn-Franken mit Ideen, Projekten und Förderprogrammen. WHF-Chef Feßler sieht der Zukunft der Region deshalb – trotz der aktuell herausfordernden Wirtschaftslage und nagenden Themen wie Bürokratieabbau, Fachkräftemangel und Transformation – optimistisch entgegen: „Mit einer der höchsten Dichten an Weltmarktführern über eine große Bandbreite der Technologien und des Handels, der Dienstleistungen und KMU hat Heilbronn-Franken die besten Voraussetzungen, um am Strukturwandel nicht zu verzweifeln, sondern, ganz im Gegenteil, ihn aktiv zu gestalten.“
Natalie Kotowski