Pläne der neuen Bundesregierung: Politiker im Main-Tauber-Kreis zeigen sich optimistisch

Im Main-Tauber-Kreis sind die Politiker optimistisch. Die Pläne der neuen Bundesregierung haben das Potenzial, die Kommunen zu stärken und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sagen Entscheider. Doch die Politik fordert auch mehr Tempo, klare Regeln und Investitionsanreize.

Pläne der neuen Bundesregierung: Politiker im Main-Tauber-Kreis zeigen sich optimistisch
Im Main-Tauber-Kreis herrscht aufgrund der Pläne der neuen Bundesregierung Optimismus. Foto: AdobeStock/Christian

Bundeskanzler Friedrich Merz steht im Vordergrund, in seinem Blick liegt eine Mischung aus Skepsis und Ratlosigkeit. Im Hintergrund  eine schwarze Luxuslimousine. Dazu der Text: „Wenn‘s im ersten Gang nicht klappt – einfach hochschalten.“ Mit dieser Werbekampagne griff ein großer deutscher Autovermieter den Fehlstart der neuen Bundesregierung im ersten Durchgang der Kanzlerwahl auf.

Erst am späten Nachmittag des 6. Mai erhielt Friedrich Merz im zweiten Wahlgang die erforderlichen Stimmen. Und so sehr manch einer über den Werbe-Slogan geschmunzelt haben mochte, so erleichtert waren viele am Ende darüber, dass feststand, wer künftig das Land steuert.

Die Pläne der neuen Bundesregierung sorgen im Main-Tauber-Kreis für Optimismus

Einer von ihnen war Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar (CDU): „Zum Glück hat das trotz dieses Stolperers noch geklappt mit der Wahl“, kommentierte er erleichtert direkt im Anschluss. Er sprach damit vermutlich den meisten seiner Amtskollegen im Main-Tauber-Kreis aus dem Herzen. Denn die wollen in Sachen Wachstum, Steuereinnahmen und Bürokratieabbau nach eigenem Bekunden so schnell wie möglich einen Gang hochschalten. Zumindest überwiegt unter den Bürgermeistern im Landkreis die Hoffnung, dass mit Umsetzung des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD die Wirtschaftskraft ihrer Heimat Fahrt aufnimmt.

Zuversichtlich blickt auch Landrat Christoph Schauder auf die 21. Legislatur: „Die Koalitionsverhandlungen haben gezeigt, dass die Verantwortlichen viele Themen in einem neuen Blickwinkel angehen wollen und dabei auch den ländlichen Raum nicht vergessen. Das macht mir Hoffnung“, sagt er.

Wertheims Oberbürgermeister bewertet Pläne der neuen Bundesregierung positiv

„Ländlicher Raum“ – die Bezeichnung ist beim Main-Tauber-Kreis kein Synonym für Strukturschwäche. Im Gegenteil. Seit langem gehört der Kreis zu den Motoren Heilbronn-Frankens. Rund 20 Weltmarktführer sind laut Landratsamt im nordöstlichsten Landkreis Baden-Württembergs angesiedelt. Gleich zehn dieser Top-Unternehmen sitzen in der Großen Kreisstadt Wertheim, wie die Stadt mit Verweis auf die neueste Ausgabe des „Lexikons der Weltmarktführer“ mitteilt. Dass Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez (SPD) sogar zwölf Weltklasse-Unternehmen zählt, liegt an der Gerresheimer Wertheim GmbH und der Ersa GmbH. Beide sind in Wertheim zwar ansässig, die Autoren rechnen sie aber aufgrund ihrer Unternehmensstruktur anderen Standorten zu.

Damit steht Wertheim nicht nur in Heilbronn-Franken auf dem Spitzenplatz. Seit die Pink GmbH Thermosysteme es in diesem Jahr erstmals ins Lexikon der Weltmarktführer schaffte, das der Informationsdienst „Die Deutsche Wirtschaft (DDW)“ gemeinsam mit dem Ökonomen Prof. Dr. Bernd Venohr erstellt, ist Wertheim nun sogar landesweit auf Platz eins und hat Stuttgart überholt. Bundesweit liegt die 23.000-Einwohner-Stadt an Main und Tauber auf einem beachtlichen siebten Rang.

Oberbürgermeister Herrera Torrez ist stolz auf den Standort mit seinem starken Mittelstand: „Die Unternehmen sind das Rückgrat unserer Stadt – wichtig für Arbeitsplätze, Ausbildung, Innovation und Weiterentwicklung“, sagt er. Wertheims Wirtschaft habe sich dank breiter Diversifikation in Krisen als überwiegend robust erwiesen. „Doch das dritte Jahr Nullwachstum in Folge, die hohen Energiepreise und nun auch noch die Risiken der Trump‘schen Zollpolitik machen unseren Unternehmen Sorgen“, sagt der Sozialdemokrat. Gleichwohl sehe er viele gute Ansätze im Koalitionsvertrag, „deshalb habe ich bei der SPD-Mitgliederbefragung auch zugestimmt“.

Mehr Tempo, klare Regeln und Investitionsanreize gefordert

So sehen es offenbar auch die Wertheimer Unternehmen. „In Gesprächen höre ich sehr oft: Die Richtung stimmt, aber es braucht mehr Tempo und klare Regeln“ – besonders bei Bürokratieabbau, Genehmigungsverfahren und dem Ausbau von Infrastruktur, berichtet Herrera Torrez. Ein Turbo könnte aus seiner Sicht der geplante „Investitionsbooster“ der Regierungsparteien sein, die degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen in Höhe von 30 Prozent für die kommenden Jahre: „Das könnte einen Anreiz für Unternehmen setzen, in neue Maschinen, Digitalisierung und klimafreundliche Technik zu investieren.“ Niedrigere Energiepreise und die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer seien ebenfalls wichtige Signale.

Auf die unternehmerfreundliche Steuersenkung setzt auch Frank Menikheim, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Igersheim: „Dieses Instrument schafft Investitionsanreize und entlastet die Unternehmen“, ist er überzeugt: „Neue – oder wieder sichere – Arbeitsplätze wären nach Jahren der Stagnation sehr wichtig und wünschenswert.“ Dabei litt Igersheim noch vergleichsweise wenig unter Stillstand:  Wirtschaftlich habe sich die Gemeinde seit seinem Amtsantritt 2008 „insgesamt positiv“ entwickelt, bilanziert Menikheim, der auch Kreisverbandsvorsitzender des Gemeindetags ist und dessen Landesvorstand angehört. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei in diesem Zeitraum um 1000 gewachsen, Igersheims Steuerkraft liege seit dem vergangenen Jahr erstmals über dem Kreisdurchschnitt.

Chancen des Zukunftspakts

Ob es in der neuen Legislaturperiode gelingt, die wirtschaftliche Drehzahl noch weiter zu erhöhen, ist nach Menikheims Ansicht für die ansässigen Unternehmen indes noch nicht ausgemacht: Er höre, der Koalitionsvertrag müsse sich erst noch beweisen, vieles sei noch nicht konkret. Es bleibe abzuwarten, was wann und wie genau umgesetzt werde. „Insofern würde ich die Stimmung als ambivalent bezeichnen“, sagt er. Auch er selbst äußert sich nur vorsichtig optimistisch: „Die besseren Abschreibungsmöglichkeiten klingen zunächst gut. Allerdings ist die konkrete Ausgestaltung der steuerlichen Regelung noch unklar, außerdem steht sie unter dem Finanzierungsvorbehalt.“ Menikheim hofft auf niedrigere Energiepreise und Deregulierung, „das würde allen Branchen zugute kommen.“ Und noch etwas sieht er ausdrücklich als Chance: den Zukunftspakt Bund, Länder und Kommunen.

Unter diesem Titel versprechen die Regierungsparteien, sich für eine faire Aufgaben- und Finanzierungsverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen einzusetzen. „Dabei stellen wir sicher, dass kommunale Aufgaben angemessen ausgestattet werden und neue Verpflichtungen mit einer entsprechenden finanziellen Unterstützung einhergehen“, heißt es auf Seite 57 im Koalitionsvertrag. Für Menikheim ein gutes Zeichen: „Es ist zu begrüßen, dass die Einsicht seitens der Koalitionäre also vorhanden ist“, sagt er in seinen Funktionen als Bürgermeister und für den Gemeindetag. „Umsetzbar wäre das zum Beispiel durch eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer“, schlägt er vor. So könne die Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden stabilisiert werden, die Kommunen könnten notwendige Investitionen leichter umsetzen.

Dass die Kommunen von einem erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer stärker profitieren würden, ist sowohl Überzeugung als auch eine Forderung von Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar: „Damit kann man den Kommunen sofort helfen, das könnte verringerte Steuereinnahmen aus aktuell schwierigen Zeiten und Jahren etwas ausgleichen.“

Die Senkung der Körperschaftssteuer sei richtig, greife aber erst in zwei bis drei Jahren. Die Große Kreisstadt befindet sich nach seiner Einschätzung im Jahr ihres 50-jährigen Jubiläums ohnehin auf einem guten Kurs. Zum einen, was die Einwohnerzahl angeht: Von 22.000 Bürgern bei seinem Amtsantritt vor elf Jahren wuchs die große Kreisstadt auf mittlerweile knapp 25.000. Die Neubürger kommen nach seiner Aussage aus allen Altersgruppen. Bad Mergentheim sei damit nicht mehr die strukturell älteste Stadt im Main-Tauber-Kreis, sondern liege im Mittelfeld. „Die steigende Einwohnerzahl spiegelt sich in einer Verdoppelung des Haushaltsvolumens auf 85 Millionen Euro und einem Anstieg der Einkommensteuereinnahmen auf 15 Millionen Euro wider“, ergänzt Glatthaar. Grund für die gesteigerte Attraktivität seien die ansässigen Unternehmen.

Pläne der neuen Bundesregierung als Motor

Und die, zum anderen, hätten die Wirtschaftskraft der Kurstadt angetrieben: „Als ich antrat, hatten wir neun bis zehn Millionen Euro jährliche Gewerbesteuereinnahmen. Inzwischen sind es 16 bis 18 Millionen Euro“, sagt er. Auch wenn Bad Mergentheim damit unter den Großen Kreisstädten im Land immer noch zu den Finanzschwächeren gehöre, „sind wir auch hier auf einem Wachstumspfad.“

Impulse erhofft sich Glatthaar nach eigenen Worten für den Gesundheitssektor im ländlichen Raum. Dass mit der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken eine gebürtige Bad Mergentheimerin und bekennende Tauberbischofsheimerin in der Regierung ist, die die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum kennt, dürfte ihm Hoffnung machen. Er ist überzeugt: Selbst wenn die neue Regierung nur drei Punkte umsetze – Steuererleichterung, Bürokratieabbau und kommunale Mitsprache –, könne das ein Motor sein. Im Koalitionsvertrag stecke einiges drin. „Das muss jetzt aber auch auf die Straße kommen.“         

Natalie Kotowski

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